Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.
Bezug auf einen bestimmten Bestandtheil mit zwei anderen Phasen
im Gleichgewicht, so befinden sich in Bezug auf diesen Bestand-
theil auch die beiden andern Phasen unter sich im Gleichgewicht
(sie "coexistiren"). Nehmen wir dazu den schon oben (§ 197) her-
vorgehobenen Satz, dass jedes System im Gleichgewicht höchstens
eine einzige gasförmige Phase besitzt, so ergibt sich daraus ganz
allgemein, dass zwei coexistirende Phasen den nämlichen Dampf
aussenden. Denn da die eine Phase nach der Voraussetzung
mit der anderen Phase und selbstverständlich auch mit ihrem
eigenen Dampf coexistirt, und zwar in Bezug auf jeden ihrer
Bestandtheile, so coexistirt auch die andere Phase mit dem
nämlichen Dampf. Man kann daher die Coexistenz von festen
und flüssigen Phasen dadurch prüfen, dass man ihre Dämpfe
vergleicht.

§ 203. Es ist nun leicht zu sehen, wie sich im Allgemeinen
der Gleichgewichtszustand des Systems aus den von vornherein
gegebenen äusseren Bedingungen (147) und den Gleichgewichts-
bedingungen (149) bestimmt. Die Zahl der ersten beträgt a,
die der zweiten a (b -- 1), also zusammen a b Gleichungen.
Andrerseits hängt der Zustand der b Phasen von a b + 2
Variabeln ab, nämlich ausser von den a b Massen M1', . . . . Mab
noch von der Temperatur th und dem Druck p. Es bleiben
daher, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, noch zwei Variable
unbestimmt. Im Allgemeinen wird man also sowohl die Tem-
peratur als auch den Druck ganz beliebig wählen können; es
gibt aber, wie sogleich gezeigt werden wird, spezielle Fälle, in
denen Temperatur und Druck nicht mehr willkührlich sind, so
dass dann zwei andere Variable, etwa Gesammtvolumen und
Gesammtenergie des Systems, unbestimmt bleiben. Verfügt man
willkührlich über ihre Werthe, so ist dann der Gleichgewichts-
zustand des Systems in allen Stücken bestimmt.

§ 204. Scheiden wir nun die a b + 2 Variabeln, von denen
der Zustand des Systems abhängt, in solche, welche nur die
innere Beschaffenheit der Phasen betreffen (innere Variable) und
in solche, welche nur die Gesammtmassen der Phasen bestimmen
(äussere Variable). Die Anzahl der ersteren ist (a -- 1) b + 2,
nämlich in jeder der b Phasen die a -- 1 Verhältnisse der
a in ihr enthaltenen unabhängigen Bestandtheile zu einander,

Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.
Bezug auf einen bestimmten Bestandtheil mit zwei anderen Phasen
im Gleichgewicht, so befinden sich in Bezug auf diesen Bestand-
theil auch die beiden andern Phasen unter sich im Gleichgewicht
(sie „coexistiren“). Nehmen wir dazu den schon oben (§ 197) her-
vorgehobenen Satz, dass jedes System im Gleichgewicht höchstens
eine einzige gasförmige Phase besitzt, so ergibt sich daraus ganz
allgemein, dass zwei coexistirende Phasen den nämlichen Dampf
aussenden. Denn da die eine Phase nach der Voraussetzung
mit der anderen Phase und selbstverständlich auch mit ihrem
eigenen Dampf coexistirt, und zwar in Bezug auf jeden ihrer
Bestandtheile, so coexistirt auch die andere Phase mit dem
nämlichen Dampf. Man kann daher die Coexistenz von festen
und flüssigen Phasen dadurch prüfen, dass man ihre Dämpfe
vergleicht.

