Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite
XII.
Die Rebe schlingt um ihre Stange Blüthen;
Ich öffne liebend im Gesange Blüthen;
Die Alpenrose spendet tiefgewurzelt
Noch am granitnen dürren Hange Blüthen;
Sogar im unfruchtbaren Schoos entfaltet
Des wilden Meers der Lotos bange Blüthen;
Zurücke schauend in der Jugend Spiegel,
Erblick' ich ewig deiner Wange Blüthen.

XIII.
Du wähnst so sicher dich und klug zu seyn,
So ganz der Welt und dir genug zu seyn?
Doch unbefriedigt schien nur jedes Herz,
Und jedes Wesen, das ich frug, zu seyn;
Ein duftig Räthsel schien die Rose mir,
Und jedes Blatt nur auf dem Flug zu seyn;
Des Baumes Schatten, unter dem ich lag,
Schien mir ein köstlicher Betrug zu seyn;
Gehemmt in Fesseln schien mein eigen Lied,
In die ich's wider Willen schlug, zu seyn.

XII.
Die Rebe ſchlingt um ihre Stange Bluͤthen;
Ich oͤffne liebend im Geſange Bluͤthen;
Die Alpenroſe ſpendet tiefgewurzelt
Noch am granitnen duͤrren Hange Bluͤthen;
Sogar im unfruchtbaren Schoos entfaltet
Des wilden Meers der Lotos bange Bluͤthen;
Zuruͤcke ſchauend in der Jugend Spiegel,
Erblick' ich ewig deiner Wange Bluͤthen.

XIII.
Du waͤhnſt ſo ſicher dich und klug zu ſeyn,
So ganz der Welt und dir genug zu ſeyn?
Doch unbefriedigt ſchien nur jedes Herz,
Und jedes Weſen, das ich frug, zu ſeyn;
Ein duftig Raͤthſel ſchien die Roſe mir,
Und jedes Blatt nur auf dem Flug zu ſeyn;
Des Baumes Schatten, unter dem ich lag,
Schien mir ein koͤſtlicher Betrug zu ſeyn;
Gehemmt in Feſſeln ſchien mein eigen Lied,
In die ich's wider Willen ſchlug, zu ſeyn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0103" n="93"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">XII.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Rebe &#x017F;chlingt um ihre Stange Blu&#x0364;then;</l><lb/>
              <l>Ich o&#x0364;ffne liebend im Ge&#x017F;ange Blu&#x0364;then;</l><lb/>
              <l>Die Alpenro&#x017F;e &#x017F;pendet tiefgewurzelt</l><lb/>
              <l>Noch am granitnen du&#x0364;rren Hange Blu&#x0364;then;</l><lb/>
              <l>Sogar im unfruchtbaren Schoos entfaltet</l><lb/>
              <l>Des wilden Meers der Lotos bange Blu&#x0364;then;</l><lb/>
              <l>Zuru&#x0364;cke &#x017F;chauend in der Jugend Spiegel,</l><lb/>
              <l>Erblick' ich ewig deiner Wange Blu&#x0364;then.</l><lb/>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">XIII.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>u wa&#x0364;hn&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;icher dich und klug zu &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>So ganz der Welt und dir genug zu &#x017F;eyn?</l><lb/>
              <l>Doch unbefriedigt &#x017F;chien nur jedes Herz,</l><lb/>
              <l>Und jedes We&#x017F;en, das ich frug, zu &#x017F;eyn;</l><lb/>
              <l>Ein duftig Ra&#x0364;th&#x017F;el &#x017F;chien die Ro&#x017F;e mir,</l><lb/>
              <l>Und jedes Blatt nur auf dem Flug zu &#x017F;eyn;</l><lb/>
              <l>Des Baumes Schatten, unter dem ich lag,</l><lb/>
              <l>Schien mir ein ko&#x0364;&#x017F;tlicher Betrug zu &#x017F;eyn;</l><lb/>
              <l>Gehemmt in Fe&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;chien mein eigen Lied,</l><lb/>
              <l>In die ich's wider Willen &#x017F;chlug, zu &#x017F;eyn.</l><lb/>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0103] XII. Die Rebe ſchlingt um ihre Stange Bluͤthen; Ich oͤffne liebend im Geſange Bluͤthen; Die Alpenroſe ſpendet tiefgewurzelt Noch am granitnen duͤrren Hange Bluͤthen; Sogar im unfruchtbaren Schoos entfaltet Des wilden Meers der Lotos bange Bluͤthen; Zuruͤcke ſchauend in der Jugend Spiegel, Erblick' ich ewig deiner Wange Bluͤthen. XIII. Du waͤhnſt ſo ſicher dich und klug zu ſeyn, So ganz der Welt und dir genug zu ſeyn? Doch unbefriedigt ſchien nur jedes Herz, Und jedes Weſen, das ich frug, zu ſeyn; Ein duftig Raͤthſel ſchien die Roſe mir, Und jedes Blatt nur auf dem Flug zu ſeyn; Des Baumes Schatten, unter dem ich lag, Schien mir ein koͤſtlicher Betrug zu ſeyn; Gehemmt in Feſſeln ſchien mein eigen Lied, In die ich's wider Willen ſchlug, zu ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/103
Zitationshilfe: Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/103>, abgerufen am 22.11.2024.