Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.III. Das Sonett an Goethe. Dich selbst, Gewalt'ger, den ich noch vor Jahren Mein tiefes Wesen witzig sah verneinen, Dich selbst nun zähl' ich heute zu den Meinen, Zu Denen, welche meine Gunst erfahren. Denn wer durchdrungen ist vom innig Wahren, Dem muß die Form sich unbewußt vereinen, Und was dem Stümper mag gefährlich scheinen, Das muß den Meister göttlich offenbaren. Wem Kraft und Fülle tief im Busen keimen, Das Wort beherrscht er mit gerechtem Stolze, Bewegt sich leicht, wenn auch in schweren Reimen. Er schneidet sich des Liedes flücht'ge Bolze Gewandt und sicher, ohne je zu leimen, Und was er fertigt, ist aus ganzem Holze. III. Das Sonett an Goethe. Dich ſelbſt, Gewalt'ger, den ich noch vor Jahren Mein tiefes Weſen witzig ſah verneinen, Dich ſelbſt nun zaͤhl' ich heute zu den Meinen, Zu Denen, welche meine Gunſt erfahren. Denn wer durchdrungen iſt vom innig Wahren, Dem muß die Form ſich unbewußt vereinen, Und was dem Stuͤmper mag gefaͤhrlich ſcheinen, Das muß den Meiſter goͤttlich offenbaren. Wem Kraft und Fuͤlle tief im Buſen keimen, Das Wort beherrſcht er mit gerechtem Stolze, Bewegt ſich leicht, wenn auch in ſchweren Reimen. Er ſchneidet ſich des Liedes fluͤcht'ge Bolze Gewandt und ſicher, ohne je zu leimen, Und was er fertigt, iſt aus ganzem Holze. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0181" n="171"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">III.</hi><lb/><hi rendition="#g">Das Sonett an Goethe</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>ich ſelbſt, Gewalt'ger, den ich noch vor Jahren</l><lb/> <l>Mein tiefes Weſen witzig ſah verneinen,</l><lb/> <l>Dich ſelbſt nun zaͤhl' ich heute zu den Meinen,</l><lb/> <l>Zu Denen, welche meine Gunſt erfahren.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Denn wer durchdrungen iſt vom innig Wahren,</l><lb/> <l>Dem muß die Form ſich unbewußt vereinen,</l><lb/> <l>Und was dem Stuͤmper mag gefaͤhrlich ſcheinen,</l><lb/> <l>Das muß den Meiſter goͤttlich offenbaren.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Wem Kraft und Fuͤlle tief im Buſen keimen,</l><lb/> <l>Das Wort beherrſcht er mit gerechtem Stolze,</l><lb/> <l>Bewegt ſich leicht, wenn auch in ſchweren Reimen.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Er ſchneidet ſich des Liedes fluͤcht'ge Bolze</l><lb/> <l>Gewandt und ſicher, ohne je zu leimen,</l><lb/> <l>Und was er fertigt, iſt aus ganzem Holze.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0181]
III.
Das Sonett an Goethe.
Dich ſelbſt, Gewalt'ger, den ich noch vor Jahren
Mein tiefes Weſen witzig ſah verneinen,
Dich ſelbſt nun zaͤhl' ich heute zu den Meinen,
Zu Denen, welche meine Gunſt erfahren.
Denn wer durchdrungen iſt vom innig Wahren,
Dem muß die Form ſich unbewußt vereinen,
Und was dem Stuͤmper mag gefaͤhrlich ſcheinen,
Das muß den Meiſter goͤttlich offenbaren.
Wem Kraft und Fuͤlle tief im Buſen keimen,
Das Wort beherrſcht er mit gerechtem Stolze,
Bewegt ſich leicht, wenn auch in ſchweren Reimen.
Er ſchneidet ſich des Liedes fluͤcht'ge Bolze
Gewandt und ſicher, ohne je zu leimen,
Und was er fertigt, iſt aus ganzem Holze.
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