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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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stehend, dass ein Theil der Armuth die ökonomische
Ausjäte repräsentirt, dass aber auch ein sehr beträchtlicher
Theil der Armuth die Folge nonselectorischer Einwirkungen
wie Krisen und anderer Erscheinungen des capitalistischen
Systems ist. Da dieser nonselectorische Theil dieselben
schlechten Folgen für die Gesundheit der betroffenen
Individuen und der von ihnen erzeugten Kinder hat, wie
der selectorische Theil der Armuth, so liegt im Gegensatz
zu letzterem sein bedeutender Schaden für den Rassen-
process durch die bewirkte Erzeugung vieler schlechten
Devarianten auf der Hand. Das heutige capitalistische
System ist also durchaus nicht mit den reinen rassen-
hygienischen Forderungen in Übereinstimmung, wie uns so
manche Darwinianer glauben machen wollen.

Fahren wir nun in dem Vergleich unserer heutigen
Zustände mit der rassenhygienischen Utopie fort. Wir sind
durch die Erwähnung der Ammon'schen Ausführungen
auf die Contraselection gekommen, und wollen diese weiter
verfolgen.

Contraselection. Grosse Städte.

Der bereits erwähnte Process, dass die Städte die
guten Convarianten aus dem Lande aufsaugen und sie in
sich vernichten, wird von vielen Beobachtern bestätigt.
Die Städte sammeln die Intelligenz und den Unternehmungs-
geist des Landes zu grossartigen Centren des geistigen
Lebens, um jedoch allmählich die gesammelten intelligenten
Geschlechter durch grössere Sterblichkeit und nicht ent-
sprechende Zunahme der Geburten in sich zu zerreiben.

Der bekannte englische Statistiker Ogle schrieb 1889:
"Idiotenthum und ebenso Taubstummheit treten häufiger
auf dem flachen Lande als unter der Arbeiterbevölkerung
der grossen Industriestädte auf. Ich kann diese merk-
würdige Thatsache nur damit erklären, dass die kräftigsten
Arbeiter des Landes jährlich in die Städte gehen und die

stehend, dass ein Theil der Armuth die ökonomische
Ausjäte repräsentirt, dass aber auch ein sehr beträchtlicher
Theil der Armuth die Folge nonselectorischer Einwirkungen
wie Krisen und anderer Erscheinungen des capitalistischen
Systems ist. Da dieser nonselectorische Theil dieselben
schlechten Folgen für die Gesundheit der betroffenen
Individuen und der von ihnen erzeugten Kinder hat, wie
der selectorische Theil der Armuth, so liegt im Gegensatz
zu letzterem sein bedeutender Schaden für den Rassen-
process durch die bewirkte Erzeugung vieler schlechten
Devarianten auf der Hand. Das heutige capitalistische
System ist also durchaus nicht mit den reinen rassen-
hygienischen Forderungen in Übereinstimmung, wie uns so
manche Darwinianer glauben machen wollen.

Fahren wir nun in dem Vergleich unserer heutigen
Zustände mit der rassenhygienischen Utopie fort. Wir sind
durch die Erwähnung der Ammon’schen Ausführungen
auf die Contraselection gekommen, und wollen diese weiter
verfolgen.

Contraselection. Grosse Städte.

Der bereits erwähnte Process, dass die Städte die
guten Convarianten aus dem Lande aufsaugen und sie in
sich vernichten, wird von vielen Beobachtern bestätigt.
Die Städte sammeln die Intelligenz und den Unternehmungs-
geist des Landes zu grossartigen Centren des geistigen
Lebens, um jedoch allmählich die gesammelten intelligenten
Geschlechter durch grössere Sterblichkeit und nicht ent-
sprechende Zunahme der Geburten in sich zu zerreiben.

Der bekannte englische Statistiker Ogle schrieb 1889:
„Idiotenthum und ebenso Taubstummheit treten häufiger
auf dem flachen Lande als unter der Arbeiterbevölkerung
der grossen Industriestädte auf. Ich kann diese merk-
würdige Thatsache nur damit erklären, dass die kräftigsten
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[183/0203] stehend, dass ein Theil der Armuth die ökonomische Ausjäte repräsentirt, dass aber auch ein sehr beträchtlicher Theil der Armuth die Folge nonselectorischer Einwirkungen wie Krisen und anderer Erscheinungen des capitalistischen Systems ist. Da dieser nonselectorische Theil dieselben schlechten Folgen für die Gesundheit der betroffenen Individuen und der von ihnen erzeugten Kinder hat, wie der selectorische Theil der Armuth, so liegt im Gegensatz zu letzterem sein bedeutender Schaden für den Rassen- process durch die bewirkte Erzeugung vieler schlechten Devarianten auf der Hand. Das heutige capitalistische System ist also durchaus nicht mit den reinen rassen- hygienischen Forderungen in Übereinstimmung, wie uns so manche Darwinianer glauben machen wollen. Fahren wir nun in dem Vergleich unserer heutigen Zustände mit der rassenhygienischen Utopie fort. Wir sind durch die Erwähnung der Ammon’schen Ausführungen auf die Contraselection gekommen, und wollen diese weiter verfolgen. Contraselection. Grosse Städte. Der bereits erwähnte Process, dass die Städte die guten Convarianten aus dem Lande aufsaugen und sie in sich vernichten, wird von vielen Beobachtern bestätigt. Die Städte sammeln die Intelligenz und den Unternehmungs- geist des Landes zu grossartigen Centren des geistigen Lebens, um jedoch allmählich die gesammelten intelligenten Geschlechter durch grössere Sterblichkeit und nicht ent- sprechende Zunahme der Geburten in sich zu zerreiben. Der bekannte englische Statistiker Ogle schrieb 1889: „Idiotenthum und ebenso Taubstummheit treten häufiger auf dem flachen Lande als unter der Arbeiterbevölkerung der grossen Industriestädte auf. Ich kann diese merk- würdige Thatsache nur damit erklären, dass die kräftigsten Arbeiter des Landes jährlich in die Städte gehen und die

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/203>, abgerufen am 21.11.2024.