Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861. Todtengräber. Das müßt ihr mir näher expliciren. Unser Herrgott stößt keinen Menschen aus dem Leben hin- aus so mir nichts dir nichts! -- Kommt -- nehmt Vernunft an! Glaubt dem Todtengräber, der nur mit dem Tode zu thun hat. Aus den starren Ge- sichtern der Menschen, die ich da eingrabe, habe ich schon viel gelesen und hab gar Manches ge- lernt, wenn ich auch ein schlichter alter Mann bin, der nicht studirt hat. Kommt mit mir, ich bitt euch! Schreiber. Jch bin verlassen, ich bin unglücklich! Du woll- test mich retten? Todtengräber. Wenn Einer in's Wasser gefallen, kann er sich an einem schwachen Brettlein halten. Schreiber. Wahrhaftig! du hast mir meine Besinnung wieder gegeben! Es ist wahr: der Mensch soll nie verzweifeln. Todtengräber. Aha! kömmt die Vernunft wieder? Jhr hattet sie zu Haus gelassen. Geht mit mir in meine armselige Hütte. Wartet ein bischen ab, was der liebe Herrgott mit euch vor hat. Todtengräber. Das müßt ihr mir näher expliciren. Unſer Herrgott ſtößt keinen Menſchen aus dem Leben hin- aus ſo mir nichts dir nichts! — Kommt — nehmt Vernunft an! Glaubt dem Todtengräber, der nur mit dem Tode zu thun hat. Aus den ſtarren Ge- ſichtern der Menſchen, die ich da eingrabe, habe ich ſchon viel geleſen und hab gar Manches ge- lernt, wenn ich auch ein ſchlichter alter Mann bin, der nicht ſtudirt hat. Kommt mit mir, ich bitt euch! Schreiber. Jch bin verlaſſen, ich bin unglücklich! Du woll- teſt mich retten? Todtengräber. Wenn Einer in’s Waſſer gefallen, kann er ſich an einem ſchwachen Brettlein halten. Schreiber. Wahrhaftig! du haſt mir meine Beſinnung wieder gegeben! Es iſt wahr: der Menſch ſoll nie verzweifeln. Todtengräber. Aha! kömmt die Vernunft wieder? Jhr hattet ſie zu Haus gelaſſen. Geht mit mir in meine armſelige Hütte. Wartet ein bischen ab, was der liebe Herrgott mit euch vor hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0067" n="47"/> <sp who="#TOD"> <speaker> <hi rendition="#c">Todtengräber.</hi> </speaker><lb/> <p>Das müßt ihr mir näher expliciren. Unſer<lb/> Herrgott ſtößt keinen Menſchen aus dem Leben hin-<lb/> aus ſo mir nichts dir nichts! — Kommt — nehmt<lb/> Vernunft an! Glaubt dem Todtengräber, der nur<lb/> mit dem Tode zu thun hat. Aus den ſtarren Ge-<lb/> ſichtern der Menſchen, die ich da eingrabe, habe<lb/> ich ſchon viel geleſen und hab gar Manches ge-<lb/> lernt, wenn ich auch ein ſchlichter alter Mann bin,<lb/> der nicht ſtudirt hat. Kommt mit mir, ich bitt euch!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHR"> <speaker> <hi rendition="#c">Schreiber.</hi> </speaker><lb/> <p>Jch bin verlaſſen, ich bin unglücklich! Du woll-<lb/> teſt mich retten?</p> </sp><lb/> <sp who="#TOD"> <speaker> <hi rendition="#c">Todtengräber.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn Einer in’s Waſſer gefallen, kann er ſich<lb/> an einem ſchwachen Brettlein halten.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHR"> <speaker> <hi rendition="#c">Schreiber.</hi> </speaker><lb/> <p>Wahrhaftig! du haſt mir meine Beſinnung<lb/> wieder gegeben! Es iſt wahr: der Menſch ſoll nie<lb/> verzweifeln.</p> </sp><lb/> <sp who="#TOD"> <speaker> <hi rendition="#c">Todtengräber.</hi> </speaker><lb/> <p>Aha! kömmt die Vernunft wieder? Jhr hattet<lb/> ſie zu Haus gelaſſen. Geht mit mir in meine<lb/> armſelige Hütte. Wartet ein bischen ab, was der<lb/> liebe Herrgott mit euch vor hat.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0067]
Todtengräber.
Das müßt ihr mir näher expliciren. Unſer
Herrgott ſtößt keinen Menſchen aus dem Leben hin-
aus ſo mir nichts dir nichts! — Kommt — nehmt
Vernunft an! Glaubt dem Todtengräber, der nur
mit dem Tode zu thun hat. Aus den ſtarren Ge-
ſichtern der Menſchen, die ich da eingrabe, habe
ich ſchon viel geleſen und hab gar Manches ge-
lernt, wenn ich auch ein ſchlichter alter Mann bin,
der nicht ſtudirt hat. Kommt mit mir, ich bitt euch!
Schreiber.
Jch bin verlaſſen, ich bin unglücklich! Du woll-
teſt mich retten?
Todtengräber.
Wenn Einer in’s Waſſer gefallen, kann er ſich
an einem ſchwachen Brettlein halten.
Schreiber.
Wahrhaftig! du haſt mir meine Beſinnung
wieder gegeben! Es iſt wahr: der Menſch ſoll nie
verzweifeln.
Todtengräber.
Aha! kömmt die Vernunft wieder? Jhr hattet
ſie zu Haus gelaſſen. Geht mit mir in meine
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