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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] ten) dem Zaum Gehorsam leisten/ und dessen Erin-
nerungen gewohnen/ allzeit zu folgen. Bestehet also
dieser Nutzen in deß Zaumes Würckung allein/ so
durch die Leitung und Regierung vollbracht wird.

Dann je minder der Reuter innerliche und äus-
serliche Hinderungen an dem Pferd befinden/ und sich
dabey der bösen Zäumungs-Mittel und derselben un-
mässigen Gebrauchs gegen dem Pferde enthalten
wird/ so viel wird er auch dem Pferde seines Ungehor-
sambs in den meisten Bezeigungen (der Vernunfft
und Vermuthung nach) enthalten lernen.

Hierinnen nun hat der Zäumer seine Geschicklig-
keit zu bezeigen so viel genugsame Mittel/ als es an
ihme selber so schwer zu erlangen/ als hoch zu halten
ist. Wie er hergegen seine Unvollkommenheit allzu-
mercklich erscheinen lassen wird/ wann man so wol
aus der bösen Zäumung als ungehorsamen Pferden
abnehmen kan/ daß es ihm an der rechten Erkäntnüß
des Pferdes innerlicher und äusserlicher Beschaffen-
heit mangelt/ viel weniger wisse wie die gute zu erlan-
gen und zu erhalten/ hergegen die bösen zu verhindern
und abzuschaffen. Noch mehr aber/ wann er seine
eigene Begierden/ Zorn/ Unwillen und Verdruß (ü-
ber den schlechten Fortgang/ des Pferdes Widersez-
zen/ ja wider sich selber/ daß er solches nicht zu verbes-
sern oder zu ändern weiß/) selber nicht zäumen kan/
sondern daß ihn das Pferd nicht verstehen/ ihm
nachgeben/ noch folgen wil/ gleichsam enttzünden läs-
set/ hat er Ursach über Ursach/ an sich selber die Zäu-
mung von neuen anzufangen/ und seine Fehler so viel
zu mässigen/ als ihn selbige Unordnung seiner unge-
zäumten Begierden an des Pferdes Zäumung viel
gehindert haben/ und als viel sie ihn angereitzet und
überwunden/ daß Pferde zur ungelegenen Zeit und
Ort/ über die Masse mit dem Zaum zu straffen/ da-
von es zuviel beleidiget/ und von solchen Verletzungen
auch so unordentlich werden können.

Dann so hoch die Pferde zu halten/ welche die gute
Zäumung gedulden/ annehmen und behalten/ weil
ihnen auch dieselbe Anfangs ungewohnet/ ob sie ih-
nen gleich unschädlich ist/ so wenig seynd die geringen
wegen ihres Unwillen zu verdencken/ zu straffen/ oder
zu verwerffen/ welche sich der bösen Zäumung nach
Vermögen widersetzen/ worzu sie von der Natur nach
vernunfftigen Menschen Exempel angeleitet werden.

Weil aber gleichwol sich auch ein solcher unverseh-
ner Extraodinari-Fall begeben könte/ daß dem Pferd
der Zaum in dem Maul schärffer würckete/ als es
sein Beschaffenheit erforderte: so wird der Reuter
sehr wol thun/ welcher auff solchen Fall/ damit sein
Pferd durch einige Versuchungs-Prob versichert/
auff daß es auff den Erfolg nicht in allzugrosse Be-
frembdung fallen/ oder gefährliches und sehr schädli-
ches begehen möchte: wann er sein Pferd (welches in
des Zaums Gehorsam und Gebrauch genugsam ver-
sicherte) mit einer oder der andern mässigen Briglitata
versuchet/ und wie es sich darauff verhalte/ probiret/ er
sich dann/ wann ihm dergleichen ein anders mal in
[Spaltenumbruch] wichtigen Handlungen von ungefähr/ oder dem
Feind begegnen solte/ nicht zu besorgen habe/ daß es
dadurch in gäntzliche Unordnung oder Desperation
gerathen möchte. Solche Versuchung aber ist
nicht allein in der Maaß/ sondern auch in der Zahl je
weniger je besser zu gebrauchen. Und zwar nicht zu
aller Zeit/ an jedem Ort/ da leichtlich eben das daraus
erfolgen möchte/ was er damit vorzukommen ver-
meinet.

Und bestehet der rechte Unterschied zwischen solcher
guten und bösen Versuchung in diesen Eigenschaff-
ten/ daß 1. die Jntention und Frucht zur Verbesserung
und Versicherung des Reuters wie des Pferdes ge-
deyen mögen. 2. Die Art aber nicht durch so schäd-
liche Zeig und Mittel vorgenommen werde/ daß de-
ren Würckungen mehr Schaden thun als Nutzen
bringen können. Und endlich der Gebrauch allzeit
eine solche Moderation in acht nehme/ der die Hoff-
nung mehr erhalte als austilge.

