Zelinde. Nein, so mein' ich's nicht! Dergleichen Phrasen sind für ein Sonett! Nein, ich will das körperliche Herz, ein Herz mit wahrem Fett: Da du stets materiell warst, werd' auch ich materiell: Ein platonisch Herz genügt mir keineswegs! -- Entscheide schnell!
Diagoras. Immer schlug mein Herz für dich nur!
Zelinde. Aber sinnlich und verrucht, Und dadurch mit Recht erregend meines Mannes Eifersucht; Glaube mir, auf keine Weise thu' ich seinem Zorn genug, Wenn ich nicht das Herz ihm schenke, das für mich in Liebe schlug.
Diagoras. Dieser Antrag kommt mir etwas unerwartet, ja sogar Grob und unmanierlich wag' ich ihn zu nennen.
Zelinde. Sonderbar! Also Redensarten waren's, wenn du sagtest mir und schriebst, Daß du mehr mich als das Leben, mehr als deine Seele liebst? Lüge waren deine Seufzer, deine Schwüre waren Scherz? Und das Herz, das jetzt du weigerst, war es nur ein falsches Herz? O der Männer! O des Meineids, den sie jeden Tag begehn, [Si]e, die nicht die kleinste Prüfung, auch die kleinste nicht, bestehn!
Zelinde. Nein, ſo mein' ich's nicht! Dergleichen Phraſen ſind fuͤr ein Sonett! Nein, ich will das koͤrperliche Herz, ein Herz mit wahrem Fett: Da du ſtets materiell warſt, werd' auch ich materiell: Ein platoniſch Herz genuͤgt mir keineswegs! — Entſcheide ſchnell!
Diagoras. Immer ſchlug mein Herz fuͤr dich nur!
Zelinde. Aber ſinnlich und verrucht, Und dadurch mit Recht erregend meines Mannes Eiferſucht; Glaube mir, auf keine Weiſe thu' ich ſeinem Zorn genug, Wenn ich nicht das Herz ihm ſchenke, das fuͤr mich in Liebe ſchlug.
Diagoras. Dieſer Antrag kommt mir etwas unerwartet, ja ſogar Grob und unmanierlich wag' ich ihn zu nennen.
Zelinde. Sonderbar! Alſo Redensarten waren's, wenn du ſagteſt mir und ſchriebſt, Daß du mehr mich als das Leben, mehr als deine Seele liebſt? Luͤge waren deine Seufzer, deine Schwuͤre waren Scherz? Und das Herz, das jetzt du weigerſt, war es nur ein falſches Herz? O der Maͤnner! O des Meineids, den ſie jeden Tag begehn, [Si]e, die nicht die kleinſte Pruͤfung, auch die kleinſte nicht, beſtehn!
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Zelinde.
Nein, ſo mein' ich's nicht! Dergleichen Phraſen ſind fuͤr ein
Sonett!
Nein, ich will das koͤrperliche Herz, ein Herz mit wahrem
Fett:
Da du ſtets materiell warſt, werd' auch ich materiell:
Ein platoniſch Herz genuͤgt mir keineswegs! — Entſcheide
ſchnell!
Diagoras.
Immer ſchlug mein Herz fuͤr dich nur!
Zelinde.
Aber ſinnlich und verrucht,
Und dadurch mit Recht erregend meines Mannes Eiferſucht;
Glaube mir, auf keine Weiſe thu' ich ſeinem Zorn genug,
Wenn ich nicht das Herz ihm ſchenke, das fuͤr mich in Liebe
ſchlug.
Diagoras.
Dieſer Antrag kommt mir etwas unerwartet, ja ſogar
Grob und unmanierlich wag' ich ihn zu nennen.
Zelinde.
Sonderbar!
Alſo Redensarten waren's, wenn du ſagteſt mir und ſchriebſt,
Daß du mehr mich als das Leben, mehr als deine Seele
liebſt?
Luͤge waren deine Seufzer, deine Schwuͤre waren Scherz?
Und das Herz, das jetzt du weigerſt, war es nur ein falſches
Herz?
O der Maͤnner! O des Meineids, den ſie jeden Tag begehn,
Sie, die nicht die kleinſte Pruͤfung, auch die kleinſte nicht,
beſtehn!
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Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/67>, abgerufen am 13.02.2025.
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