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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Gasförmiges System.

§ 235. Damit ein mit einer semipermeablen Wand ausge-
führter Prozess für den genannten Zweck nutzbar wird, muss
man zuerst wissen, welcher Art das thermodynamische Gleich-
gewicht ist, das auf beiden Seiten einer Wand besteht für eine
Gasart, welche die Wand durchdringen kann; für jede andere
Gasart besteht natürlich keine besondere Gleichgewichtsbedingung,
da sich hiefür die Wand wie eine gewöhnliche verhält.

Hier liefert nun die Erfahrung den einfachen Satz, dass
jede Gasart, für welche eine Wand permeabel ist, sich dann
auf beiden Seiten im Gleichgewicht befindet, wenn ihr Partial-
druck (§ 18) auf beiden Seiten gleich ist, ganz unabhängig von
den übrigen auf beiden Seiten anwesenden Gasarten. Dieser
Satz ist weder selbstverständlich noch nothwendig bedingt durch
das Vorhergehende, er leuchtet aber durch seine Einfachheit
unmittelbar ein und hat sich auch in den allerdings wenig
zahlreichen Fällen, die eine direkte Prüfung gestatten, überall
bestätigt.

Eine solche Prüfung, die zu einer augenfälligen Folgerung
führt, lässt sich z. B. folgendermassen anstellen. Glühendes
Platinblech ist permeabel für Wasserstoff, dagegen impermeabel
für atmosphärische Luft. Füllt man also ein Gefäss, dessen
Wandung an einer Stelle aus Platinblech besteht, mit reinem
Wasserstoff, etwa unter Atmosphärendruck, und schliesst es dann
vollkommen ab, so muss, wenn das Platinblech ins Glühen ge-
bracht wird, der innen befindliche Wasserstoff in die äussere
Luft, also entgegen dem Atmosphärendruck, hinausdiffundiren,
und zwar offenbar so lange, bis er vollständig aus dem Gefäss
entwichen ist. Da nun andrerseits die Luft nicht hineindringen
kann, so wird schliesslich das Gefäss gänzlich evakuirt sein.1

1 Diese Folgerung habe ich im Winter 1882/83 im physikalischen
Institut der Universität München experimentell geprüft und, soweit es die
unvermeidlichen Abweichungen von den idealen Voraussetzungen erwarten
liessen, bestätigt gefunden. Da über diesen Versuch bisher nichts ver-
öffentlicht wurde, so mag eine kurze Beschreibung hier Platz finden. Ein
gerades Glasrohr von etwa 5 mm lichtem Durchmesser, in der Mitte zu
einem kleinen Ballon ausgebaucht, war am einen Ende mit einem Glas-
hahn versehen; an das andere Ende war als Verlängerung mit Siegellack
angekittet ein 10 cm langes Platinröhrchen, nach Innen offen, nach Aussen
geschlossen. Mit der Quecksilberluftpumpe wurde die ganze Röhre durch
den Hahn evakuirt und mit Wasserstoff unter gewöhnlichem Druck ge-
Gasförmiges System.

§ 235. Damit ein mit einer semipermeablen Wand ausge-
führter Prozess für den genannten Zweck nutzbar wird, muss
man zuerst wissen, welcher Art das thermodynamische Gleich-
gewicht ist, das auf beiden Seiten einer Wand besteht für eine
Gasart, welche die Wand durchdringen kann; für jede andere
Gasart besteht natürlich keine besondere Gleichgewichtsbedingung,
da sich hiefür die Wand wie eine gewöhnliche verhält.

Hier liefert nun die Erfahrung den einfachen Satz, dass
jede Gasart, für welche eine Wand permeabel ist, sich dann
auf beiden Seiten im Gleichgewicht befindet, wenn ihr Partial-
druck (§ 18) auf beiden Seiten gleich ist, ganz unabhängig von
den übrigen auf beiden Seiten anwesenden Gasarten. Dieser
Satz ist weder selbstverständlich noch nothwendig bedingt durch
das Vorhergehende, er leuchtet aber durch seine Einfachheit
unmittelbar ein und hat sich auch in den allerdings wenig
zahlreichen Fällen, die eine direkte Prüfung gestatten, überall
bestätigt.