Die Wendung.

Jst die andere Haupt-Bezeigung/ so durch den
Gebrauch und Würckung des Zaums von dem
Reuter bey den Pferden gesuchet wird: und zwar
nicht allein nach der natürlichen Vernunfft und Er-
forderung/ so in derselben Unterweisung und allem
Gebrauch fürfallen kan: sondern nach der Göttli-
chen Anzeigung selber/ welche alle dieselbe eben nöthig
befinden/ wann die Pferde anders zu allem Gebrauch
tüchtig gemachet werden sollen. Daß sie aber nun in
solchem Fall je vollkommener seyn/ als sie sich willig
und geschwind erweisen/ und daß sie in der Bezeigung
nimmermehr zu hurtig und fertig seyn können/ erwei-
set abermahl das Biblische Exempel: dann in der
gefährlichen Schlacht wider die Syrer/ stunde den
Jsraelitischen Königen/ die Erhaltung ihres Lebens
vornemlich in der eilfertigen Wendung der Pferde/
sie dadurch der grossen Gefahr zu entfernen. Als
auch der König Joram selbst seine Flucht durch die
Wendung anfangen und fortsetzen muste/ welches
in dem Theil/ des rechten Gebrauchs der Pferde/
mehrers erhellen wird.

Das Auff- und Jnnhalten/
Pariren.

Jst die dritte Haupt-Bezeigung/ so der Reuter
durch des Zaums Würckung und Gebrauch bey den
Pferden suchet.

Und zwar darumb das nöthigste und vornehmste/
weil die Pferde auch wol durch andere Mittel fortge-
bracht/ geleitet und gewendet/ aber sonder des Zaums
Gebrauch nicht also inngehalten werden können/ da-
hero neben der höchsten Nothwendigkeit derselben er-
scheinet/ wie sie auch am allersorgfältigsten in Acht zu
nehmen/ und zu gebrauchen/ wie solche nicht minder
als die vorigen/ in heiliger Schrifft so klärlich ange-
zeiget und gegründet/ und aus der täglichen Erfah-
rung zu befinden/ von welchem in den Theilen der Un-
terweisung und rechtem Gebrauch der Pferde die Spe-
cialia
folgen sollen.

Diese

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] ten) dem Zaum Gehorſam leiſten/ und deſſen Erin-
nerungen gewohnen/ allzeit zu folgen. Beſtehet alſo
dieſer Nutzen in deß Zaumes Wuͤrckung allein/ ſo
durch die Leitung und Regierung vollbracht wird.

Dann je minder der Reuter innerliche und aͤuſ-
ſerliche Hinderungen an dem Pferd befinden/ und ſich
dabey der boͤſen Zaͤumungs-Mittel und derſelben un-
maͤſſigen Gebrauchs gegen dem Pferde enthalten
wird/ ſo viel wird er auch dem Pferde ſeines Ungehor-
ſambs in den meiſten Bezeigungen (der Vernunfft
und Vermuthung nach) enthalten lernen.

Hierinnen nun hat der Zaͤumer ſeine Geſchicklig-
keit zu bezeigen ſo viel genugſame Mittel/ als es an
ihme ſelber ſo ſchwer zu erlangen/ als hoch zu halten
iſt. Wie er hergegen ſeine Unvollkommenheit allzu-
mercklich erſcheinen laſſen wird/ wann man ſo wol
aus der boͤſen Zaͤumung als ungehorſamen Pferden
abnehmen kan/ daß es ihm an der rechten Erkaͤntnuͤß
des Pferdes innerlicher und aͤuſſerlicher Beſchaffen-
heit mangelt/ viel weniger wiſſe wie die gute zu erlan-
gen und zu erhalten/ hergegen die boͤſen zu verhindern
und abzuſchaffen. Noch mehr aber/ wann er ſeine
eigene Begierden/ Zorn/ Unwillen und Verdruß (uͤ-
ber den ſchlechten Fortgang/ des Pferdes Widerſez-
zen/ ja wider ſich ſelber/ daß er ſolches nicht zu verbeſ-
ſern oder zu aͤndern weiß/) ſelber nicht zaͤumen kan/
ſondern daß ihn das Pferd nicht verſtehen/ ihm
nachgeben/ noch folgen wil/ gleichſam enttzuͤnden laͤſ-
ſet/ hat er Urſach uͤber Urſach/ an ſich ſelber die Zaͤu-
mung von neuen anzufangen/ und ſeine Fehler ſo viel
zu maͤſſigen/ als ihn ſelbige Unordnung ſeiner unge-
zaͤumten Begierden an des Pferdes Zaͤumung viel
gehindert haben/ und als viel ſie ihn angereitzet und
uͤberwunden/ daß Pferde zur ungelegenen Zeit und
Ort/ uͤber die Maſſe mit dem Zaum zu ſtraffen/ da-
von es zuviel beleidiget/ und von ſolchen Verletzungen
auch ſo unordentlich werden koͤnnen.

