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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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lichen Problems. Als wenn nicht gerade der Kampf um's
Dasein der Einzelnen und der Völker unter einander
der springende Punkt bei der ganzen Controverse wäre.
Auch Männer wie Ritchie*) und Stiebeling**) beruhi-
gen sich mit dieser Umwandelung des Kampfes. Nach
den obigen Ausführungen ist es nicht nöthig, diesen Punkt
näher zu besprechen, der angebliche Ausweg wird leicht
als Missverständniss der eigentlichen Frage erkannt, um so
mehr, als der erwartete Kampf der Gesammt-Menschheit
gegen die Natur durchaus nicht als echter darwinistischer
Extralkampf aufgefasst wird.

Andere, wie z. B. Broca***) und viele Socialisten,
empfehlen eine sorgsame Erziehung aller Individuen, eine
Ausbildung ihrer guten Anlagen durch Uebung, und hoffen
dann, dass nach den Anschauungen von Darwin, Haeckel,
Lamarck, Spencer
diese so erworbene stärkere Functions-
fähigkeit der Organe auf die Nachkommen als stärkere An-
lage vererbt und damit eine Vervollkommnung des mensch-
lichen Typus hervorgebracht werde. Dieser Vorschlag
steht und fällt mit der Entscheidung der Vorfrage: Sind
im Lauf des Individuallebens erworbene Eigenschaften ver-
erbbar oder nicht?

Wie wir bereits im ersten Capitel sahen, ist der heutige
Stand der wissenschaftlichen Forschung für die Beant-
wortung dieser Frage noch nicht reif.

Es stehen sich unter den Biologen zwei Parteien ziem-
lich schroff gegenber, so dass ein gänzlich Unparteiischer
auf eine befriedigende Lösung verzichten muss, wenn auch
mit schwerem Herzen. Denn was gäbe es hoffnungsvolleres

*) Ritchie, D. Darwinism and Politics. Humboldt Library
No. 125. New-York 1890.
**) Stiebeling, G. Sozialismus und Darwinismus. New-
York 1879.
***) Broca, Paul. Les selections. Revue d'Anthropologie.
1. Bd. Paris 1872. S. 707 u. 708.

lichen Problems. Als wenn nicht gerade der Kampf um’s
Dasein der Einzelnen und der Völker unter einander
der springende Punkt bei der ganzen Controverse wäre.
Auch Männer wie Ritchie*) und Stiebeling**) beruhi-
gen sich mit dieser Umwandelung des Kampfes. Nach
den obigen Ausführungen ist es nicht nöthig, diesen Punkt
näher zu besprechen, der angebliche Ausweg wird leicht
als Missverständniss der eigentlichen Frage erkannt, um so
mehr, als der erwartete Kampf der Gesammt-Menschheit
gegen die Natur durchaus nicht als echter darwinistischer
Extralkampf aufgefasst wird.

Andere, wie z. B. Broca***) und viele Socialisten,
empfehlen eine sorgsame Erziehung aller Individuen, eine
Ausbildung ihrer guten Anlagen durch Uebung, und hoffen
dann, dass nach den Anschauungen von Darwin, Haeckel,
Lamarck, Spencer
diese so erworbene stärkere Functions-
fähigkeit der Organe auf die Nachkommen als stärkere An-
lage vererbt und damit eine Vervollkommnung des mensch-
lichen Typus hervorgebracht werde. Dieser Vorschlag
steht und fällt mit der Entscheidung der Vorfrage: Sind
im Lauf des Individuallebens erworbene Eigenschaften ver-
erbbar oder nicht?

Wie wir bereits im ersten Capitel sahen, ist der heutige
Stand der wissenschaftlichen Forschung für die Beant-
wortung dieser Frage noch nicht reif.

Es stehen sich unter den Biologen zwei Parteien ziem-
lich schroff gegenber, so dass ein gänzlich Unparteiischer
auf eine befriedigende Lösung verzichten muss, wenn auch
mit schwerem Herzen. Denn was gäbe es hoffnungsvolleres

*) Ritchie, D. Darwinism and Politics. Humboldt Library
No. 125. New-York 1890.
**) Stiebeling, G. Sozialismus und Darwinismus. New-
York 1879.
***) Broca, Paul. Les sélections. Revue d’Anthropologie.
1. Bd. Paris 1872. S. 707 u. 708.
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[213/0233] lichen Problems. Als wenn nicht gerade der Kampf um’s Dasein der Einzelnen und der Völker unter einander der springende Punkt bei der ganzen Controverse wäre. Auch Männer wie Ritchie *) und Stiebeling **) beruhi- gen sich mit dieser Umwandelung des Kampfes. Nach den obigen Ausführungen ist es nicht nöthig, diesen Punkt näher zu besprechen, der angebliche Ausweg wird leicht als Missverständniss der eigentlichen Frage erkannt, um so mehr, als der erwartete Kampf der Gesammt-Menschheit gegen die Natur durchaus nicht als echter darwinistischer Extralkampf aufgefasst wird. Andere, wie z. B. Broca ***) und viele Socialisten, empfehlen eine sorgsame Erziehung aller Individuen, eine Ausbildung ihrer guten Anlagen durch Uebung, und hoffen dann, dass nach den Anschauungen von Darwin, Haeckel, Lamarck, Spencer diese so erworbene stärkere Functions- fähigkeit der Organe auf die Nachkommen als stärkere An- lage vererbt und damit eine Vervollkommnung des mensch- lichen Typus hervorgebracht werde. Dieser Vorschlag steht und fällt mit der Entscheidung der Vorfrage: Sind im Lauf des Individuallebens erworbene Eigenschaften ver- erbbar oder nicht? Wie wir bereits im ersten Capitel sahen, ist der heutige Stand der wissenschaftlichen Forschung für die Beant- wortung dieser Frage noch nicht reif. Es stehen sich unter den Biologen zwei Parteien ziem- lich schroff gegenber, so dass ein gänzlich Unparteiischer auf eine befriedigende Lösung verzichten muss, wenn auch mit schwerem Herzen. Denn was gäbe es hoffnungsvolleres *) Ritchie, D. Darwinism and Politics. Humboldt Library No. 125. New-York 1890. **) Stiebeling, G. Sozialismus und Darwinismus. New- York 1879. ***) Broca, Paul. Les sélections. Revue d’Anthropologie. 1. Bd. Paris 1872. S. 707 u. 708.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/233>, abgerufen am 24.11.2024.