Wo sich keine Möve schaukelt auf dem unterird'schen Teich, Wo Natur so nah zu uns tritt, und so todtenstill zugleich; Aber jetzt vergönne --
Polybus. Nicht doch! Was du sagst, gefällt mir sehr: Komm, Diagoras, in mein Gemach, denn gerne hört' ich mehr! Ueber Berg- und Hüttenkunde hab' ich oft und viel gedacht, Gold und Silber, Erz und Schwefel manichfach zu Tag gebracht, Und besonders viel Arsenik, wie du sehn wirst. Komm herein! Wir besprechen dann noch Manches über einem Glase Wein.
Diagoras. Deine Huld ist allzuhuldvoll. Könnt' ich nicht ein andres Mal --
Polybus. Nein, du leerst auf deines Königs Wohl sogleich den Goldpokal! (Beide ab.) Festlicher Saal in Theben. Oedipus auf dem Thron, um ihn die Großen des Reichs; unter ihnen Tiresias.
Oedipus. Im zehnten Jahr gebiet' ich diesen Reichen, Seitdem befreit ich euch von jenem Gaste, Den durch ein Distichon ich zwang zu weichen, Und mich vermählt der Königin Jokaste: Nun hör' ich, daß ein Jammer ohne Gleichen, Trotz meiner Hut, auf diesem Lande laste, Und daß gequält von Hungersnoth und Seuchen Im schweren Joche die Thebaner keuchen.
D'rum
Wo ſich keine Moͤve ſchaukelt auf dem unterird'ſchen Teich, Wo Natur ſo nah zu uns tritt, und ſo todtenſtill zugleich; Aber jetzt vergoͤnne —
Polybus. Nicht doch! Was du ſagſt, gefaͤllt mir ſehr: Komm, Diagoras, in mein Gemach, denn gerne hoͤrt' ich mehr! Ueber Berg- und Huͤttenkunde hab' ich oft und viel gedacht, Gold und Silber, Erz und Schwefel manichfach zu Tag gebracht, Und beſonders viel Arſenik, wie du ſehn wirſt. Komm herein! Wir beſprechen dann noch Manches uͤber einem Glaſe Wein.
Diagoras. Deine Huld iſt allzuhuldvoll. Koͤnnt' ich nicht ein andres Mal —
Polybus. Nein, du leerſt auf deines Koͤnigs Wohl ſogleich den Goldpokal! (Beide ab.) Feſtlicher Saal in Theben. Oedipus auf dem Thron, um ihn die Großen des Reichs; unter ihnen Tireſias.
Oedipus. Im zehnten Jahr gebiet' ich dieſen Reichen, Seitdem befreit ich euch von jenem Gaſte, Den durch ein Diſtichon ich zwang zu weichen, Und mich vermaͤhlt der Koͤnigin Jokaſte: Nun hoͤr' ich, daß ein Jammer ohne Gleichen, Trotz meiner Hut, auf dieſem Lande laſte, Und daß gequaͤlt von Hungersnoth und Seuchen Im ſchweren Joche die Thebaner keuchen.
D'rum
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Wo ſich keine Moͤve ſchaukelt auf dem unterird'ſchen Teich,
Wo Natur ſo nah zu uns tritt, und ſo todtenſtill zugleich;
Aber jetzt vergoͤnne —
Polybus.
Nicht doch! Was du ſagſt, gefaͤllt mir ſehr:
Komm, Diagoras, in mein Gemach, denn gerne hoͤrt' ich mehr!
Ueber Berg- und Huͤttenkunde hab' ich oft und viel gedacht,
Gold und Silber, Erz und Schwefel manichfach zu Tag
gebracht,
Und beſonders viel Arſenik, wie du ſehn wirſt. Komm herein!
Wir beſprechen dann noch Manches uͤber einem Glaſe Wein.
Diagoras.
Deine Huld iſt allzuhuldvoll. Koͤnnt' ich nicht ein andres Mal —
Polybus.
Nein, du leerſt auf deines Koͤnigs Wohl ſogleich den Goldpokal!
(Beide ab.)
Feſtlicher Saal in Theben.
Oedipus auf dem Thron, um ihn die Großen des Reichs;
unter ihnen Tireſias.
Oedipus.
Im zehnten Jahr gebiet' ich dieſen Reichen,
Seitdem befreit ich euch von jenem Gaſte,
Den durch ein Diſtichon ich zwang zu weichen,
Und mich vermaͤhlt der Koͤnigin Jokaſte:
Nun hoͤr' ich, daß ein Jammer ohne Gleichen,
Trotz meiner Hut, auf dieſem Lande laſte,
Und daß gequaͤlt von Hungersnoth und Seuchen
Im ſchweren Joche die Thebaner keuchen.
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Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/70>, abgerufen am 11.02.2025.
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