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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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Wie aus unserer Herleitung hervorgeht, musste in jedem
solchem Falle, auch wenn die guten Eltern durchschnitt-
lich nur ganz wenige schwächere Devarianten stets mit er-
zeugten, -- wir nannten das absteigendes Variiren der
Art -- der Rückgang nach Aufhebung des Kampfes um's
Dasein mit Sicherheit eintreten, und zwar um so rascher,
je grösser die Tendenz zur Erzeugung schwächerer De-
varianten war, und um so langsamer, je kleiner diese Ten-
denz war.

Ganz ohne diese Tendenz, also im Fall die erzeugten
Devarianten durchschnittlich stets stärker waren als die
Eltern oder als der Durchschnitts-Typ der gleichaltrigen
Individuen der vorigen Generation -- aufsteigendes Variiren
der Art -- würde allerdings die Panmixie keinen Rück-
schritt mehr hervorbringen können, da eben das Variiren
allein bereits das Fortschreiten besorgt. Die rückschritt-
liche Tendenz derselben würde in diesem Fall nur hin-
sichtlich der Zeit in Erscheinung treten, in so fern als sie
den Fortschritt erheblich verzögern würde. Darwin er-
wähnt die Möglichkeit des aufsteigenden Variirens von
Arten ausdrücklich. (Entstehung der Arten S. 113). Je-
doch ist es in der Natur sicher nur selten. Wir werden
später bei der Besprechung des Schutzes der Schwachen
auf diesen Gegenstand zurückkommen.

Ein mitwirkendes Moment bei der Rückentwickelung
eines nicht mehr ausgelesenen Organs ist der Vortheil, den
diejenigen Individuen bei der Selection haben, welche dies
Organ zwar in geringerer Anlage besitzen, aber die Ge-
sammtheit ihrer ontologischen Bildungskraft nicht in ent-
sprechendem Maasse verkleinert haben. Das relative
Plus konnte anderen, nöthigeren Organen zu Gute kommen
und war also ein um so grösserer Vortheil im Kampf um's
Dasein, je grösser es war, d. h. eine je mangel-
haftere Entwickelung das nicht mehr ausgelesene Organ
besass. Bei unserem Olm, dem ein gutes Auge in den

Wie aus unserer Herleitung hervorgeht, musste in jedem
solchem Falle, auch wenn die guten Eltern durchschnitt-
lich nur ganz wenige schwächere Devarianten stets mit er-
zeugten, — wir nannten das absteigendes Variiren der
Art — der Rückgang nach Aufhebung des Kampfes um’s
Dasein mit Sicherheit eintreten, und zwar um so rascher,
je grösser die Tendenz zur Erzeugung schwächerer De-
varianten war, und um so langsamer, je kleiner diese Ten-
denz war.

Ganz ohne diese Tendenz, also im Fall die erzeugten
Devarianten durchschnittlich stets stärker waren als die
Eltern oder als der Durchschnitts-Typ der gleichaltrigen
Individuen der vorigen Generation — aufsteigendes Variiren
der Art — würde allerdings die Panmixie keinen Rück-
schritt mehr hervorbringen können, da eben das Variiren
allein bereits das Fortschreiten besorgt. Die rückschritt-
liche Tendenz derselben würde in diesem Fall nur hin-
sichtlich der Zeit in Erscheinung treten, in so fern als sie
den Fortschritt erheblich verzögern würde. Darwin er-
wähnt die Möglichkeit des aufsteigenden Variirens von
Arten ausdrücklich. (Entstehung der Arten S. 113). Je-
doch ist es in der Natur sicher nur selten. Wir werden
später bei der Besprechung des Schutzes der Schwachen
auf diesen Gegenstand zurückkommen.

Ein mitwirkendes Moment bei der Rückentwickelung
eines nicht mehr ausgelesenen Organs ist der Vortheil, den
diejenigen Individuen bei der Selection haben, welche dies
Organ zwar in geringerer Anlage besitzen, aber die Ge-
sammtheit ihrer ontologischen Bildungskraft nicht in ent-
sprechendem Maasse verkleinert haben. Das relative
Plus konnte anderen, nöthigeren Organen zu Gute kommen
und war also ein um so grösserer Vortheil im Kampf um’s
Dasein, je grösser es war, d. h. eine je mangel-
haftere Entwickelung das nicht mehr ausgelesene Organ
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[103/0123] Wie aus unserer Herleitung hervorgeht, musste in jedem solchem Falle, auch wenn die guten Eltern durchschnitt- lich nur ganz wenige schwächere Devarianten stets mit er- zeugten, — wir nannten das absteigendes Variiren der Art — der Rückgang nach Aufhebung des Kampfes um’s Dasein mit Sicherheit eintreten, und zwar um so rascher, je grösser die Tendenz zur Erzeugung schwächerer De- varianten war, und um so langsamer, je kleiner diese Ten- denz war. Ganz ohne diese Tendenz, also im Fall die erzeugten Devarianten durchschnittlich stets stärker waren als die Eltern oder als der Durchschnitts-Typ der gleichaltrigen Individuen der vorigen Generation — aufsteigendes Variiren der Art — würde allerdings die Panmixie keinen Rück- schritt mehr hervorbringen können, da eben das Variiren allein bereits das Fortschreiten besorgt. Die rückschritt- liche Tendenz derselben würde in diesem Fall nur hin- sichtlich der Zeit in Erscheinung treten, in so fern als sie den Fortschritt erheblich verzögern würde. Darwin er- wähnt die Möglichkeit des aufsteigenden Variirens von Arten ausdrücklich. (Entstehung der Arten S. 113). Je- doch ist es in der Natur sicher nur selten. Wir werden später bei der Besprechung des Schutzes der Schwachen auf diesen Gegenstand zurückkommen. Ein mitwirkendes Moment bei der Rückentwickelung eines nicht mehr ausgelesenen Organs ist der Vortheil, den diejenigen Individuen bei der Selection haben, welche dies Organ zwar in geringerer Anlage besitzen, aber die Ge- sammtheit ihrer ontologischen Bildungskraft nicht in ent- sprechendem Maasse verkleinert haben. Das relative Plus konnte anderen, nöthigeren Organen zu Gute kommen und war also ein um so grösserer Vortheil im Kampf um’s Dasein, je grösser es war, d. h. eine je mangel- haftere Entwickelung das nicht mehr ausgelesene Organ besass. Bei unserem Olm, dem ein gutes Auge in den

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/123>, abgerufen am 24.11.2024.