§ 203. Es ist nun leicht zu sehen, wie sich im Allgemeinen
der Gleichgewichtszustand des Systems aus den von vornherein
gegebenen äusseren Bedingungen (147) und den Gleichgewichts-
bedingungen (149) bestimmt. Die Zahl der ersten beträgt α,
die der zweiten α (β — 1), also zusammen α β Gleichungen.
Andrerseits hängt der Zustand der β Phasen von α β + 2
Variabeln ab, nämlich ausser von den α β Massen M1', . . . . Mαβ
noch von der Temperatur ϑ und dem Druck p. Es bleiben
daher, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, noch zwei Variable
unbestimmt. Im Allgemeinen wird man also sowohl die Tem-
peratur als auch den Druck ganz beliebig wählen können; es
gibt aber, wie sogleich gezeigt werden wird, spezielle Fälle, in
denen Temperatur und Druck nicht mehr willkührlich sind, so
dass dann zwei andere Variable, etwa Gesammtvolumen und
Gesammtenergie des Systems, unbestimmt bleiben. Verfügt man
willkührlich über ihre Werthe, so ist dann der Gleichgewichts-
zustand des Systems in allen Stücken bestimmt.

§ 204. Scheiden wir nun die α β + 2 Variabeln, von denen
der Zustand des Systems abhängt, in solche, welche nur die
innere Beschaffenheit der Phasen betreffen (innere Variable) und
in solche, welche nur die Gesammtmassen der Phasen bestimmen
(äussere Variable). Die Anzahl der ersteren ist (α — 1) β + 2,
nämlich in jeder der β Phasen die α — 1 Verhältnisse der
α in ihr enthaltenen unabhängigen Bestandtheile zu einander,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="168"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände</hi>.</fw><lb/>
Bezug auf einen bestimmten Bestandtheil mit zwei anderen Phasen<lb/>
im Gleichgewicht, so befinden sich in Bezug auf diesen Bestand-<lb/>
theil auch die beiden andern Phasen unter sich im Gleichgewicht<lb/>
(sie &#x201E;coexistiren&#x201C;). Nehmen wir dazu den schon oben (§ 197) her-<lb/>
vorgehobenen Satz, dass jedes System im Gleichgewicht höchstens<lb/>
eine einzige gasförmige Phase besitzt, so ergibt sich daraus ganz<lb/>
allgemein, dass zwei coexistirende Phasen den nämlichen Dampf<lb/>
aussenden. Denn da die eine Phase nach der Voraussetzung<lb/>
mit der anderen Phase und selbstverständlich auch mit ihrem<lb/>
eigenen Dampf coexistirt, und zwar in Bezug auf jeden ihrer<lb/>
Bestandtheile, so coexistirt auch die andere Phase mit dem<lb/>
nämlichen Dampf. Man kann daher die Coexistenz von festen<lb/>
und flüssigen Phasen dadurch prüfen, dass man ihre Dämpfe<lb/>
vergleicht.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 203.</hi> Es ist nun leicht zu sehen, wie sich im Allgemeinen<lb/>
der Gleichgewichtszustand des Systems aus den von vornherein<lb/>
gegebenen äusseren Bedingungen (147) und den Gleichgewichts-<lb/>
bedingungen (149) bestimmt. Die Zahl der ersten beträgt <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>,<lb/>
die der zweiten <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi> (<hi rendition="#i">&#x03B2;</hi> &#x2014; 1), also zusammen <hi rendition="#i">&#x03B1; &#x03B2;</hi> Gleichungen.<lb/>
Andrerseits hängt der Zustand der <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi> Phasen von <hi rendition="#i">&#x03B1; &#x03B2;</hi> + 2<lb/>
Variabeln ab, nämlich ausser von den <hi rendition="#i">&#x03B1; &#x03B2;</hi> Massen <hi rendition="#i">M<hi rendition="#sub">1</hi>'</hi>, . . . . <hi rendition="#i">M<hi rendition="#sub">&#x03B1;</hi><hi rendition="#sup">&#x03B2;</hi></hi><lb/>
noch von der Temperatur <hi rendition="#i">&#x03D1;</hi> und dem Druck <hi rendition="#i">p</hi>. Es bleiben<lb/>
daher, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, noch zwei Variable<lb/>
unbestimmt. Im Allgemeinen wird man also sowohl die Tem-<lb/>
peratur als auch den Druck ganz beliebig wählen können; es<lb/>
