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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Vorwort.
Behandlung zulässig erscheint. Um daher dem Leser in ein-
zelnen Fällen einen Vergleich oder ein Zurückgehen auf die
ursprüngliche Form zu erleichtern, ist am Schluss des Buches
ein Verzeichniss meiner bisherigen thermodynamischen Schriften
aufgeführt, und jeder derselben ein Hinweis auf diejenigen Stellen
dieses Buches beigegeben, in welchen das gleiche Thema be-
handelt ist.

Die in den beispielsweise durchgeführten Anwendungen der
Theorie benutzten Zahlenwerthe stammen fast alle aus den
Originalarbeiten; nur einige durch häufige Messungen bestimmte
Grössen sind tabellarischen Zusammenstellungen, namentlich denen
in F. Kohlrausch's Leitfaden der praktischen Physik, entnommen.
Doch unterlasse ich nicht hervorzuheben, dass die benutzten
Einzelzahlen, bei aller angewendeten Sorgfalt, doch bei Weitem
nicht denselben Grad von kritischer Sichtung erfahren haben,
wie die mitgetheilten Sätze und Ableitungen allgemeineren Inhalts.


In der bisherigen Entwicklung der Thermodynamik lassen
sich deutlich drei von einander verschiedene Methoden der
Forschung unterscheiden. Die erste greift am tiefsten hinein
in das Wesen der betrachteten Vorgänge, sie wäre daher, wenn
sie sich exakt durchführen liesse, jedenfalls als die vollkommenste
zu bezeichnen. Nach ihr wird die Wärme bedingt durch be-
stimmte Bewegungen der als diskrete Massen gedachten che-
mischen Moleküle und Atome, die für gasförmige Körper ver-
hältnissmässig einfache Eigenschaften haben, während sie sich
für feste und flüssige Körper bisher nur in rohen Zügen angeben
lassen. Diese kinetische Theorie hat seit ihrer Begründung durch
Joule, Waterston, Krönig und Clausius besonders durch
Maxwell und Boltzmann wesentliche Erweiterung und Ver-
tiefung erfahren, scheint aber in ihrer weiteren Entwicklung auf
vorläufig unüberwindliche Hindernisse zu stossen, die nicht nur
in der hochgradig complicirten mathematischen Durchführung
der angenommenen Hypothesen, sondern vor allen Dingen in
principiellen, hier nicht näher zu erörternden Schwierigkeiten
bei der mechanischen Deutung der thermodynamischen Haupt-
sätze begründet sind.

Derartige spezielle Schwierigkeiten vermeidet eine zweite,
namentlich von Helmholtz ausgebildete, Methode der Thermo-

Vorwort.
Behandlung zulässig erscheint. Um daher dem Leser in ein-
zelnen Fällen einen Vergleich oder ein Zurückgehen auf die
ursprüngliche Form zu erleichtern, ist am Schluss des Buches
ein Verzeichniss meiner bisherigen thermodynamischen Schriften
aufgeführt, und jeder derselben ein Hinweis auf diejenigen Stellen
dieses Buches beigegeben, in welchen das gleiche Thema be-
handelt ist.

Die in den beispielsweise durchgeführten Anwendungen der
Theorie benutzten Zahlenwerthe stammen fast alle aus den
Originalarbeiten; nur einige durch häufige Messungen bestimmte
Grössen sind tabellarischen Zusammenstellungen, namentlich denen
in F. Kohlrausch’s Leitfaden der praktischen Physik, entnommen.
Doch unterlasse ich nicht hervorzuheben, dass die benutzten
Einzelzahlen, bei aller angewendeten Sorgfalt, doch bei Weitem
nicht denselben Grad von kritischer Sichtung erfahren haben,
wie die mitgetheilten Sätze und Ableitungen allgemeineren Inhalts.


