keit von der Temperatur th, dem Druck p und den Zahlen n aller verschiedenen Molekülarten in einem System, welches be- liebig viele unabhängige Bestandtheile in beliebig vielen Phasen enthält, kann man genau denselben Weg einschlagen, der uns bei der Untersuchung einer einzigen gasförmigen Phase im vorigen Capitel zum Ziele geführt hat. Zunächst wird durch geeignete Messungen das Volumen V und die Energie U einer einzelnen Phase bestimmt, daraus dann gemäss der Definition (60) die Entropie S dieser Phase berechnet, und somit alle Grössen gewonnen, aus denen nach (75) Ph zusammengesetzt ist. Durch einfache Addition über alle Phasen erhält man dann schliesslich die Funktion Ph des ganzen Systems.
Angesichts der mangelnden Vollständigkeit der bisherigen Messungen lässt sich aber gegenwärtig diese Rechnung, ausser für eine gasförmige Phase, nur durchführen für eine verdünnte Lösung, d. h. für eine Phase, in welcher die Anzahl einer be- stimmten Art von Molekülen weitaus überwiegt über die Anzahl aller übrigen in der Phase vorhandenen Molekülarten. Die so ausgezeichnete Molekülart nennen wir von jetzt an das Lösungs- mittel (vgl. dagegen § 220), die übrigen Molekülarten die ge- lösten Stoffe. Bezeichnet also n0 die Molekülzahl des Lösungs- mittels, n1, n2, n3 ... die Molekülzahlen der gelösten Stoffe, so ist die Lösung dann als verdünnt anzusehen, wenn n0 gross ist gegen jede der Zahlen n1, n2, n3 ... Der Aggregatzustand der Lösung ist vollkommen gleichgültig, sie kann fest, flüssig oder gasförmig sein.
§ 250. Berechnen wir nun, gemäss dem geschilderten Plane, zunächst die Energie U und das Volumen V einer ver- dünnten Lösung. Die wichtige Vereinfachung, welche die soeben angeführte Definition einer verdünnten Lösung zur Folge hat, beruht auf dem mathematischen Satze, dass eine endliche, stetige und differentiirbare Funktion mehrerer Variabeln, welche sehr kleine Werthe haben, nothwendig eine lineäre Funktion dieser Variabeln ist. Dadurch wird die Art der Abhängigkeit der Grössen U und V von n0, n1, n2, ... von vorneherein angebbar. Physikalisch gesprochen heisst dies, dass die Eigenschaften einer verdünnten Lösung, ausser von den Wirkungen der Moleküle des Lösungsmittels unter sich, nothwendig nur von den Wechsel- wirkungen zwischen den Molekülen des Lösungsmittels einerseits
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Verdünnte Lösungen.
keit von der Temperatur ϑ, dem Druck p und den Zahlen n aller verschiedenen Molekülarten in einem System, welches be- liebig viele unabhängige Bestandtheile in beliebig vielen Phasen enthält, kann man genau denselben Weg einschlagen, der uns bei der Untersuchung einer einzigen gasförmigen Phase im vorigen Capitel zum Ziele geführt hat. Zunächst wird durch geeignete Messungen das Volumen V und die Energie U einer einzelnen Phase bestimmt, daraus dann gemäss der Definition (60) die Entropie S dieser Phase berechnet, und somit alle Grössen gewonnen, aus denen nach (75) Φ zusammengesetzt ist. Durch einfache Addition über alle Phasen erhält man dann schliesslich die Funktion Φ des ganzen Systems.
Angesichts der mangelnden Vollständigkeit der bisherigen Messungen lässt sich aber gegenwärtig diese Rechnung, ausser für eine gasförmige Phase, nur durchführen für eine verdünnte Lösung, d. h. für eine Phase, in welcher die Anzahl einer be- stimmten Art von Molekülen weitaus überwiegt über die Anzahl aller übrigen in der Phase vorhandenen Molekülarten. Die so ausgezeichnete Molekülart nennen wir von jetzt an das Lösungs- mittel (vgl. dagegen § 220), die übrigen Molekülarten die ge- lösten Stoffe. Bezeichnet also n0 die Molekülzahl des Lösungs- mittels, n1, n2, n3 … die Molekülzahlen der gelösten Stoffe, so ist die Lösung dann als verdünnt anzusehen, wenn n0 gross ist gegen jede der Zahlen n1, n2, n3 … Der Aggregatzustand der Lösung ist vollkommen gleichgültig, sie kann fest, flüssig oder gasförmig sein.