Dann ſo hoch die Pferde zu halten/ welche die gute
Zaͤumung gedulden/ annehmen und behalten/ weil
ihnen auch dieſelbe Anfangs ungewohnet/ ob ſie ih-
nen gleich unſchaͤdlich iſt/ ſo wenig ſeynd die geringen
wegen ihres Unwillen zu verdencken/ zu ſtraffen/ oder
zu verwerffen/ welche ſich der boͤſen Zaͤumung nach
Vermoͤgen widerſetzen/ worzu ſie von der Natur nach
vernunfftigen Menſchen Exempel angeleitet werden.

Weil aber gleichwol ſich auch ein ſolcher unverſeh-
ner Extraodinari-Fall begeben koͤnte/ daß dem Pferd
der Zaum in dem Maul ſchaͤrffer wuͤrckete/ als es
ſein Beſchaffenheit erforderte: ſo wird der Reuter
ſehr wol thun/ welcher auff ſolchen Fall/ damit ſein
Pferd durch einige Verſuchungs-Prob verſichert/
auff daß es auff den Erfolg nicht in allzugroſſe Be-
frembdung fallen/ oder gefaͤhrliches und ſehr ſchaͤdli-
ches begehen moͤchte: wann er ſein Pferd (welches in
des Zaums Gehorſam und Gebrauch genugſam ver-
ſicherte) mit einer oder der andern maͤſſigen Briglitata
verſuchet/ und wie es ſich darauff verhalte/ probiret/ er
ſich dann/ wann ihm dergleichen ein anders mal in
[Spaltenumbruch] wichtigen Handlungen von ungefaͤhr/ oder dem
Feind begegnen ſolte/ nicht zu beſorgen habe/ daß es
dadurch in gaͤntzliche Unordnung oder Deſperation
gerathen moͤchte. Solche Verſuchung aber iſt
nicht allein in der Maaß/ ſondern auch in der Zahl je
weniger je beſſer zu gebrauchen. Und zwar nicht zu
aller Zeit/ an jedem Ort/ da leichtlich eben das daraus
erfolgen moͤchte/ was er damit vorzukommen ver-
meinet.

Und beſtehet der rechte Unterſchied zwiſchen ſolcher
guten und boͤſen Verſuchung in dieſen Eigenſchaff-
ten/ daß 1. die Jntention und Frucht zur Verbeſſerung
und Verſicherung des Reuters wie des Pferdes ge-
deyen moͤgen. 2. Die Art aber nicht durch ſo ſchaͤd-
liche Zeig und Mittel vorgenommen werde/ daß de-
ren Wuͤrckungen mehr Schaden thun als Nutzen
bringen koͤnnen. Und endlich der Gebrauch allzeit
eine ſolche Moderation in acht nehme/ der die Hoff-
nung mehr erhalte als austilge.

Die Wendung.

Jſt die andere Haupt-Bezeigung/ ſo durch den
Gebrauch und Wuͤrckung des Zaums von dem
Reuter bey den Pferden geſuchet wird: und zwar
nicht allein nach der natuͤrlichen Vernunfft und Er-
forderung/ ſo in derſelben Unterweiſung und allem
Gebrauch fuͤrfallen kan: ſondern nach der Goͤttli-
chen Anzeigung ſelber/ welche alle dieſelbe eben noͤthig
befinden/ wann die Pferde anders zu allem Gebrauch
tuͤchtig gemachet werden ſollen. Daß ſie aber nun in
ſolchem Fall je vollkommener ſeyn/ als ſie ſich willig
und geſchwind erweiſen/ und daß ſie in der Bezeigung
nimmermehr zu hurtig und fertig ſeyn koͤnnen/ erwei-
ſet abermahl das Bibliſche Exempel: dann in der
gefaͤhrlichen Schlacht wider die Syrer/ ſtunde den
Jſraelitiſchen Koͤnigen/ die Erhaltung ihres Lebens
vornemlich in der eilfertigen Wendung der Pferde/
ſie dadurch der groſſen Gefahr zu entfernen. Als
auch der Koͤnig Joram ſelbſt ſeine Flucht durch die
Wendung anfangen und fortſetzen muſte/ welches
in dem Theil/ des rechten Gebrauchs der Pferde/
mehrers erhellen wird.

