Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.XXVI. Ich fühle Woch' an Woche mir verstreichen, Und kann mich nicht von dir, Venedig, trennen: Hör' ich Fusina, hör' ich Mestre nennen, So scheint ein Frost mir durch die Brust zu schleichen. Stets mehr empfind' ich dich als ohne Gleichen, Seit mir's gelingt, dich mehr und mehr zu kennen: Im Tiefsten fühl' ich meine Seele brennen, Die Großes sieht und Großes will erreichen. Welch eine Fülle wohnt von Kraft und Milde Sogar im Marmor hier, im spröden, kalten, Und in so manchem tiefgefühlten Bilde! Doch um noch mehr zu fesseln mich, zu halten, So mischt sich unter jene Kunstgebilde Die schönste Blüthe lebender Gestalten. XXVI. Ich fuͤhle Woch' an Woche mir verſtreichen, Und kann mich nicht von dir, Venedig, trennen: Hoͤr' ich Fuſina, hoͤr' ich Meſtre nennen, So ſcheint ein Froſt mir durch die Bruſt zu ſchleichen. Stets mehr empfind' ich dich als ohne Gleichen, Seit mir's gelingt, dich mehr und mehr zu kennen: Im Tiefſten fuͤhl' ich meine Seele brennen, Die Großes ſieht und Großes will erreichen. Welch eine Fuͤlle wohnt von Kraft und Milde Sogar im Marmor hier, im ſproͤden, kalten, Und in ſo manchem tiefgefuͤhlten Bilde! Doch um noch mehr zu feſſeln mich, zu halten, So miſcht ſich unter jene Kunſtgebilde Die ſchoͤnſte Bluͤthe lebender Geſtalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0204" n="194"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">XXVI.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>ch fuͤhle Woch' an Woche mir verſtreichen,</l><lb/> <l>Und kann mich nicht von dir, Venedig, trennen:</l><lb/> <l>Hoͤr' ich Fuſina, hoͤr' ich Meſtre nennen,</l><lb/> <l>So ſcheint ein Froſt mir durch die Bruſt zu ſchleichen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Stets mehr empfind' ich dich als ohne Gleichen,</l><lb/> <l>Seit mir's gelingt, dich mehr und mehr zu kennen:</l><lb/> <l>Im Tiefſten fuͤhl' ich meine Seele brennen,</l><lb/> <l>Die Großes ſieht und Großes will erreichen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Welch eine Fuͤlle wohnt von Kraft und Milde</l><lb/> <l>Sogar im Marmor hier, im ſproͤden, kalten,</l><lb/> <l>Und in ſo manchem tiefgefuͤhlten Bilde!</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Doch um noch mehr zu feſſeln mich, zu halten,</l><lb/> <l>So miſcht ſich unter jene Kunſtgebilde</l><lb/> <l>Die ſchoͤnſte Bluͤthe lebender Geſtalten.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0204]
XXVI.
Ich fuͤhle Woch' an Woche mir verſtreichen,
Und kann mich nicht von dir, Venedig, trennen:
Hoͤr' ich Fuſina, hoͤr' ich Meſtre nennen,
So ſcheint ein Froſt mir durch die Bruſt zu ſchleichen.
Stets mehr empfind' ich dich als ohne Gleichen,
Seit mir's gelingt, dich mehr und mehr zu kennen:
Im Tiefſten fuͤhl' ich meine Seele brennen,
Die Großes ſieht und Großes will erreichen.
Welch eine Fuͤlle wohnt von Kraft und Milde
Sogar im Marmor hier, im ſproͤden, kalten,
Und in ſo manchem tiefgefuͤhlten Bilde!
Doch um noch mehr zu feſſeln mich, zu halten,
So miſcht ſich unter jene Kunſtgebilde
Die ſchoͤnſte Bluͤthe lebender Geſtalten.
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