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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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veranschaulicht, dass sehr verschiedene, grob sinnlich be-
grenzte Endmassen sogar aus gleichen Anfangsmassen ent-
stehen können, wenn nur die äusseren Einwirkungen ver-
schieden werden. Dies würde nur noch mehr zeigen, dass
wir an und für sich durch starke Verschiedenheit der
Individuen zweier Arten noch nicht gezwungen sind, den
gleichen Grad der Verschiedenheit bei den befruchteten
Eiern anzunehmen, aus denen sie entstehen.

Selbstverständlich will ich damit nicht sagen, dass
die Epigenese bei der Entwickelung des Individuums alles
und die Evolution nichts zu thun hätte.

Die Eier haben unzweifelhaft bereits eine ausserordent-
lich complicirte Zusammensetzung, und es handelt sich
nur um die Frage, wieviel beiden Factoren zuzuschreiben
ist, und ob durch zwingende Schlüsse die Epigenese auf
einen so völlig unbedeutenden Antheil beschränkt werden
muss, wie Weismann es zu Gunsten seiner Hypothese
thut.

Wir wollen durch diese Betrachtung nur verhindern,
dass wir ohne Weiteres, ehe es wirklich durch logische
Schlüsse aus einwandsfreien Thatsachen nöthig ist, den
Glauben daran verlieren und dadurch die Forscher-Arbeit
in der Richtung einstellen, dass wir die individuelle Ent-
wickelung besonders in ihren ersten Stadien auch in
ihren Anlagen beeinflussen lernen, was nicht nur für die
Entfaltung des einzelnen Individuums, sondern auch für
die Weiterentwickelung der Gattung von grossem Werth
wäre, im Fall sich die Vererbung erworbener Eigenschaf-
ten als möglich erweist.

Andrerseits muss auch wieder betont werden, dass
uns die denkbare Möglichkeit sowohl der stärkeren Beein-
flussung der Anlagen des werdenden Organismus in den
ersten Stadien der Entwickelung, als auch der Vererbung er-
worbener Eigenschaften noch nicht dazu veranlassen darf,
diese beiden Momente zu Gunsten einer grösseren Macht-

veranschaulicht, dass sehr verschiedene, grob sinnlich be-
grenzte Endmassen sogar aus gleichen Anfangsmassen ent-
stehen können, wenn nur die äusseren Einwirkungen ver-
schieden werden. Dies würde nur noch mehr zeigen, dass
wir an und für sich durch starke Verschiedenheit der
Individuen zweier Arten noch nicht gezwungen sind, den
gleichen Grad der Verschiedenheit bei den befruchteten
Eiern anzunehmen, aus denen sie entstehen.

Selbstverständlich will ich damit nicht sagen, dass
die Epigenese bei der Entwickelung des Individuums alles
und die Evolution nichts zu thun hätte.

Die Eier haben unzweifelhaft bereits eine ausserordent-
lich complicirte Zusammensetzung, und es handelt sich
nur um die Frage, wieviel beiden Factoren zuzuschreiben
ist, und ob durch zwingende Schlüsse die Epigenese auf
einen so völlig unbedeutenden Antheil beschränkt werden
muss, wie Weismann es zu Gunsten seiner Hypothese
thut.

Wir wollen durch diese Betrachtung nur verhindern,
dass wir ohne Weiteres, ehe es wirklich durch logische
Schlüsse aus einwandsfreien Thatsachen nöthig ist, den
Glauben daran verlieren und dadurch die Forscher-Arbeit
in der Richtung einstellen, dass wir die individuelle Ent-
wickelung besonders in ihren ersten Stadien auch in
ihren Anlagen beeinflussen lernen, was nicht nur für die
Entfaltung des einzelnen Individuums, sondern auch für
die Weiterentwickelung der Gattung von grossem Werth
wäre, im Fall sich die Vererbung erworbener Eigenschaf-
ten als möglich erweist.

Andrerseits muss auch wieder betont werden, dass
uns die denkbare Möglichkeit sowohl der stärkeren Beein-
flussung der Anlagen des werdenden Organismus in den
ersten Stadien der Entwickelung, als auch der Vererbung er-
worbener Eigenschaften noch nicht dazu veranlassen darf,
diese beiden Momente zu Gunsten einer grösseren Macht-

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[30/0050] veranschaulicht, dass sehr verschiedene, grob sinnlich be- grenzte Endmassen sogar aus gleichen Anfangsmassen ent- stehen können, wenn nur die äusseren Einwirkungen ver- schieden werden. Dies würde nur noch mehr zeigen, dass wir an und für sich durch starke Verschiedenheit der Individuen zweier Arten noch nicht gezwungen sind, den gleichen Grad der Verschiedenheit bei den befruchteten Eiern anzunehmen, aus denen sie entstehen. Selbstverständlich will ich damit nicht sagen, dass die Epigenese bei der Entwickelung des Individuums alles und die Evolution nichts zu thun hätte. Die Eier haben unzweifelhaft bereits eine ausserordent- lich complicirte Zusammensetzung, und es handelt sich nur um die Frage, wieviel beiden Factoren zuzuschreiben ist, und ob durch zwingende Schlüsse die Epigenese auf einen so völlig unbedeutenden Antheil beschränkt werden muss, wie Weismann es zu Gunsten seiner Hypothese thut. Wir wollen durch diese Betrachtung nur verhindern, dass wir ohne Weiteres, ehe es wirklich durch logische Schlüsse aus einwandsfreien Thatsachen nöthig ist, den Glauben daran verlieren und dadurch die Forscher-Arbeit in der Richtung einstellen, dass wir die individuelle Ent- wickelung besonders in ihren ersten Stadien auch in ihren Anlagen beeinflussen lernen, was nicht nur für die Entfaltung des einzelnen Individuums, sondern auch für die Weiterentwickelung der Gattung von grossem Werth wäre, im Fall sich die Vererbung erworbener Eigenschaf- ten als möglich erweist. Andrerseits muss auch wieder betont werden, dass uns die denkbare Möglichkeit sowohl der stärkeren Beein- flussung der Anlagen des werdenden Organismus in den ersten Stadien der Entwickelung, als auch der Vererbung er- worbener Eigenschaften noch nicht dazu veranlassen darf, diese beiden Momente zu Gunsten einer grösseren Macht-

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/50>, abgerufen am 09.11.2024.