Das Auff- und Jnnhalten/
Pariren.

Jſt die dritte Haupt-Bezeigung/ ſo der Reuter
durch des Zaums Wuͤrckung und Gebrauch bey den
Pferden ſuchet.

Und zwar darumb das noͤthigſte und vornehmſte/
weil die Pferde auch wol durch andere Mittel fortge-
bracht/ geleitet und gewendet/ aber ſonder des Zaums
Gebrauch nicht alſo inngehalten werden koͤnnen/ da-
hero neben der hoͤchſten Nothwendigkeit derſelben er-
ſcheinet/ wie ſie auch am allerſorgfaͤltigſten in Acht zu
nehmen/ und zu gebrauchen/ wie ſolche nicht minder
als die vorigen/ in heiliger Schrifft ſo klaͤrlich ange-
zeiget und gegruͤndet/ und aus der taͤglichen Erfah-
rung zu befinden/ von welchem in den Theilen der Un-
terweiſung und rechtem Gebrauch der Pferde die Spe-
cialia
folgen ſollen.

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[207/0219] Pferde-Schatz. ten) dem Zaum Gehorſam leiſten/ und deſſen Erin- nerungen gewohnen/ allzeit zu folgen. Beſtehet alſo dieſer Nutzen in deß Zaumes Wuͤrckung allein/ ſo durch die Leitung und Regierung vollbracht wird. Dann je minder der Reuter innerliche und aͤuſ- ſerliche Hinderungen an dem Pferd befinden/ und ſich dabey der boͤſen Zaͤumungs-Mittel und derſelben un- maͤſſigen Gebrauchs gegen dem Pferde enthalten wird/ ſo viel wird er auch dem Pferde ſeines Ungehor- ſambs in den meiſten Bezeigungen (der Vernunfft und Vermuthung nach) enthalten lernen. Hierinnen nun hat der Zaͤumer ſeine Geſchicklig- keit zu bezeigen ſo viel genugſame Mittel/ als es an ihme ſelber ſo ſchwer zu erlangen/ als hoch zu halten iſt. Wie er hergegen ſeine Unvollkommenheit allzu- mercklich erſcheinen laſſen wird/ wann man ſo wol aus der boͤſen Zaͤumung als ungehorſamen Pferden abnehmen kan/ daß es ihm an der rechten Erkaͤntnuͤß des Pferdes innerlicher und aͤuſſerlicher Beſchaffen- heit mangelt/ viel weniger wiſſe wie die gute zu erlan- gen und zu erhalten/ hergegen die boͤſen zu verhindern und abzuſchaffen. Noch mehr aber/ wann er ſeine eigene Begierden/ Zorn/ Unwillen und Verdruß (uͤ- ber den ſchlechten Fortgang/ des Pferdes Widerſez- zen/ ja wider ſich ſelber/ daß er ſolches nicht zu verbeſ- ſern oder zu aͤndern weiß/) ſelber nicht zaͤumen kan/ ſondern daß ihn das Pferd nicht verſtehen/ ihm nachgeben/ noch folgen wil/ gleichſam enttzuͤnden laͤſ- ſet/ hat er Urſach uͤber Urſach/ an ſich ſelber die Zaͤu- mung von neuen anzufangen/ und ſeine Fehler ſo viel zu maͤſſigen/ als ihn ſelbige Unordnung ſeiner unge- zaͤumten Begierden an des Pferdes Zaͤumung viel gehindert haben/ und als viel ſie ihn angereitzet und uͤberwunden/ daß Pferde zur ungelegenen Zeit und Ort/ uͤber die Maſſe mit dem Zaum zu ſtraffen/ da- von es zuviel beleidiget/ und von ſolchen Verletzungen auch ſo unordentlich werden koͤnnen. Dann ſo hoch die Pferde zu halten/ welche die gute Zaͤumung gedulden/ annehmen und behalten/ weil ihnen auch dieſelbe Anfangs ungewohnet/ ob ſie ih- nen gleich unſchaͤdlich iſt/ ſo wenig ſeynd die geringen wegen ihres Unwillen zu verdencken/ zu ſtraffen/ oder zu verwerffen/ welche ſich der boͤſen Zaͤumung nach Vermoͤgen widerſetzen/ worzu ſie von der Natur nach vernunfftigen Menſchen Exempel angeleitet werden. Weil aber gleichwol ſich auch ein ſolcher unverſeh- ner Extraodinari-Fall begeben koͤnte/ daß dem Pferd der Zaum in dem Maul ſchaͤrffer wuͤrckete/ als es ſein