gibt aber, wie sogleich gezeigt werden wird, spezielle Fälle, in<lb/>
denen Temperatur und Druck nicht mehr willkührlich sind, so<lb/>
dass dann zwei andere Variable, etwa Gesammtvolumen und<lb/>
Gesammtenergie des Systems, unbestimmt bleiben. Verfügt man<lb/>
willkührlich über ihre Werthe, so ist dann der Gleichgewichts-<lb/>
zustand des Systems in allen Stücken bestimmt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 204.</hi> Scheiden wir nun die <hi rendition="#i">&#x03B1; &#x03B2;</hi> + 2 Variabeln, von denen<lb/>
der Zustand des Systems abhängt, in solche, welche nur die<lb/>
innere Beschaffenheit der Phasen betreffen (<hi rendition="#g">innere</hi> Variable) und<lb/>
in solche, welche nur die Gesammtmassen der Phasen bestimmen<lb/>
(<hi rendition="#g">äussere</hi> Variable). Die Anzahl der ersteren ist (<hi rendition="#i">&#x03B1;</hi> &#x2014; 1) <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi> + 2,<lb/>
nämlich in jeder der <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi> Phasen die <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi> &#x2014; 1 Verhältnisse der<lb/><hi rendition="#i">&#x03B1;</hi> in ihr enthaltenen unabhängigen Bestandtheile zu einander,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0184] Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände. Bezug auf einen bestimmten Bestandtheil mit zwei anderen Phasen im Gleichgewicht, so befinden sich in Bezug auf diesen Bestand- theil auch die beiden andern Phasen unter sich im Gleichgewicht (sie „coexistiren“). Nehmen wir dazu den schon oben (§ 197) her- vorgehobenen Satz, dass jedes System im Gleichgewicht höchstens eine einzige gasförmige Phase besitzt, so ergibt sich daraus ganz allgemein, dass zwei coexistirende Phasen den nämlichen Dampf aussenden. Denn da die eine Phase nach der Voraussetzung mit der anderen Phase und selbstverständlich auch mit ihrem eigenen Dampf coexistirt, und zwar in Bezug auf jeden ihrer Bestandtheile, so coexistirt auch die andere Phase mit dem nämlichen Dampf. Man kann daher die Coexistenz von festen und flüssigen Phasen dadurch prüfen, dass man ihre Dämpfe vergleicht. § 203. Es ist nun leicht zu sehen, wie sich im Allgemeinen der Gleichgewichtszustand des Systems aus den von vornherein gegebenen äusseren Bedingungen (147) und den Gleichgewichts- bedingungen (149) bestimmt. Die Zahl der ersten beträgt α, die der zweiten α (β — 1), also zusammen α β Gleichungen. Andrerseits hängt der Zustand der β Phasen von α β + 2 Variabeln ab, nämlich ausser von den α β Massen M1', . . . . Mαβ noch von der Temperatur ϑ und dem Druck p. Es bleiben daher, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, noch zwei Variable unbestimmt. Im Allgemeinen wird man also sowohl die Tem- peratur als auch den Druck ganz beliebig wählen können; es gibt aber, wie sogleich gezeigt werden wird, spezielle Fälle, in denen Temperatur und Druck nicht mehr willkührlich sind, so dass dann zwei andere Variable, etwa Gesammtvolumen und Gesammtenergie des Systems, unbestimmt bleiben. Verfügt man willkührlich über ihre Werthe, so ist dann der Gleichgewichts- zustand des Systems in allen Stücken bestimmt. § 204. Scheiden wir nun die α β + 2 Variabeln, von denen der Zustand des Systems abhängt, in solche, welche nur die innere Beschaffenheit der Phasen betreffen (innere Variable) und in solche, welche nur die Gesammtmassen der Phasen bestimmen (äussere Variable). Die Anzahl der ersteren ist (α — 1) β + 2, nämlich in jeder der β Phasen die α — 1 Verhältnisse der α in ihr enthaltenen unabhängigen Bestandtheile zu einander,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/184
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/184>, abgerufen am 27.11.2024.