Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.XVIII. An Schelling. Wie sah man uns an deinem Munde hangen, Und lauschen Jeglichen auf seinem Sitze, Da deines Geistes ungeheure Blitze Wie Schlag auf Schlag in unsre Seele drangen! Wenn wir zerstückelt nur die Welt empfangen, Siehst du sie ganz, wie von der Berge Spitze; Was wir zerpflückt mit unserm armen Witze, Das ist als Blume vor dir aufgegangen. Noch sieht man Thoren zwar, erbost dagegen, Mit logischen Tiraden überkleistern Der Geistesarmuth Eyer, die sie legen; Doch dieses Völkchen, das dich wähnt zu meistern, Nie wird's die Welt der Wissenschaft bewegen, Und einen Dichter wird es nie begeistern. XVIII. An Schelling. Wie ſah man uns an deinem Munde hangen, Und lauſchen Jeglichen auf ſeinem Sitze, Da deines Geiſtes ungeheure Blitze Wie Schlag auf Schlag in unſre Seele drangen! Wenn wir zerſtuͤckelt nur die Welt empfangen, Siehſt du ſie ganz, wie von der Berge Spitze; Was wir zerpfluͤckt mit unſerm armen Witze, Das iſt als Blume vor dir aufgegangen. Noch ſieht man Thoren zwar, erbost dagegen, Mit logiſchen Tiraden uͤberkleiſtern Der Geiſtesarmuth Eyer, die ſie legen; Doch dieſes Voͤlkchen, das dich waͤhnt zu meiſtern, Nie wird's die Welt der Wiſſenſchaft bewegen, Und einen Dichter wird es nie begeiſtern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0196" n="186"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">XVIII.</hi><lb/><hi rendition="#g">An Schelling</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie ſah man uns an deinem Munde hangen,</l><lb/> <l>Und lauſchen Jeglichen auf ſeinem Sitze,</l><lb/> <l>Da deines Geiſtes ungeheure Blitze</l><lb/> <l>Wie Schlag auf Schlag in unſre Seele drangen!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Wenn wir zerſtuͤckelt nur die Welt empfangen,</l><lb/> <l>Siehſt du ſie ganz, wie von der Berge Spitze;</l><lb/> <l>Was wir zerpfluͤckt mit unſerm armen Witze,</l><lb/> <l>Das iſt als Blume vor dir aufgegangen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Noch ſieht man Thoren zwar, erbost dagegen,</l><lb/> <l>Mit logiſchen Tiraden uͤberkleiſtern</l><lb/> <l>Der Geiſtesarmuth Eyer, die ſie legen;</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Doch dieſes Voͤlkchen, das dich waͤhnt zu meiſtern,</l><lb/> <l>Nie wird's die Welt der Wiſſenſchaft bewegen,</l><lb/> <l>Und einen Dichter wird es nie begeiſtern.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0196]
XVIII.
An Schelling.
Wie ſah man uns an deinem Munde hangen,
Und lauſchen Jeglichen auf ſeinem Sitze,
Da deines Geiſtes ungeheure Blitze
Wie Schlag auf Schlag in unſre Seele drangen!
Wenn wir zerſtuͤckelt nur die Welt empfangen,
Siehſt du ſie ganz, wie von der Berge Spitze;
Was wir zerpfluͤckt mit unſerm armen Witze,
Das iſt als Blume vor dir aufgegangen.
Noch ſieht man Thoren zwar, erbost dagegen,
Mit logiſchen Tiraden uͤberkleiſtern
Der Geiſtesarmuth Eyer, die ſie legen;
Doch dieſes Voͤlkchen, das dich waͤhnt zu meiſtern,
Nie wird's die Welt der Wiſſenſchaft bewegen,
Und einen Dichter wird es nie begeiſtern.
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