Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.Hoch vom steilen Gebirge, das Fest zu begehn in Amalfi, Schweige davon! Rings gähnt, wie ein Schlund, die ge¬ wisse Zerstörung: Tritt auf jene Balkone hinaus, und in duftiger Ferne Siehst du das Ufer entlegener Bucht und am Ufer erblickst du Herrlicher Säulen in Reih'n aufstrebendes, dorisches Bild¬ werk. Nur Eidechsen umklettern es jezt, nur flatternde Raben Ziehen geschaart jezt über das offene Dach lautkreischend; Brombeere decken die Stufen, und viel giftsamiges Unkraut Kleidet den riesigen Sturz abfallender Trümmer in Grün ein. Seit Jahrtausenden ruht, sich selbst hinreichend und einsam, Voll trotzbietender Kraft dein fallender Tempel, Poseidon, Mitten im Haidegefild und zunächst an des Meers Einöde. Völker und Reiche zerstoben indeß, und es welkte für ewig Jene dem Lenz nie wieder gelungene Rose von Pästum! Aber ich lasse den Geist abirren. O komm nach Amalfi, Komm nach Amalfi zurück! Hier führt ein lebendiges Tag¬ werk v. Platen's Gedichte. 19
Hoch vom ſteilen Gebirge, das Feſt zu begehn in Amalfi, Schweige davon! Rings gaͤhnt, wie ein Schlund, die ge¬ wiſſe Zerſtoͤrung: Tritt auf jene Balkone hinaus, und in duftiger Ferne Siehſt du das Ufer entlegener Bucht und am Ufer erblickſt du Herrlicher Saͤulen in Reih'n aufſtrebendes, doriſches Bild¬ werk. Nur Eidechſen umklettern es jezt, nur flatternde Raben Ziehen geſchaart jezt uͤber das offene Dach lautkreiſchend; Brombeere decken die Stufen, und viel giftſamiges Unkraut Kleidet den rieſigen Sturz abfallender Truͤmmer in Gruͤn ein. Seit Jahrtauſenden ruht, ſich ſelbſt hinreichend und einſam, Voll trotzbietender Kraft dein fallender Tempel, Poſeidon, Mitten im Haidegefild und zunaͤchſt an des Meers Einoͤde. Voͤlker und Reiche zerſtoben indeß, und es welkte fuͤr ewig Jene dem Lenz nie wieder gelungene Roſe von Paͤſtum! Aber ich laſſe den Geiſt abirren. O komm nach Amalfi, Komm nach Amalfi zuruͤck! Hier fuͤhrt ein lebendiges Tag¬ werk v. Platen's Gedichte. 19
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Hoch vom ſteilen Gebirge, das Feſt zu begehn in Amalfi,
Schoͤn wie ein Engel des Herrn, in die Tiefe herunterge¬
ſtiegen:
Reizend in Ringen umkraͤuſelt die Brau'n ſchwarzlockigen
Haupthaars
Schimmernde Nacht, rein leuchtet die bluͤhende Flamme
des Auges,
Nie von Begierde getruͤbt und dem Blick zweydeutiger
Freundſchaft,
Welche dem kochenden Blut in der ſuͤdlichen Sonne ge¬
mein iſt.
Doch wer kann, da die Zeit hinrollt, feſthalten die Schoͤn¬
heit?
Schweige davon! Rings gaͤhnt, wie ein Schlund, die ge¬
wiſſe Zerſtoͤrung:
Tritt auf jene Balkone hinaus, und in duftiger Ferne
Siehſt du das Ufer entlegener Bucht und am Ufer erblickſt du
Herrlicher Saͤulen in Reih'n aufſtrebendes, doriſches Bild¬
werk.
Nur Eidechſen umklettern es jezt, nur flatternde Raben
Ziehen geſchaart jezt uͤber das offene Dach lautkreiſchend;
Brombeere decken die Stufen, und viel giftſamiges Unkraut
Kleidet den rieſigen Sturz abfallender Truͤmmer in Gruͤn ein.
Seit Jahrtauſenden ruht, ſich ſelbſt hinreichend und einſam,
Voll trotzbietender Kraft dein fallender Tempel, Poſeidon,
Mitten im Haidegefild und zunaͤchſt an des Meers Einoͤde.
Voͤlker und Reiche zerſtoben indeß, und es welkte fuͤr ewig
Jene dem Lenz nie wieder gelungene Roſe von Paͤſtum!
Aber ich laſſe den Geiſt abirren. O komm nach Amalfi,
Komm nach Amalfi zuruͤck! Hier fuͤhrt ein lebendiges Tag¬
werk
v. Platen's Gedichte. 19
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