Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829. Nimmermann. Den Dichtern auch Begegnet jezuweilen etwas Menschliches. Publicum. Sie haben ja die spanische Wand! Ich bitte sehr -- Nimmermann. Wir wollen gleich zur Sache kommen! Zwar ich bin Kein Müllner, keiner, der im ersten Augenblick, Sobald ein Fremder über seine Schwelle tritt, Von seinen eignen Werken an zu sprechen fängt; Doch Ihnen muß ich frank und frei herausgestehn, Ich dichte jetzt ein ungemeines Meisterstück. Publicum. Wie immer; doch gewähren Sie das Nähere! Nimmermann. Ausforschen muß ich Ihren wahren Glauben erst: Was sagen Sie zum Oedipus des Sophokles? Publicum. Ich las in meiner Jugend auf den Schulen ihn, Er schien mir nicht gelungen. Nimmermann. Eine Pfuscherei, Wie's keine giebt! Höchst tragisch ist der Gegenstand: Blutschande, Gräuel jeder Art, ein Vatermord, Die Sphinx, die Pest, ein Uebermaß von Irrungen, Verwickelungen ohne Zahl! Wie wenig hat Der Dichter diesen fürchterlichen Stoff benutzt! Geradezu hinausgerückt das Gräßliche, Verhüllt in schöne Reden jede Schändlichkeit, Des Stücks Effekt vernichtet, aus dem Personal Nimmermann. Den Dichtern auch Begegnet jezuweilen etwas Menſchliches. Publicum. Sie haben ja die ſpaniſche Wand! Ich bitte ſehr — Nimmermann. Wir wollen gleich zur Sache kommen! Zwar ich bin Kein Muͤllner, keiner, der im erſten Augenblick, Sobald ein Fremder uͤber ſeine Schwelle tritt, Von ſeinen eignen Werken an zu ſprechen faͤngt; Doch Ihnen muß ich frank und frei herausgeſtehn, Ich dichte jetzt ein ungemeines Meiſterſtuͤck. Publicum. Wie immer; doch gewaͤhren Sie das Naͤhere! Nimmermann. Ausforſchen muß ich Ihren wahren Glauben erſt: Was ſagen Sie zum Oedipus des Sophokles? Publicum. Ich las in meiner Jugend auf den Schulen ihn, Er ſchien mir nicht gelungen. Nimmermann. Eine Pfuſcherei, Wie's keine giebt! Hoͤchſt tragiſch iſt der Gegenſtand: Blutſchande, Graͤuel jeder Art, ein Vatermord, Die Sphinx, die Peſt, ein Uebermaß von Irrungen, Verwickelungen ohne Zahl! Wie wenig hat Der Dichter dieſen fuͤrchterlichen Stoff benutzt! Geradezu hinausgeruͤckt das Graͤßliche, Verhuͤllt in ſchoͤne Reden jede Schaͤndlichkeit, Des Stuͤcks Effekt vernichtet, aus dem Perſonal <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0017" n="11"/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Den Dichtern auch<lb/> Begegnet jezuweilen etwas Menſchliches.</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Sie haben ja die ſpaniſche Wand! Ich bitte ſehr —</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wir wollen gleich zur Sache kommen! Zwar ich bin<lb/> Kein Muͤllner, keiner, der im erſten Augenblick,<lb/> Sobald ein Fremder uͤber ſeine Schwelle tritt,<lb/> Von ſeinen eignen Werken an zu ſprechen faͤngt;<lb/> Doch Ihnen muß ich frank und frei herausgeſtehn,<lb/> Ich dichte jetzt ein ungemeines Meiſterſtuͤck.</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wie immer; doch gewaͤhren Sie das Naͤhere!</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Ausforſchen muß ich Ihren wahren Glauben erſt:<lb/> Was ſagen Sie zum Oedipus des Sophokles?</p> </sp><lb/> <sp who="#PUB"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Publicum</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich las in meiner Jugend auf den Schulen ihn,<lb/> Er ſchien mir nicht gelungen.</p> </sp><lb/> <sp who="#NIM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nimmermann</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Eine Pfuſcherei,<lb/> Wie's keine giebt! Hoͤchſt tragiſch iſt der Gegenſtand:<lb/> Blutſchande, Graͤuel jeder Art, ein Vatermord,<lb/> Die Sphinx, die Peſt, ein Uebermaß von Irrungen,<lb/> Verwickelungen ohne Zahl! Wie wenig hat<lb/> Der Dichter dieſen fuͤrchterlichen Stoff benutzt!<lb/> Geradezu hinausgeruͤckt das Graͤßliche,<lb/> Verhuͤllt in ſchoͤne Reden jede Schaͤndlichkeit,<lb/> Des Stuͤcks Effekt vernichtet, aus dem Perſonal<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0017]
Nimmermann.
Den Dichtern auch
Begegnet jezuweilen etwas Menſchliches.
Publicum.
Sie haben ja die ſpaniſche Wand! Ich bitte ſehr —
Nimmermann.
Wir wollen gleich zur Sache kommen! Zwar ich bin
Kein Muͤllner, keiner, der im erſten Augenblick,
Sobald ein Fremder uͤber ſeine Schwelle tritt,
Von ſeinen eignen Werken an zu ſprechen faͤngt;
Doch Ihnen muß ich frank und frei herausgeſtehn,
Ich dichte jetzt ein ungemeines Meiſterſtuͤck.
Publicum.
Wie immer; doch gewaͤhren Sie das Naͤhere!
Nimmermann.
Ausforſchen muß ich Ihren wahren Glauben erſt:
Was ſagen Sie zum Oedipus des Sophokles?
Publicum.
Ich las in meiner Jugend auf den Schulen ihn,
Er ſchien mir nicht gelungen.
Nimmermann.
Eine Pfuſcherei,
Wie's keine giebt! Hoͤchſt tragiſch iſt der Gegenſtand:
Blutſchande, Graͤuel jeder Art, ein Vatermord,
Die Sphinx, die Peſt, ein Uebermaß von Irrungen,
Verwickelungen ohne Zahl! Wie wenig hat
Der Dichter dieſen fuͤrchterlichen Stoff benutzt!
Geradezu hinausgeruͤckt das Graͤßliche,
Verhuͤllt in ſchoͤne Reden jede Schaͤndlichkeit,
Des Stuͤcks Effekt vernichtet, aus dem Perſonal
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