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Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898.

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"Podoböotismus!" Dieser einst von einem groben Schwaben,
unserem Fr. Th. Vischer, geprägte Ausdruck würde das, was der Ver-
fasser mit dem Vorliegenden treffen will, wohl am besten bezeichnen.
Das Wort hätte zudem den Vorteil, daß seine fremdländische Form die
Pille, die er als ungebetener und ungerufener Arzt unserem Volkskörper
gewissermaßen als Gegengift verschreiben zu müssen glaubt, annehmbar
verzuckerte. Aber es kann nun einmal nur von dem ohne weiteres
verstanden werden, der über ein gewisses Maß gelehrter Bildung ver-
fügt, und ich möchte wirklich von jedermann verstanden werden. Darum
schreibe ich ehrlich, wenn auch sackgrob, deutsch: "Fußlümmelei".

Unter selbigem Wort aber hatte jener Schwabe eine besondere Art
der "Fußflegelei" verstanden. Er meinte damit die leibliche Gewohnheit
mancher Reisender, besonders aber reisender Englishmen, ihre wohl-
beschuhten Gangwerkzeuge sogar auf die gepolsterten Bänke der zweiten
Eisenbahnwagenklasse zu legen und so die Kleider ihrer glücklichen Fahrt-
genossen mit echter Stiefelwichse oder frischangemachtem Straßenkot zu
bedrohen. Jetzt erst, nach Jahren, ist es mir klar geworden, warum
diese Edlen ihre ja an sich gewiß sehr schätzenswerten unteren Glied-
maßen so hoch schätzen zu müssen glaubten, daß sie ihnen den Platz
zudachten, der nach der Ansicht sämtlicher europäischer und außer
europäischer Eisenbahnverwaltungen wie deren Kunden einem ganz
anderen Körperteile zukommt. Oder hatten nicht erst sämtliche englisch-
amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften ihren Ruhm als den der Blüte
ihres Volkes aller Welt verkündigt? Und wem anders hatten sie diese
Auszeichnung zu verdanken, als der Meisterschaft, mit der sie im jüngsten
Fußball-"match" ihre natürlichen Stoßwerkzeuge, wenn der kühne
Ausdruck erlaubt ist, gehandhabt hatten!

Doch im Ernst, worüber könnte man sich mehr freuen, als wenn
jenes mit Unrecht verachtete, jahrhundertelang mißhandelte und doch
nicht nur so zweckmäßige, sondern auch in seiner unverdorbenen, un-

Podoböotismus!“ Dieser einst von einem groben Schwaben,
unserem Fr. Th. Vischer, geprägte Ausdruck würde das, was der Ver-
fasser mit dem Vorliegenden treffen will, wohl am besten bezeichnen.
Das Wort hätte zudem den Vorteil, daß seine fremdländische Form die
Pille, die er als ungebetener und ungerufener Arzt unserem Volkskörper
gewissermaßen als Gegengift verschreiben zu müssen glaubt, annehmbar
verzuckerte. Aber es kann nun einmal nur von dem ohne weiteres
verstanden werden, der über ein gewisses Maß gelehrter Bildung ver-
fügt, und ich möchte wirklich von jedermann verstanden werden. Darum
schreibe ich ehrlich, wenn auch sackgrob, deutsch: „Fußlümmelei“.

Unter selbigem Wort aber hatte jener Schwabe eine besondere Art
der „Fußflegelei“ verstanden. Er meinte damit die leibliche Gewohnheit
mancher Reisender, besonders aber reisender Englishmen, ihre wohl-
beschuhten Gangwerkzeuge sogar auf die gepolsterten Bänke der zweiten
Eisenbahnwagenklasse zu legen und so die Kleider ihrer glücklichen Fahrt-
genossen mit echter Stiefelwichse oder frischangemachtem Straßenkot zu
bedrohen. Jetzt erst, nach Jahren, ist es mir klar geworden, warum
diese Edlen ihre ja an sich gewiß sehr schätzenswerten unteren Glied-
maßen so hoch schätzen zu müssen glaubten, daß sie ihnen den Platz
zudachten, der nach der Ansicht sämtlicher europäischer und außer
europäischer Eisenbahnverwaltungen wie deren Kunden einem ganz
anderen Körperteile zukommt. Oder hatten nicht erst sämtliche englisch-
amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften ihren Ruhm als den der Blüte
ihres Volkes aller Welt verkündigt? Und wem anders hatten sie diese
Auszeichnung zu verdanken, als der Meisterschaft, mit der sie im jüngsten
Fußball-„match“ ihre natürlichen Stoßwerkzeuge, wenn der kühne
Ausdruck erlaubt ist, gehandhabt hatten!

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jenes mit Unrecht verachtete, jahrhundertelang mißhandelte und doch
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Zitationshilfe: Planck, Karl: Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit. Stuttgart, 1898, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_fussluemmelei_1898/11>, abgerufen am 04.05.2024.