Eine solche Prüfung, die zu einer augenfälligen Folgerung
führt, lässt sich z. B. folgendermassen anstellen. Glühendes
Platinblech ist permeabel für Wasserstoff, dagegen impermeabel
für atmosphärische Luft. Füllt man also ein Gefäss, dessen
Wandung an einer Stelle aus Platinblech besteht, mit reinem
Wasserstoff, etwa unter Atmosphärendruck, und schliesst es dann
vollkommen ab, so muss, wenn das Platinblech ins Glühen ge-
bracht wird, der innen befindliche Wasserstoff in die äussere
Luft, also entgegen dem Atmosphärendruck, hinausdiffundiren,
und zwar offenbar so lange, bis er vollständig aus dem Gefäss
entwichen ist. Da nun andrerseits die Luft nicht hineindringen
kann, so wird schliesslich das Gefäss gänzlich evakuirt sein.1

1 Diese Folgerung habe ich im Winter 1882/83 im physikalischen
Institut der Universität München experimentell geprüft und, soweit es die
unvermeidlichen Abweichungen von den idealen Voraussetzungen erwarten
liessen, bestätigt gefunden. Da über diesen Versuch bisher nichts ver-
öffentlicht wurde, so mag eine kurze Beschreibung hier Platz finden. Ein
gerades Glasrohr von etwa 5 mm lichtem Durchmesser, in der Mitte zu
einem kleinen Ballon ausgebaucht, war am einen Ende mit einem Glas-
hahn versehen; an das andere Ende war als Verlängerung mit Siegellack
angekittet ein 10 cm langes Platinröhrchen, nach Innen offen, nach Aussen
geschlossen. Mit der Quecksilberluftpumpe wurde die ganze Röhre durch
den Hahn evakuirt und mit Wasserstoff unter gewöhnlichem Druck ge-
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[199/0215] Gasförmiges System. § 235. Damit ein mit einer semipermeablen Wand ausge- führter Prozess für den genannten Zweck nutzbar wird, muss man zuerst wissen, welcher Art das thermodynamische Gleich- gewicht ist, das auf beiden Seiten einer Wand besteht für eine Gasart, welche die Wand durchdringen kann; für jede andere Gasart besteht natürlich keine besondere Gleichgewichtsbedingung, da sich hiefür die Wand wie eine gewöhnliche verhält. Hier liefert nun die Erfahrung den einfachen Satz, dass jede Gasart, für welche eine Wand permeabel ist, sich dann auf beiden Seiten im Gleichgewicht befindet, wenn ihr Partial- druck (§ 18) auf beiden Seiten gleich ist, ganz unabhängig von den übrigen auf beiden Seiten anwesenden Gasarten. Dieser Satz ist weder selbstverständlich noch nothwendig bedingt durch das Vorhergehende, er leuchtet aber durch seine Einfachheit unmittelbar ein und hat sich auch in den allerdings wenig zahlreichen Fällen, die eine direkte Prüfung gestatten, überall bestätigt. Eine solche Prüfung, die zu einer augenfälligen Folgerung führt, lässt sich z. B. folgendermassen anstellen. Glühendes Platinblech ist permeabel für Wasserstoff, dagegen impermeabel für atmosphärische Luft. Füllt man also ein Gefäss, dessen Wandung an einer Stelle aus Platinblech besteht, mit reinem Wasserstoff, etwa unter Atmosphärendruck, und schliesst es dann vollkommen ab, so muss, wenn das Platinblech ins Glühen ge- bracht wird, der innen befindliche Wasserstoff in die äussere Luft, also entgegen dem Atmosphärendruck, hinausdiffundiren, und zwar offenbar so lange, bis er vollständig aus dem Gefäss entwichen ist. Da nun andrerseits die Luft nicht hineindringen kann, so wird schliesslich das Gefäss gänzlich evakuirt sein. 1 1 Diese Folgerung habe ich im Winter 1882/83 im physikalischen Institut der Universität München experimentell geprüft und, soweit es die unvermeidlichen Abweichungen von den idealen Voraussetzungen erwarten liessen, bestätigt gefunden. Da über diesen Versuch bisher nichts ver- öffentlicht wurde, so mag eine kurze Beschreibung hier Platz finden. Ein gerades Glasrohr von etwa 5 mm lichtem Durchmesser, in der Mitte zu einem kleinen Ballon ausgebaucht, war am einen Ende mit einem Glas- hahn versehen; an das andere Ende war als Verlängerung mit Siegellack angekittet ein 10 cm langes Platinröhrchen, nach Innen offen, nach Aussen geschlossen. Mit der Quecksilberluftpumpe wurde die ganze Röhre durch den Hahn evakuirt und mit Wasserstoff unter gewöhnlichem Druck ge-

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/215>, abgerufen am 29.11.2024.