Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829. Oedipus. Dieses Doppeljammers Anlaß, schnell erzähl' ihn und genau! Balthasar. Es kam zurück nach zehentausend Tagen Diagoras zum Hofpallast des Fürsten; Doch dieser schien, voll eifersücht'ger Plagen, Seit Jahren schon nach Jenes Blut zu dürsten, Um seiner Königsehre Mantelkragen Von jenen Fasern allen reinzubürsten, Die aus Zelindens Bett, so wähnt betrogen Der Fürst Corinths, ihm waren angeflogen. In seine Zimmer läßt er Jenen winken, Zu fragen ihn nach seinen Abenteuern: Er sucht mit Freundlichkeit den Haß zu schminken, Durch Höflichkeit der innern Wuth zu steuern, Reicht ihm Confekt und giebt ihm Wein zu trinken, Und pflegt bei jedem Schluck ihn anzufeuern; Allein im Weine war ein Gift verborgen, Das Jenen tödten soll am andern Morgen. Es hat verlassen kaum den Tisch der Rache Diagoras, so schrecklich hintergangen, Als auf der Treppe bei dem Schlafgemache Zelindens ihn Zelindens Frauen fangen: Gebunden wird an Hand und Fuß der Schwache, Auf's Lager hingestreckt mit bleichen Wangen, Und aus dem Busen ihm das Herz geschnitten: O wie verderbt sind heut zu Tag die Sitten! Oedipus. Dieſes Doppeljammers Anlaß, ſchnell erzaͤhl' ihn und genau! Balthaſar. Es kam zuruͤck nach zehentauſend Tagen Diagoras zum Hofpallaſt des Fuͤrſten; Doch dieſer ſchien, voll eiferſuͤcht'ger Plagen, Seit Jahren ſchon nach Jenes Blut zu duͤrſten, Um ſeiner Koͤnigsehre Mantelkragen Von jenen Faſern allen reinzubuͤrſten, Die aus Zelindens Bett, ſo waͤhnt betrogen Der Fuͤrſt Corinths, ihm waren angeflogen. In ſeine Zimmer laͤßt er Jenen winken, Zu fragen ihn nach ſeinen Abenteuern: Er ſucht mit Freundlichkeit den Haß zu ſchminken, Durch Hoͤflichkeit der innern Wuth zu ſteuern, Reicht ihm Confekt und giebt ihm Wein zu trinken, Und pflegt bei jedem Schluck ihn anzufeuern; Allein im Weine war ein Gift verborgen, Das Jenen toͤdten ſoll am andern Morgen. Es hat verlaſſen kaum den Tiſch der Rache Diagoras, ſo ſchrecklich hintergangen, Als auf der Treppe bei dem Schlafgemache Zelindens ihn Zelindens Frauen fangen: Gebunden wird an Hand und Fuß der Schwache, Auf's Lager hingeſtreckt mit bleichen Wangen, Und aus dem Buſen ihm das Herz geſchnitten: O wie verderbt ſind heut zu Tag die Sitten! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" n="70"/> <sp who="#OED"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Oedipus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Dieſes Doppeljammers Anlaß, ſchnell erzaͤhl' ihn und<lb/> genau!</p> </sp><lb/> <sp who="#BAL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Balthaſar</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Es kam zuruͤck nach zehentauſend Tagen<lb/> Diagoras zum Hofpallaſt des Fuͤrſten;<lb/> Doch dieſer ſchien, voll eiferſuͤcht'ger Plagen,<lb/> Seit Jahren ſchon nach Jenes Blut zu duͤrſten,<lb/> Um ſeiner Koͤnigsehre Mantelkragen<lb/> Von jenen Faſern allen reinzubuͤrſten,<lb/> Die aus Zelindens Bett, ſo waͤhnt betrogen<lb/> Der Fuͤrſt Corinths, ihm waren angeflogen.</p><lb/> <p>In ſeine Zimmer laͤßt er Jenen winken,<lb/> Zu fragen ihn nach ſeinen Abenteuern:<lb/> Er ſucht mit Freundlichkeit den Haß zu ſchminken,<lb/> Durch Hoͤflichkeit der innern Wuth zu ſteuern,<lb/> Reicht ihm Confekt und giebt ihm Wein zu trinken,<lb/> Und pflegt bei jedem Schluck ihn anzufeuern;<lb/> Allein im Weine war ein Gift verborgen,<lb/> Das Jenen toͤdten ſoll am andern Morgen.</p><lb/> <p>Es hat verlaſſen kaum den Tiſch der Rache<lb/> Diagoras, ſo ſchrecklich hintergangen,<lb/> Als auf der Treppe bei dem Schlafgemache<lb/> Zelindens ihn Zelindens Frauen fangen:<lb/> Gebunden wird an Hand und Fuß der Schwache,<lb/> Auf's Lager hingeſtreckt mit bleichen Wangen,<lb/> Und aus dem Buſen ihm das Herz geſchnitten:<lb/> O wie verderbt ſind heut zu Tag die Sitten!</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0076]
Oedipus.
Dieſes Doppeljammers Anlaß, ſchnell erzaͤhl' ihn und
genau!
Balthaſar.
Es kam zuruͤck nach zehentauſend Tagen
Diagoras zum Hofpallaſt des Fuͤrſten;
Doch dieſer ſchien, voll eiferſuͤcht'ger Plagen,
Seit Jahren ſchon nach Jenes Blut zu duͤrſten,
Um ſeiner Koͤnigsehre Mantelkragen
Von jenen Faſern allen reinzubuͤrſten,
Die aus Zelindens Bett, ſo waͤhnt betrogen
Der Fuͤrſt Corinths, ihm waren angeflogen.
In ſeine Zimmer laͤßt er Jenen winken,
Zu fragen ihn nach ſeinen Abenteuern:
Er ſucht mit Freundlichkeit den Haß zu ſchminken,
Durch Hoͤflichkeit der innern Wuth zu ſteuern,
Reicht ihm Confekt und giebt ihm Wein zu trinken,
Und pflegt bei jedem Schluck ihn anzufeuern;
Allein im Weine war ein Gift verborgen,
Das Jenen toͤdten ſoll am andern Morgen.
Es hat verlaſſen kaum den Tiſch der Rache
Diagoras, ſo ſchrecklich hintergangen,
Als auf der Treppe bei dem Schlafgemache
Zelindens ihn Zelindens Frauen fangen:
Gebunden wird an Hand und Fuß der Schwache,
Auf's Lager hingeſtreckt mit bleichen Wangen,
Und aus dem Buſen ihm das Herz geſchnitten:
O wie verderbt ſind heut zu Tag die Sitten!
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