§ 250. Berechnen wir nun, gemäss dem geschilderten Plane, zunächst die Energie U und das Volumen V einer ver- dünnten Lösung. Die wichtige Vereinfachung, welche die soeben angeführte Definition einer verdünnten Lösung zur Folge hat, beruht auf dem mathematischen Satze, dass eine endliche, stetige und differentiirbare Funktion mehrerer Variabeln, welche sehr kleine Werthe haben, nothwendig eine lineäre Funktion dieser Variabeln ist. Dadurch wird die Art der Abhängigkeit der Grössen U und V von n0, n1, n2, … von vorneherein angebbar. Physikalisch gesprochen heisst dies, dass die Eigenschaften einer verdünnten Lösung, ausser von den Wirkungen der Moleküle des Lösungsmittels unter sich, nothwendig nur von den Wechsel- wirkungen zwischen den Molekülen des Lösungsmittels einerseits
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Verdünnte Lösungen.
keit von der Temperatur ϑ, dem Druck p und den Zahlen n
aller verschiedenen Molekülarten in einem System, welches be-
liebig viele unabhängige Bestandtheile in beliebig vielen Phasen
enthält, kann man genau denselben Weg einschlagen, der uns
bei der Untersuchung einer einzigen gasförmigen Phase im
vorigen Capitel zum Ziele geführt hat. Zunächst wird durch
geeignete Messungen das Volumen V und die Energie U einer
einzelnen Phase bestimmt, daraus dann gemäss der Definition
(60) die Entropie S dieser Phase berechnet, und somit alle
Grössen gewonnen, aus denen nach (75) Φ zusammengesetzt ist.
Durch einfache Addition über alle Phasen erhält man dann
schliesslich die Funktion Φ des ganzen Systems.
Angesichts der mangelnden Vollständigkeit der bisherigen
Messungen lässt sich aber gegenwärtig diese Rechnung, ausser
für eine gasförmige Phase, nur durchführen für eine verdünnte
Lösung, d. h. für eine Phase, in welcher die Anzahl einer be-
stimmten Art von Molekülen weitaus überwiegt über die Anzahl
aller übrigen in der Phase vorhandenen Molekülarten. Die so
ausgezeichnete Molekülart nennen wir von jetzt an das Lösungs-
mittel (vgl. dagegen § 220), die übrigen Molekülarten die ge-
lösten Stoffe. Bezeichnet also n0 die Molekülzahl des Lösungs-
mittels, n1, n2, n3 … die Molekülzahlen der gelösten Stoffe, so
ist die Lösung dann als verdünnt anzusehen, wenn n0 gross ist
gegen jede der Zahlen n1, n2, n3 … Der Aggregatzustand
der Lösung ist vollkommen gleichgültig, sie kann fest, flüssig
oder gasförmig sein.
§ 250. Berechnen wir nun, gemäss dem geschilderten
Plane, zunächst die Energie U und das Volumen V einer ver-
dünnten Lösung. Die wichtige Vereinfachung, welche die soeben
angeführte Definition einer verdünnten Lösung zur Folge hat,
beruht auf dem mathematischen Satze, dass eine endliche, stetige
und differentiirbare Funktion mehrerer Variabeln, welche sehr
kleine Werthe haben, nothwendig eine lineäre Funktion dieser
Variabeln ist. Dadurch wird die Art der Abhängigkeit der
Grössen U und V von n0, n1, n2, … von vorneherein angebbar.
Physikalisch gesprochen heisst dies, dass die Eigenschaften einer
verdünnten Lösung, ausser von den Wirkungen der Moleküle
des Lösungsmittels unter sich, nothwendig nur von den Wechsel-
wirkungen zwischen den Molekülen des Lösungsmittels einerseits
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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/227>, abgerufen am 23.02.2025.
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