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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.

§ 189. Wir haben unsere bisherigen Untersuchungen nur
auf die Betrachtung der einzelnen verschiedenartigen Lösungen
derjenigen Gleichungen erstreckt, welche die inneren Gleich-
gewichtsbedingungen des Systems aussprechen, und daraus die
wichtigsten Eigenschaften des betreffenden Gleichgewichtszustandes
abgeleitet. Nunmehr kommen wir zu der weiteren Frage, welche
unter den verschiedenen möglichen Lösungen der Aufgabe in
jedem gegebenen Falle den Vorzug besitzt, d. h. den stabilsten
Gleichgewichtszustand darstellt. Zur Beantwortung dieser Frage
nehmen wir die ursprünglich in § 165 gegebene Fassung des
Problems wieder auf, welche kurz folgendermassen lautet. Ge-
geben ist die Gesammtmasse M, das Gesammtvolumen V, die
Gesammtenergie U des Systems. Statt V und U wird es öfter
bequemer sein, die Werthe [Formel 1] (mittleres spezifisches Volumen
des Systems) und [Formel 2] (mittlere spezifische Energie des Systems)
zu benutzen. Gesucht ist der stabilste Gleichgewichtszustand,
d. h. der Zustand des absoluten Maximums der Gesammt-
entropie S.

Wir fanden oben, dass im Allgemeinen die Gleichgewichts-
bedingungen drei verschiedene Arten von Lösungen zulassen,
je nachdem das System sich in 1, 2 oder 3 Aggregatzustände
spaltet. Bei der Frage, welche von diesen drei Lösungen in
jedem gegebenen Falle den Vorzug hat, ist zunächst zu berück-
sichtigen, dass die zweite und die dritte Lösung nur dann einen
physikalischen Sinn haben, wenn die aus den Gleichungen (103)
und (121) sich ergebenden Werthe der Massen positiv ausfallen.
Dies führt zu einer Einschränkung des Gültigkeitsbereichs dieser
beiden Lösungen. Zuerst wollen wir diesen Gültigkeitsbereich
feststellen, und werden dann den Nachweis führen, dass inner-
halb ihres Gültigkeitsbereiches die dritte Lösung stets den
Vorzug hat vor den beiden ersten, und die zweite den Vorzug
hat vor der ersten.

Zur Erleichterung der Uebersicht möge die geometrische
Anschauung zu Hülfe genommen werden. Zu diesem Zweck
denken wir uns die von vorneherein gegebenen Werthe [Formel 3]
und [Formel 4] (der Werth von M ist hier nebensächlich) dadurch

Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.

§ 189. Wir haben unsere bisherigen Untersuchungen nur
auf die Betrachtung der einzelnen verschiedenartigen Lösungen
derjenigen Gleichungen erstreckt, welche die inneren Gleich-
gewichtsbedingungen des Systems aussprechen, und daraus die
wichtigsten Eigenschaften des betreffenden Gleichgewichtszustandes
abgeleitet. Nunmehr kommen wir zu der weiteren Frage, welche
unter den verschiedenen möglichen Lösungen der Aufgabe in
jedem gegebenen Falle den Vorzug besitzt, d. h. den stabilsten
Gleichgewichtszustand darstellt. Zur Beantwortung dieser Frage
nehmen wir die ursprünglich in § 165 gegebene Fassung des
Problems wieder auf, welche kurz folgendermassen lautet. Ge-
geben ist die Gesammtmasse M, das Gesammtvolumen V, die
Gesammtenergie U des Systems. Statt V und U wird es öfter
bequemer sein, die Werthe [Formel 1] (mittleres spezifisches Volumen
des Systems) und [Formel 2] (mittlere spezifische Energie des Systems)
zu benutzen. Gesucht ist der stabilste Gleichgewichtszustand,
d. h. der Zustand des absoluten Maximums der Gesammt-
entropie S.

Wir fanden oben, dass im Allgemeinen die Gleichgewichts-
bedingungen drei verschiedene Arten von Lösungen zulassen,
je nachdem das System sich in 1, 2 oder 3 Aggregatzustände
spaltet. Bei der Frage, welche von diesen drei Lösungen in
jedem gegebenen Falle den Vorzug hat, ist zunächst zu berück-
sichtigen, dass die zweite und die dritte Lösung nur dann einen
physikalischen Sinn haben, wenn die aus den Gleichungen (103)
und (121) sich ergebenden Werthe der Massen positiv ausfallen.
Dies führt zu einer Einschränkung des Gültigkeitsbereichs dieser
beiden Lösungen. Zuerst wollen wir diesen Gültigkeitsbereich
feststellen, und werden dann den Nachweis führen, dass inner-
halb ihres Gültigkeitsbereiches die dritte Lösung stets den
Vorzug hat vor den beiden ersten, und die zweite den Vorzug
hat vor der ersten.

Zur Erleichterung der Uebersicht möge die geometrische
Anschauung zu Hülfe genommen werden. Zu diesem Zweck
denken wir uns die von vorneherein gegebenen Werthe [Formel 3]
und [Formel 4] (der Werth von M ist hier nebensächlich) dadurch

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[148/0164] Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände. § 189. Wir haben unsere bisherigen Untersuchungen nur auf die Betrachtung der einzelnen verschiedenartigen Lösungen derjenigen Gleichungen erstreckt, welche die inneren Gleich- gewichtsbedingungen des Systems aussprechen, und daraus die wichtigsten Eigenschaften des betreffenden Gleichgewichtszustandes abgeleitet. Nunmehr kommen wir zu der weiteren Frage, welche unter den verschiedenen möglichen Lösungen der Aufgabe in jedem gegebenen Falle den Vorzug besitzt, d. h. den stabilsten Gleichgewichtszustand darstellt. Zur Beantwortung dieser Frage nehmen wir die ursprünglich in § 165 gegebene Fassung des Problems wieder auf, welche kurz folgendermassen lautet. Ge- geben ist die Gesammtmasse M, das Gesammtvolumen V, die Gesammtenergie U des Systems. Statt V und U wird es öfter bequemer sein, die Werthe [FORMEL] (mittleres spezifisches Volumen des Systems) und [FORMEL] (mittlere spezifische Energie des Systems) zu benutzen. Gesucht ist der stabilste Gleichgewichtszustand, d. h. der Zustand des absoluten Maximums der Gesammt- entropie S. Wir fanden oben, dass im Allgemeinen die Gleichgewichts- bedingungen drei verschiedene Arten von Lösungen zulassen, je nachdem das System sich in 1, 2 oder 3 Aggregatzustände spaltet. Bei der Frage, welche von diesen drei Lösungen in jedem gegebenen Falle den Vorzug hat, ist zunächst zu berück- sichtigen, dass die zweite und die dritte Lösung nur dann einen physikalischen Sinn haben, wenn die aus den Gleichungen (103) und (121) sich ergebenden Werthe der Massen positiv ausfallen. Dies führt zu einer Einschränkung des Gültigkeitsbereichs dieser beiden Lösungen. Zuerst wollen wir diesen Gültigkeitsbereich feststellen, und werden dann den Nachweis führen, dass inner- halb ihres Gültigkeitsbereiches die dritte Lösung stets den Vorzug hat vor den beiden ersten, und die zweite den Vorzug hat vor der ersten. Zur Erleichterung der Uebersicht möge die geometrische Anschauung zu Hülfe genommen werden. Zu diesem Zweck denken wir uns die von vorneherein gegebenen Werthe [FORMEL] und [FORMEL] (der Werth von M ist hier nebensächlich) dadurch

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/164>, abgerufen am 25.11.2024.