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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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irgendwie in Betracht kommende Rolle. Beim Menschen
war jede stärkere Convariante auch zugleich eine vollkom-
menere. Denn sein fortwährendes Bestreben, sich über
die ganze Erde auszubreiten, sorgte immer wieder für neue,
directe Complicirung der Extral-Bedingungen. Ob dies
für die neueste Zeit anders geworden ist, ob neben
dieser Complicirung noch stärkere vereinfachende Factoren
in Wirksamkeit getreten sind, wollen wir weiter unten be-
sprechen.

Noch ein anderes Moment ist hierbei zu berücksichtigen.
Bei den sich rückentwickelnden Organismen war der Kampf
um's Dasein fast ausschliesslich ein Extralkampf, der Soci-
alkampf spielte so gut wie gar keine oder nur eine kleine
Rolle. Beim Menschen war dies anders. Der Antheil
des reinen Extralkampfes ist bei ihm stetig zurückgegangen,
während der des Socialkampfes, besonders seit Ausbildung
der Sprache und später der Waarenproduction, ganz ge-
waltig zugenommen hat.

Nun ist aber, auch wenn die selectorischen Extral-
Factoren gleich bleiben, ja sogar, wenn sie milder werden,
durch das Andauern des Socialkampfes die Möglichkeit
der Erhöhung der durchschnittlichen Constitutionskraft ge-
geben. Sobald z. B. selbst das allereinfachste Ergreifen
von Nahrung und von Wohngelegenheit nicht direct,
sondern erst nach einem Wettbewerb mit anderen Indi-
viduen erfolgen konnte, hatten diejenigen Convarianten, die
in Bezug auf diesen Socialkampf stärkere Regulations-
Vorrichtungen, vor Allem bessere Gehirne hatten, stets
einen Vortheil vor den übrigen, konnten die verfügbaren
Nährstellen leichter occupiren und kamen eher zur Er-
zeugung und Aufziehung von Kindern und dadurch zur
Vererbung ihrer Eigenschaften. Die nächste Generation
bildete also in Bezug auf alle im Socialkampf zweck-
mässigen Regulationen, vor allem auf das Gehirn, eine
Summe stärkerer Devarianten, sofern nur Variation und

irgendwie in Betracht kommende Rolle. Beim Menschen
war jede stärkere Convariante auch zugleich eine vollkom-
menere. Denn sein fortwährendes Bestreben, sich über
die ganze Erde auszubreiten, sorgte immer wieder für neue,
directe Complicirung der Extral-Bedingungen. Ob dies
für die neueste Zeit anders geworden ist, ob neben
dieser Complicirung noch stärkere vereinfachende Factoren
in Wirksamkeit getreten sind, wollen wir weiter unten be-
sprechen.

Noch ein anderes Moment ist hierbei zu berücksichtigen.
Bei den sich rückentwickelnden Organismen war der Kampf
um’s Dasein fast ausschliesslich ein Extralkampf, der Soci-
alkampf spielte so gut wie gar keine oder nur eine kleine
Rolle. Beim Menschen war dies anders. Der Antheil
des reinen Extralkampfes ist bei ihm stetig zurückgegangen,
während der des Socialkampfes, besonders seit Ausbildung
der Sprache und später der Waarenproduction, ganz ge-
waltig zugenommen hat.

Nun ist aber, auch wenn die selectorischen Extral-
Factoren gleich bleiben, ja sogar, wenn sie milder werden,
durch das Andauern des Socialkampfes die Möglichkeit
der Erhöhung der durchschnittlichen Constitutionskraft ge-
geben. Sobald z. B. selbst das allereinfachste Ergreifen
von Nahrung und von Wohngelegenheit nicht direct,
sondern erst nach einem Wettbewerb mit anderen Indi-
viduen erfolgen konnte, hatten diejenigen Convarianten, die
in Bezug auf diesen Socialkampf stärkere Regulations-
Vorrichtungen, vor Allem bessere Gehirne hatten, stets
einen Vortheil vor den übrigen, konnten die verfügbaren
Nährstellen leichter occupiren und kamen eher zur Er-
zeugung und Aufziehung von Kindern und dadurch zur
Vererbung ihrer Eigenschaften. Die nächste Generation
bildete also in Bezug auf alle im Socialkampf zweck-
mässigen Regulationen, vor allem auf das Gehirn, eine
Summe stärkerer Devarianten, sofern nur Variation und

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[105/0125] irgendwie in Betracht kommende Rolle. Beim Menschen war jede stärkere Convariante auch zugleich eine vollkom- menere. Denn sein fortwährendes Bestreben, sich über die ganze Erde auszubreiten, sorgte immer wieder für neue, directe Complicirung der Extral-Bedingungen. Ob dies für die neueste Zeit anders geworden ist, ob neben dieser Complicirung noch stärkere vereinfachende Factoren in Wirksamkeit getreten sind, wollen wir weiter unten be- sprechen. Noch ein anderes Moment ist hierbei zu berücksichtigen. Bei den sich rückentwickelnden Organismen war der Kampf um’s Dasein fast ausschliesslich ein Extralkampf, der Soci- alkampf spielte so gut wie gar keine oder nur eine kleine Rolle. Beim Menschen war dies anders. Der Antheil des reinen Extralkampfes ist bei ihm stetig zurückgegangen, während der des Socialkampfes, besonders seit Ausbildung der Sprache und später der Waarenproduction, ganz ge- waltig zugenommen hat. Nun ist aber, auch wenn die selectorischen Extral- Factoren gleich bleiben, ja sogar, wenn sie milder werden, durch das Andauern des Socialkampfes die Möglichkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Constitutionskraft ge- geben. Sobald z. B. selbst das allereinfachste Ergreifen von Nahrung und von Wohngelegenheit nicht direct, sondern erst nach einem Wettbewerb mit anderen Indi- viduen erfolgen konnte, hatten diejenigen Convarianten, die in Bezug auf diesen Socialkampf stärkere Regulations- Vorrichtungen, vor Allem bessere Gehirne hatten, stets einen Vortheil vor den übrigen, konnten die verfügbaren Nährstellen leichter occupiren und kamen eher zur Er- zeugung und Aufziehung von Kindern und dadurch zur Vererbung ihrer Eigenschaften. Die nächste Generation bildete also in Bezug auf alle im Socialkampf zweck- mässigen Regulationen, vor allem auf das Gehirn, eine Summe stärkerer Devarianten, sofern nur Variation und

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/125>, abgerufen am 21.11.2024.