Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859.Verwandlung. Gemach im Schloß Rosenthal. Bertha (liest.) Anna (stickt.) Anna. Du liest dir noch die Augen heraus; das ewige Lesen! Es kann dir nicht gut sein! Bertha. Schwester, laß mich! Es gibt nichts Schöneres, Reizenderes als die alten Ritterromane. Ach! wenn mich nur so ein Ritter entführen wollte! Denke dir eine schauerliche Mondnacht; Sturmgeheul ringsum, der Ritter reitet heimlich unter mein Fenster; er wirft eine Strickleiter herauf, holt mich herab, setzt mich auf seinen schäumenden Rappen hinter sich; ich klammere mich fest an ihn und wir jagen fort, fort -- -- Anna. Fort, fort -- -- und was hernach? das Ende vom Liede, daß die Entführte unglücklich würde. Bertha. Schwester, du hast keinen romantischen Sinn, du kennst nur Küche und Keller. Anna. Warum hast du die Werbung des edlen Hugo von Hohenfels von dir gewiesen? Verwandlung. Gemach im Schloß Roſenthal. Bertha (liest.) Anna (ſtickt.) Anna. Du liest dir noch die Augen heraus; das ewige Leſen! Es kann dir nicht gut ſein! Bertha. Schweſter, laß mich! Es gibt nichts Schöneres, Reizenderes als die alten Ritterromane. Ach! wenn mich nur ſo ein Ritter entführen wollte! Denke dir eine ſchauerliche Mondnacht; Sturmgeheul ringsum, der Ritter reitet heimlich unter mein Fenſter; er wirft eine Strickleiter herauf, holt mich herab, ſetzt mich auf ſeinen ſchäumenden Rappen hinter ſich; ich klammere mich feſt an ihn und wir jagen fort, fort — — Anna. Fort, fort — — und was hernach? das Ende vom Liede, daß die Entführte unglücklich würde. Bertha. Schweſter, du haſt keinen romantiſchen Sinn, du kennſt nur Küche und Keller. Anna. Warum haſt du die Werbung des edlen Hugo von Hohenfels von dir gewieſen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0157" n="151"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Verwandlung.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Gemach im Schloß Roſenthal.</hi> </hi> </p><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Bertha</hi> (liest.) <hi rendition="#g">Anna</hi> (ſtickt.)</hi> </stage><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker> <hi rendition="#c">Anna.</hi> </speaker><lb/> <p>Du liest dir noch die Augen heraus; das ewige<lb/> Leſen! Es kann dir nicht gut ſein!</p> </sp><lb/> <sp who="#BER"> <speaker> <hi rendition="#c">Bertha.</hi> </speaker><lb/> <p>Schweſter, laß mich! Es gibt nichts Schöneres,<lb/> Reizenderes als die alten Ritterromane. Ach! wenn<lb/> mich nur ſo ein Ritter entführen wollte! Denke dir<lb/> eine ſchauerliche Mondnacht; Sturmgeheul ringsum,<lb/> der Ritter reitet heimlich unter mein Fenſter; er<lb/> wirft eine Strickleiter herauf, holt mich herab, ſetzt<lb/> mich auf ſeinen ſchäumenden Rappen hinter ſich;<lb/> ich klammere mich feſt an ihn und wir jagen fort,<lb/> fort — —</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker> <hi rendition="#c">Anna.</hi> </speaker><lb/> <p>Fort, fort — — und was hernach? das Ende<lb/> vom Liede, daß die Entführte unglücklich würde.</p> </sp><lb/> <sp who="#BER"> <speaker> <hi rendition="#c">Bertha.</hi> </speaker><lb/> <p>Schweſter, du haſt keinen romantiſchen Sinn,<lb/> du kennſt nur Küche und Keller.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker> <hi rendition="#c">Anna.</hi> </speaker><lb/> <p>Warum haſt du die Werbung des edlen Hugo<lb/> von Hohenfels von dir gewieſen?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0157]
Verwandlung.
Gemach im Schloß Roſenthal.
Bertha (liest.) Anna (ſtickt.)
Anna.
Du liest dir noch die Augen heraus; das ewige
Leſen! Es kann dir nicht gut ſein!
Bertha.
Schweſter, laß mich! Es gibt nichts Schöneres,
Reizenderes als die alten Ritterromane. Ach! wenn
mich nur ſo ein Ritter entführen wollte! Denke dir
eine ſchauerliche Mondnacht; Sturmgeheul ringsum,
der Ritter reitet heimlich unter mein Fenſter; er
wirft eine Strickleiter herauf, holt mich herab, ſetzt
mich auf ſeinen ſchäumenden Rappen hinter ſich;
ich klammere mich feſt an ihn und wir jagen fort,
fort — —
Anna.
Fort, fort — — und was hernach? das Ende
vom Liede, daß die Entführte unglücklich würde.
Bertha.
Schweſter, du haſt keinen romantiſchen Sinn,
du kennſt nur Küche und Keller.
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