Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859.
Seit Göthe seine Jphigenia schrieb? Der Dichter soll nach Realistik greifen Und auf culturhistor'schem Felde schweifen. Woher dieß nehmen, da die Phantasie, Gewohnt in duftigen Räumen aufzuschweben, Nicht gern den Pegasus zur Erde senkt Und lieber ihn durch lichte Höhen lenkt? Jhr Musen und ihr Nymphen dieses Haines, Die ihr im Abendgolde über Wiesen schwebt, Helft, wenn ihr je den euern mich genannt, Wenn ihr mich je als Dichter habt erkannt! (Ab.) Christoph. Da geht er wieder! Wenn es aber so fort geht, so geht mir die Geduld aus, und ich werde aus dem Dienst gehen. Wär er mir nicht den Lohn seit zwei Jahren schuldig, so wäre ich schon längst wieder mein eigener Herr und könnte mich auf mich selbst verlassen; allein besagter Umstand versetzt mich in die Nothwendigkeit, als ein lebendiges Schulden- register ihm auf allen Schritten zu folgen und mich an seinen poetischen Brocken zu nähren, die er hie und da fallen läßt. Nun will ich unter einem schat- tigen Busche meinen alten Freund den Schlaf su- chen, damit er mir meinen Erzfeind den Hunger
Seit Göthe ſeine Jphigenia ſchrieb? Der Dichter ſoll nach Realiſtik greifen Und auf culturhiſtor’ſchem Felde ſchweifen. Woher dieß nehmen, da die Phantaſie, Gewohnt in duftigen Räumen aufzuſchweben, Nicht gern den Pegaſus zur Erde ſenkt Und lieber ihn durch lichte Höhen lenkt? Jhr Muſen und ihr Nymphen dieſes Haines, Die ihr im Abendgolde über Wieſen ſchwebt, Helft, wenn ihr je den euern mich genannt, Wenn ihr mich je als Dichter habt erkannt! (Ab.) Chriſtoph. Da geht er wieder! Wenn es aber ſo fort geht, ſo geht mir die Geduld aus, und ich werde aus dem Dienſt gehen. Wär er mir nicht den Lohn ſeit zwei Jahren ſchuldig, ſo wäre ich ſchon längſt wieder mein eigener Herr und könnte mich auf mich ſelbſt verlaſſen; allein beſagter Umſtand verſetzt mich in die Nothwendigkeit, als ein lebendiges Schulden- regiſter ihm auf allen Schritten zu folgen und mich an ſeinen poetiſchen Brocken zu nähren, die er hie und da fallen läßt. Nun will ich unter einem ſchat- tigen Buſche meinen alten Freund den Schlaf ſu- chen, damit er mir meinen Erzfeind den Hunger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#LAU"> <p><pb facs="#f0220" n="214"/> Seit Göthe ſeine Jphigenia ſchrieb?<lb/> Der Dichter ſoll nach Realiſtik greifen<lb/> Und auf culturhiſtor’ſchem Felde ſchweifen.<lb/> Woher dieß nehmen, da die Phantaſie,<lb/> Gewohnt in duftigen Räumen aufzuſchweben,<lb/> Nicht gern den Pegaſus zur Erde ſenkt<lb/> Und lieber ihn durch lichte Höhen lenkt?<lb/> Jhr Muſen und ihr Nymphen dieſes Haines,<lb/> Die ihr im Abendgolde über Wieſen ſchwebt,<lb/> Helft, wenn ihr je den euern mich genannt,<lb/> Wenn ihr mich je als Dichter habt erkannt!</p> <stage>(Ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#c">Chriſtoph.</hi> </speaker><lb/> <p>Da geht er wieder! Wenn es aber ſo fort geht,<lb/> ſo geht mir die Geduld aus, und ich werde aus<lb/> dem Dienſt gehen. Wär er mir nicht den Lohn<lb/> ſeit zwei Jahren ſchuldig, ſo wäre ich ſchon längſt<lb/> wieder mein eigener Herr und könnte mich auf mich<lb/> ſelbſt verlaſſen; allein beſagter Umſtand verſetzt mich<lb/> in die Nothwendigkeit, als ein lebendiges Schulden-<lb/> regiſter ihm auf allen Schritten zu folgen und mich<lb/> an ſeinen poetiſchen Brocken zu nähren, die er hie<lb/> und da fallen läßt. Nun will ich unter einem ſchat-<lb/> tigen Buſche meinen alten Freund den Schlaf ſu-<lb/> chen, damit er mir meinen Erzfeind den Hunger<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0220]
Seit Göthe ſeine Jphigenia ſchrieb?
Der Dichter ſoll nach Realiſtik greifen
Und auf culturhiſtor’ſchem Felde ſchweifen.
Woher dieß nehmen, da die Phantaſie,
Gewohnt in duftigen Räumen aufzuſchweben,
Nicht gern den Pegaſus zur Erde ſenkt
Und lieber ihn durch lichte Höhen lenkt?
Jhr Muſen und ihr Nymphen dieſes Haines,
Die ihr im Abendgolde über Wieſen ſchwebt,
Helft, wenn ihr je den euern mich genannt,
Wenn ihr mich je als Dichter habt erkannt! (Ab.)
Chriſtoph.
Da geht er wieder! Wenn es aber ſo fort geht,
ſo geht mir die Geduld aus, und ich werde aus
dem Dienſt gehen. Wär er mir nicht den Lohn
ſeit zwei Jahren ſchuldig, ſo wäre ich ſchon längſt
wieder mein eigener Herr und könnte mich auf mich
ſelbſt verlaſſen; allein beſagter Umſtand verſetzt mich
in die Nothwendigkeit, als ein lebendiges Schulden-
regiſter ihm auf allen Schritten zu folgen und mich
an ſeinen poetiſchen Brocken zu nähren, die er hie
und da fallen läßt. Nun will ich unter einem ſchat-
tigen Buſche meinen alten Freund den Schlaf ſu-
chen, damit er mir meinen Erzfeind den Hunger
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