Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite
XLIV.
Früh und viel zu frühe trat ich in die Zeit mit Ton
und Klang,

Und sie konnten kaum empfinden, was dem Busen kaum
entsprang:

Nicht den Geist, der scharf und sicher in des Lebens
Auge blickt,

Nicht die zarten Klagelaute jener Seele voll Gesang!
Kalt und ahnungslos und schweigend, ja mit Hohn
empfing sie mich,

Während sie um niedre Stirnen ihre schnöden Zweige
schlang!

Mir indessen, dem's im Busen thatenschwanger wühlte,
gohr,

Diente selbst der Scherz als Maske, wenn ich tiefe
Schmerzen sang;

Doch getrost! Vielleicht nach Jahren, wenn den Körper
Erde deckt,

Wird mein Schatte glänzend wandeln dieses deutsche
Volk entlang.


XLIV.
Fruͤh und viel zu fruͤhe trat ich in die Zeit mit Ton
und Klang,

Und ſie konnten kaum empfinden, was dem Buſen kaum
entſprang:

Nicht den Geiſt, der ſcharf und ſicher in des Lebens
Auge blickt,

Nicht die zarten Klagelaute jener Seele voll Geſang!
Kalt und ahnungslos und ſchweigend, ja mit Hohn
empfing ſie mich,

Waͤhrend ſie um niedre Stirnen ihre ſchnoͤden Zweige
ſchlang!

Mir indeſſen, dem's im Buſen thatenſchwanger wuͤhlte,
gohr,

Diente ſelbſt der Scherz als Maske, wenn ich tiefe
Schmerzen ſang;

Doch getroſt! Vielleicht nach Jahren, wenn den Koͤrper
Erde deckt,

Wird mein Schatte glaͤnzend wandeln dieſes deutſche
Volk entlang.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0172" n="162"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">XLIV.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">F</hi>ru&#x0364;h und viel zu fru&#x0364;he trat ich in die Zeit mit Ton<lb/><hi rendition="#et">und Klang,</hi></l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie konnten kaum empfinden, was dem Bu&#x017F;en kaum<lb/><hi rendition="#et">ent&#x017F;prang:</hi></l><lb/>
              <l>Nicht den Gei&#x017F;t, der &#x017F;charf und &#x017F;icher in des Lebens<lb/><hi rendition="#et">Auge blickt,</hi></l><lb/>
              <l>Nicht die zarten Klagelaute jener Seele voll Ge&#x017F;ang!</l><lb/>
              <l>Kalt und ahnungslos und &#x017F;chweigend, ja mit Hohn<lb/><hi rendition="#et">empfing &#x017F;ie mich,</hi></l><lb/>
              <l>Wa&#x0364;hrend &#x017F;ie um niedre Stirnen ihre &#x017F;chno&#x0364;den Zweige<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlang!</hi></l><lb/>
              <l>Mir inde&#x017F;&#x017F;en, dem's im Bu&#x017F;en thaten&#x017F;chwanger wu&#x0364;hlte,<lb/><hi rendition="#et">gohr,</hi></l><lb/>
              <l>Diente &#x017F;elb&#x017F;t der Scherz als Maske, wenn ich tiefe<lb/><hi rendition="#et">Schmerzen &#x017F;ang;</hi></l><lb/>
              <l>Doch getro&#x017F;t! Vielleicht nach Jahren, wenn den Ko&#x0364;rper<lb/><hi rendition="#et">Erde deckt,</hi></l><lb/>
              <l>Wird mein Schatte gla&#x0364;nzend wandeln die&#x017F;es deut&#x017F;che<lb/><hi rendition="#et">Volk entlang.</hi></l><lb/>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0172] XLIV. Fruͤh und viel zu fruͤhe trat ich in die Zeit mit Ton und Klang, Und ſie konnten kaum empfinden, was dem Buſen kaum entſprang: Nicht den Geiſt, der ſcharf und ſicher in des Lebens Auge blickt, Nicht die zarten Klagelaute jener Seele voll Geſang! Kalt und ahnungslos und ſchweigend, ja mit Hohn empfing ſie mich, Waͤhrend ſie um niedre Stirnen ihre ſchnoͤden Zweige ſchlang! Mir indeſſen, dem's im Buſen thatenſchwanger wuͤhlte, gohr, Diente ſelbſt der Scherz als Maske, wenn ich tiefe Schmerzen ſang; Doch getroſt! Vielleicht nach Jahren, wenn den Koͤrper Erde deckt, Wird mein Schatte glaͤnzend wandeln dieſes deutſche Volk entlang.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/172
Zitationshilfe: Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/172>, abgerufen am 23.11.2024.