In der bisherigen Entwicklung der Thermodynamik lassen
sich deutlich drei von einander verschiedene Methoden der
Forschung unterscheiden. Die erste greift am tiefsten hinein
in das Wesen der betrachteten Vorgänge, sie wäre daher, wenn
sie sich exakt durchführen liesse, jedenfalls als die vollkommenste
zu bezeichnen. Nach ihr wird die Wärme bedingt durch be-
stimmte Bewegungen der als diskrete Massen gedachten che-
mischen Moleküle und Atome, die für gasförmige Körper ver-
hältnissmässig einfache Eigenschaften haben, während sie sich
für feste und flüssige Körper bisher nur in rohen Zügen angeben
lassen. Diese kinetische Theorie hat seit ihrer Begründung durch
Joule, Waterston, Krönig und Clausius besonders durch
Maxwell und Boltzmann wesentliche Erweiterung und Ver-
tiefung erfahren, scheint aber in ihrer weiteren Entwicklung auf
vorläufig unüberwindliche Hindernisse zu stossen, die nicht nur
in der hochgradig complicirten mathematischen Durchführung
der angenommenen Hypothesen, sondern vor allen Dingen in
principiellen, hier nicht näher zu erörternden Schwierigkeiten
bei der mechanischen Deutung der thermodynamischen Haupt-
sätze begründet sind.

Derartige spezielle Schwierigkeiten vermeidet eine zweite,
namentlich von Helmholtz ausgebildete, Methode der Thermo-

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[IV/0012] Vorwort. Behandlung zulässig erscheint. Um daher dem Leser in ein- zelnen Fällen einen Vergleich oder ein Zurückgehen auf die ursprüngliche Form zu erleichtern, ist am Schluss des Buches ein Verzeichniss meiner bisherigen thermodynamischen Schriften aufgeführt, und jeder derselben ein Hinweis auf diejenigen Stellen dieses Buches beigegeben, in welchen das gleiche Thema be- handelt ist. Die in den beispielsweise durchgeführten Anwendungen der Theorie benutzten Zahlenwerthe stammen fast alle aus den Originalarbeiten; nur einige durch häufige Messungen bestimmte Grössen sind tabellarischen Zusammenstellungen, namentlich denen in F. Kohlrausch’s Leitfaden der praktischen Physik, entnommen. Doch unterlasse ich nicht hervorzuheben, dass die benutzten Einzelzahlen, bei aller angewendeten Sorgfalt, doch bei Weitem nicht denselben Grad von kritischer Sichtung erfahren haben, wie die mitgetheilten Sätze und Ableitungen allgemeineren Inhalts. In der bisherigen Entwicklung der Thermodynamik lassen sich deutlich drei von einander verschiedene Methoden der Forschung unterscheiden. Die erste greift am tiefsten hinein in das Wesen der betrachteten Vorgänge, sie wäre daher, wenn sie sich exakt durchführen liesse, jedenfalls als die vollkommenste zu bezeichnen. Nach ihr wird die Wärme bedingt durch be- stimmte Bewegungen der als diskrete Massen gedachten che- mischen Moleküle und Atome, die für gasförmige Körper ver- hältnissmässig einfache Eigenschaften haben, während sie sich für feste und flüssige Körper bisher nur in rohen Zügen angeben lassen. Diese kinetische Theorie hat seit ihrer Begründung durch Joule, Waterston, Krönig und Clausius besonders durch Maxwell und Boltzmann wesentliche Erweiterung und Ver- tiefung erfahren, scheint aber in ihrer weiteren Entwicklung auf vorläufig unüberwindliche Hindernisse zu stossen, die nicht nur in der hochgradig complicirten mathematischen Durchführung der angenommenen Hypothesen, sondern vor allen Dingen in principiellen, hier nicht näher zu erörternden Schwierigkeiten bei der mechanischen Deutung der thermodynamischen Haupt- sätze begründet sind. Derartige spezielle Schwierigkeiten vermeidet eine zweite, namentlich von Helmholtz ausgebildete, Methode der Thermo-

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/12>, abgerufen am 21.11.2024.