Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 3. München, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
läßt uns nicht transcendental umherschweifen. Wir
bleiben an und in dem Gegenstande! Das Reale
täuscht nicht und während der Jdealismus in der
Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Realisten den
Andeutungen des Seciermessers oder des Micros-
copes. Allein selbst diese Mittel zur Forschung
genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine
unablässigen Studien dahin gelangt zu ergründen,
daß die Summe aller wissenschaftlichen Forschungen
im Betreffe des menschlichen Körpers nur darin
gefunden werden kann, wenn man den Menschen
selbst ißt, insoferne dadurch die Jncorporation und
Amalgamirung der realen Essenz am deutlichsten und
auf einfachstem chemischem Reductionswege bewerk-
stelligt wird. -- Aber sieh' da! ich vergesse mich in
meinen Betrachtungen -- der Wein hat wohlthätig
auf meine Organe gewirkt -- ich fühle, wie ich all-
mählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung
des Getränkes, -- meine Sinne wurden sanft be-
rührt und neigen sich der stagnirenden Tendenz des
Fluidums, --
(er schläft allmählig ein, indem er auf den Boden
sinkt.)
ich fühle -- ich empfinde -- ich -- ich --
o Wissen -- schaft -- -- --

(Er ist eingeschlafen und schnarckt.)
läßt uns nicht transcendental umherſchweifen. Wir
bleiben an und in dem Gegenſtande! Das Reale
täuſcht nicht und während der Jdealismus in der
Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Realiſten den
Andeutungen des Seciermeſſers oder des Micros-
copes. Allein ſelbſt dieſe Mittel zur Forſchung
genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine
unabläſſigen Studien dahin gelangt zu ergründen,
daß die Summe aller wiſſenſchaftlichen Forſchungen
im Betreffe des menſchlichen Körpers nur darin
gefunden werden kann, wenn man den Menſchen
ſelbſt ißt, inſoferne dadurch die Jncorporation und
Amalgamirung der realen Eſſenz am deutlichſten und
auf einfachſtem chemiſchem Reductionswege bewerk-
ſtelligt wird. — Aber ſieh’ da! ich vergeſſe mich in
meinen Betrachtungen — der Wein hat wohlthätig
auf meine Organe gewirkt — ich fühle, wie ich all-
mählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung
des Getränkes, — meine Sinne wurden ſanft be-
rührt und neigen ſich der ſtagnirenden Tendenz des
Fluidums, —
(er ſchläft allmählig ein, indem er auf den Boden
ſinkt.)
ich fühle — ich empfinde — ich — ich —
o Wiſſen — ſchaft — — —

(Er iſt eingeſchlafen und ſchnarckt.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FLE">
            <p><pb facs="#f0032" n="28"/>
läßt uns nicht transcendental umher&#x017F;chweifen. Wir<lb/>
bleiben <hi rendition="#g">an</hi> und <hi rendition="#g">in</hi> dem Gegen&#x017F;tande! Das <hi rendition="#g">Reale</hi><lb/>
täu&#x017F;cht nicht und während der <hi rendition="#g">Jdealismus</hi> in der<lb/>
Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Reali&#x017F;ten den<lb/>
Andeutungen des Secierme&#x017F;&#x017F;ers oder des Micros-<lb/>
copes. Allein &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">die&#x017F;e</hi> Mittel zur For&#x017F;chung<lb/>
genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine<lb/>
unablä&#x017F;&#x017F;igen Studien dahin gelangt zu ergründen,<lb/>
daß die Summe aller wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen For&#x017F;chungen<lb/>
im Betreffe des men&#x017F;chlichen Körpers nur <hi rendition="#g">darin</hi><lb/>
gefunden werden kann, wenn man den <hi rendition="#g">Men&#x017F;chen</hi><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ißt, in&#x017F;oferne dadurch die Jncorporation und<lb/>
Amalgamirung der realen E&#x017F;&#x017F;enz am deutlich&#x017F;ten und<lb/>
auf einfach&#x017F;tem chemi&#x017F;chem Reductionswege bewerk-<lb/>
&#x017F;telligt wird. &#x2014; Aber &#x017F;ieh&#x2019; da! ich verge&#x017F;&#x017F;e mich in<lb/>
meinen Betrachtungen &#x2014; der Wein hat wohlthätig<lb/>
auf meine Organe gewirkt &#x2014; ich fühle, wie ich all-<lb/>
mählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung<lb/>
des Getränkes, &#x2014; meine Sinne wurden &#x017F;anft be-<lb/>
rührt und neigen &#x017F;ich der &#x017F;tagnirenden Tendenz des<lb/>
Fluidums, &#x2014;</p>
            <stage>(er &#x017F;chläft allmählig ein, indem er auf den Boden<lb/>
&#x017F;inkt.)</stage>
            <p>ich fühle &#x2014; ich empfinde &#x2014; ich &#x2014; ich &#x2014;<lb/>
o Wi&#x017F;&#x017F;en &#x2014; &#x017F;chaft &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
            <stage> <hi rendition="#c">(Er i&#x017F;t einge&#x017F;chlafen und &#x017F;chnarckt.)</hi> </stage>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0032] läßt uns nicht transcendental umherſchweifen. Wir bleiben an und in dem Gegenſtande! Das Reale täuſcht nicht und während der Jdealismus in der Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Realiſten den Andeutungen des Seciermeſſers oder des Micros- copes. Allein ſelbſt dieſe Mittel zur Forſchung genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine unabläſſigen Studien dahin gelangt zu ergründen, daß die Summe aller wiſſenſchaftlichen Forſchungen im Betreffe des menſchlichen Körpers nur darin gefunden werden kann, wenn man den Menſchen ſelbſt ißt, inſoferne dadurch die Jncorporation und Amalgamirung der realen Eſſenz am deutlichſten und auf einfachſtem chemiſchem Reductionswege bewerk- ſtelligt wird. — Aber ſieh’ da! ich vergeſſe mich in meinen Betrachtungen — der Wein hat wohlthätig auf meine Organe gewirkt — ich fühle, wie ich all- mählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung des Getränkes, — meine Sinne wurden ſanft be- rührt und neigen ſich der ſtagnirenden Tendenz des Fluidums, — (er ſchläft allmählig ein, indem er auf den Boden ſinkt.) ich fühle — ich empfinde — ich — ich — o Wiſſen — ſchaft — — — (Er iſt eingeſchlafen und ſchnarckt.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein03_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein03_1869/32
Zitationshilfe: Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 3. München, 1869, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein03_1869/32>, abgerufen am 21.11.2024.