Beſchaffenheit erforderte: ſo wird der Reuter ſehr wol thun/ welcher auff ſolchen Fall/ damit ſein Pferd durch einige Verſuchungs-Prob verſichert/ auff daß es auff den Erfolg nicht in allzugroſſe Be- frembdung fallen/ oder gefaͤhrliches und ſehr ſchaͤdli- ches begehen moͤchte: wann er ſein Pferd (welches in des Zaums Gehorſam und Gebrauch genugſam ver- ſicherte) mit einer oder der andern maͤſſigen Briglitata verſuchet/ und wie es ſich darauff verhalte/ probiret/ er ſich dann/ wann ihm dergleichen ein anders mal in wichtigen Handlungen von ungefaͤhr/ oder dem Feind begegnen ſolte/ nicht zu beſorgen habe/ daß es dadurch in gaͤntzliche Unordnung oder Deſperation gerathen moͤchte. Solche Verſuchung aber iſt nicht allein in der Maaß/ ſondern auch in der Zahl je weniger je beſſer zu gebrauchen. Und zwar nicht zu aller Zeit/ an jedem Ort/ da leichtlich eben das daraus erfolgen moͤchte/ was er damit vorzukommen ver- meinet. Und beſtehet der rechte Unterſchied zwiſchen ſolcher guten und boͤſen Verſuchung in dieſen Eigenſchaff- ten/ daß 1. die Jntention und Frucht zur Verbeſſerung und Verſicherung des Reuters wie des Pferdes ge- deyen moͤgen. 2. Die Art aber nicht durch ſo ſchaͤd- liche Zeig und Mittel vorgenommen werde/ daß de- ren Wuͤrckungen mehr Schaden thun als Nutzen bringen koͤnnen. Und endlich der Gebrauch allzeit eine ſolche Moderation in acht nehme/ der die Hoff- nung mehr erhalte als austilge. Die Wendung. Jſt die andere Haupt-Bezeigung/ ſo durch den Gebrauch und Wuͤrckung des Zaums von dem Reuter bey den Pferden geſuchet wird: und zwar nicht allein nach der natuͤrlichen Vernunfft und Er- forderung/ ſo in derſelben Unterweiſung und allem Gebrauch fuͤrfallen kan: ſondern nach der Goͤttli- chen Anzeigung ſelber/ welche alle dieſelbe eben noͤthig befinden/ wann die Pferde anders zu allem Gebrauch tuͤchtig gemachet werden ſollen. Daß ſie aber nun in ſolchem Fall je vollkommener ſeyn/ als ſie ſich willig und geſchwind erweiſen/ und daß ſie in der Bezeigung nimmermehr zu hurtig und fertig ſeyn koͤnnen/ erwei- ſet abermahl das Bibliſche Exempel: dann in der gefaͤhrlichen Schlacht wider die Syrer/ ſtunde den Jſraelitiſchen Koͤnigen/ die Erhaltung ihres Lebens vornemlich in der eilfertigen Wendung der Pferde/ ſie dadurch der groſſen Gefahr zu entfernen. Als auch der Koͤnig Joram ſelbſt ſeine Flucht durch die Wendung anfangen und fortſetzen muſte/ welches in dem Theil/ des rechten Gebrauchs der Pferde/ mehrers erhellen wird. Das Auff- und Jnnhalten/ Pariren. Jſt die dritte Haupt-Bezeigung/ ſo der Reuter durch des Zaums Wuͤrckung und Gebrauch bey den Pferden ſuchet. Und zwar darumb das noͤthigſte und vornehmſte/ weil die Pferde auch wol durch andere Mittel fortge- bracht/ geleitet und gewendet/ aber ſonder des Zaums Gebrauch nicht alſo inngehalten werden koͤnnen/ da- hero neben der hoͤchſten Nothwendigkeit derſelben er- ſcheinet/ wie ſie auch am allerſorgfaͤltigſten in Acht zu nehmen/ und zu gebrauchen/ wie ſolche nicht minder als die vorigen/ in heiliger Schrifft ſo klaͤrlich ange- zeiget und gegruͤndet/ und aus der taͤglichen Erfah- rung zu befinden/ von welchem in den Theilen der Un- terweiſung und rechtem Gebrauch der Pferde die Spe- cialia folgen ſollen. Dieſe

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/219>, abgerufen am 24.11.2024.