Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

verziert. Dann schnitt er in einige Bergstöcke, die er zufällig beim Streifen durch die Wälder entdeckt und mitgenommen, allerlei Gestalten und Geschichten. Einen davon besitzt gegenwärtig noch Dr. Pfretschner in Jenbach; er gefällt Ihnen gewiß, wenn Sie ihn anschauen. So füllte er die müßigen Stunden aus.

Einmal -- es war um Mariä Empfängniß -- harrte er wieder im Gebüsch auf die Ankunft Nidinger's und Walburg's, welche sich etwas verspätet hatten. Da nahte durch die Dunkelheit ein Mann mit einem Mädchen zur Seite. -- Grüß Gott! rief Klaus und trat aus dem Gebüsch. Erst als er vor ihnen stand, sah er, daß er sich geirrt, und lief schleunig davon. Sie hatten ihn nicht genau erkannt und würden ihn auch in diesem Falle nicht verrathen haben; allmählich jedoch verbreitete sich unter den Achenthalern das Gerücht, Klaus sei irgendwo im Gebirg versteckt. Naz hörte zufällig durch seinen Vater auch davon, ohne jedoch vorläufig weiter darauf zu achten. Da lehnte er einmal am Zaun, zwei Bauern gingen vorüber, sie bemerkten ihn nicht, er vernahm jedoch jedes Wort.

Der Klaus ist also da, sagte der Eine; wüßt' ich, wo er steckt, ich brächt' ihm Schmalz, Eier und Mehl, so viel er zwingen könnt', denn er hat's verdient durch seine Bravheit.

Recht hast, erwiderte der Andere, nur möcht' ich auch noch den Naz, der dem ganzen Dorfe Schande macht, hängen.

verziert. Dann schnitt er in einige Bergstöcke, die er zufällig beim Streifen durch die Wälder entdeckt und mitgenommen, allerlei Gestalten und Geschichten. Einen davon besitzt gegenwärtig noch Dr. Pfretschner in Jenbach; er gefällt Ihnen gewiß, wenn Sie ihn anschauen. So füllte er die müßigen Stunden aus.

Einmal — es war um Mariä Empfängniß — harrte er wieder im Gebüsch auf die Ankunft Nidinger's und Walburg's, welche sich etwas verspätet hatten. Da nahte durch die Dunkelheit ein Mann mit einem Mädchen zur Seite. — Grüß Gott! rief Klaus und trat aus dem Gebüsch. Erst als er vor ihnen stand, sah er, daß er sich geirrt, und lief schleunig davon. Sie hatten ihn nicht genau erkannt und würden ihn auch in diesem Falle nicht verrathen haben; allmählich jedoch verbreitete sich unter den Achenthalern das Gerücht, Klaus sei irgendwo im Gebirg versteckt. Naz hörte zufällig durch seinen Vater auch davon, ohne jedoch vorläufig weiter darauf zu achten. Da lehnte er einmal am Zaun, zwei Bauern gingen vorüber, sie bemerkten ihn nicht, er vernahm jedoch jedes Wort.

Der Klaus ist also da, sagte der Eine; wüßt' ich, wo er steckt, ich brächt' ihm Schmalz, Eier und Mehl, so viel er zwingen könnt', denn er hat's verdient durch seine Bravheit.

Recht hast, erwiderte der Andere, nur möcht' ich auch noch den Naz, der dem ganzen Dorfe Schande macht, hängen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <p><pb facs="#f0068"/>
verziert. Dann schnitt er in einige Bergstöcke, die er                zufällig beim Streifen durch die Wälder entdeckt und mitgenommen, allerlei Gestalten                und Geschichten. Einen davon besitzt gegenwärtig noch Dr. Pfretschner in Jenbach; er                gefällt Ihnen gewiß, wenn Sie ihn anschauen. So füllte er die müßigen Stunden                aus.</p><lb/>
        <p>Einmal &#x2014; es war um Mariä Empfängniß &#x2014; harrte er wieder im Gebüsch auf die Ankunft                Nidinger's und Walburg's, welche sich etwas verspätet hatten. Da nahte durch die                Dunkelheit ein Mann mit einem Mädchen zur Seite. &#x2014; Grüß Gott! rief Klaus und trat aus                dem Gebüsch. Erst als er vor ihnen stand, sah er, daß er sich geirrt, und lief                schleunig davon. Sie hatten ihn nicht genau erkannt und würden ihn auch in diesem                Falle nicht verrathen haben; allmählich jedoch verbreitete sich unter den                Achenthalern das Gerücht, Klaus sei irgendwo im Gebirg versteckt. Naz hörte zufällig                durch seinen Vater auch davon, ohne jedoch vorläufig weiter darauf zu achten. Da                lehnte er einmal am Zaun, zwei Bauern gingen vorüber, sie bemerkten ihn nicht, er                vernahm jedoch jedes Wort.</p><lb/>
        <p>Der Klaus ist also da, sagte der Eine; wüßt' ich, wo er steckt, ich brächt' ihm                Schmalz, Eier und Mehl, so viel er zwingen könnt', denn er hat's verdient durch seine                Bravheit.</p><lb/>
        <p>Recht hast, erwiderte der Andere, nur möcht' ich auch noch den Naz, der dem ganzen                Dorfe Schande macht, hängen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0068] verziert. Dann schnitt er in einige Bergstöcke, die er zufällig beim Streifen durch die Wälder entdeckt und mitgenommen, allerlei Gestalten und Geschichten. Einen davon besitzt gegenwärtig noch Dr. Pfretschner in Jenbach; er gefällt Ihnen gewiß, wenn Sie ihn anschauen. So füllte er die müßigen Stunden aus. Einmal — es war um Mariä Empfängniß — harrte er wieder im Gebüsch auf die Ankunft Nidinger's und Walburg's, welche sich etwas verspätet hatten. Da nahte durch die Dunkelheit ein Mann mit einem Mädchen zur Seite. — Grüß Gott! rief Klaus und trat aus dem Gebüsch. Erst als er vor ihnen stand, sah er, daß er sich geirrt, und lief schleunig davon. Sie hatten ihn nicht genau erkannt und würden ihn auch in diesem Falle nicht verrathen haben; allmählich jedoch verbreitete sich unter den Achenthalern das Gerücht, Klaus sei irgendwo im Gebirg versteckt. Naz hörte zufällig durch seinen Vater auch davon, ohne jedoch vorläufig weiter darauf zu achten. Da lehnte er einmal am Zaun, zwei Bauern gingen vorüber, sie bemerkten ihn nicht, er vernahm jedoch jedes Wort. Der Klaus ist also da, sagte der Eine; wüßt' ich, wo er steckt, ich brächt' ihm Schmalz, Eier und Mehl, so viel er zwingen könnt', denn er hat's verdient durch seine Bravheit. Recht hast, erwiderte der Andere, nur möcht' ich auch noch den Naz, der dem ganzen Dorfe Schande macht, hängen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T13:06:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T13:06:45Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/68
Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/68>, abgerufen am 25.05.2024.