Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_177.001
det
wird (nach demselben Verhältnisse, in welchem ppo_177.002
die Oper, in der dramatischen Form der Dichtkunst, ppo_177.003
zu den übrigen Gattungen und Arten des Drama ppo_177.004
sich ankündigt); so muß auch der Dichter dem ppo_177.005
Tonkünstler vorarbeiten.
Er darf daher die ppo_177.006
tonkünstlerische Behandlung weder bei der Wahl des ppo_177.007
Stoffes und des Metrums, noch bei dem Wechsel ppo_177.008
und der Aufeinanderfolge der einzelnen Recitative, ppo_177.009
Arien und Chöre, ja selbst nicht bei der Anwendung ppo_177.010
und Stellung der einzelnen Vocale aus dem ppo_177.011
Auge verlieren. Daraus folgt für die technische ppo_177.012
und ästhetische Gestaltung der Cantate, daß der Dichter ppo_177.013
und Tonkünstler auf halbem Wege sich begegnen ppo_177.014
müssen; daß aber auch der Dichter der Cantate die ppo_177.015
Grundsätze der Tonkunst verstehen und sich aneignen, ppo_177.016
so wie der Tonkünstler der dichterischen Begeisterung ppo_177.017
zu folgen im Stande seyn soll.

ppo_177.018

Dem Stoffe nach, den die Cantaten behandeln, ppo_177.019
sind sie entweder religiöse oder weltliche. Die ppo_177.020
religiösen Cantaten versinnlichen, unter der vollendeten ppo_177.021
Einheit einer ästhetischen Form, bald die Eigenschaften ppo_177.022
und die Größe Gottes, die Verhältnisse, ppo_177.023
in welchen er zu uns stehet, und in welchen wir zu ppo_177.024
ihm stehen; bald die Tugenden, zu denen wir berufen ppo_177.025
sind, so wie die Verirrungen, durch welche ppo_177.026
wir uns von dem Ziele unsers Daseyns entfernen; ppo_177.027
bald den dunkeln und wundervollen Gang der menschlichen ppo_177.028
Schicksale auf Erden; bald die Unsterblichkeit ppo_177.029
und Vergeltung, die uns jenseits des Grabes erwartet; ppo_177.030
bald aber auch die Thatsachen und Lehren der ppo_177.031
jüdischen und christlichen Religion nach ihrem ganzen ppo_177.032
Umfange. (Dahin gehören viele treffliche Oratoria in ppo_177.033
teutscher Sprache: z. B. Ramlers Tod Jesu; die ppo_177.034
Auferstehung und Himmelfahrt; die Hirten bei der

ppo_177.001
det
wird (nach demselben Verhältnisse, in welchem ppo_177.002
die Oper, in der dramatischen Form der Dichtkunst, ppo_177.003
zu den übrigen Gattungen und Arten des Drama ppo_177.004
sich ankündigt); so muß auch der Dichter dem ppo_177.005
Tonkünstler vorarbeiten.
Er darf daher die ppo_177.006
tonkünstlerische Behandlung weder bei der Wahl des ppo_177.007
Stoffes und des Metrums, noch bei dem Wechsel ppo_177.008
und der Aufeinanderfolge der einzelnen Recitative, ppo_177.009
Arien und Chöre, ja selbst nicht bei der Anwendung ppo_177.010
und Stellung der einzelnen Vocale aus dem ppo_177.011
Auge verlieren. Daraus folgt für die technische ppo_177.012
und ästhetische Gestaltung der Cantate, daß der Dichter ppo_177.013
und Tonkünstler auf halbem Wege sich begegnen ppo_177.014
müssen; daß aber auch der Dichter der Cantate die ppo_177.015
Grundsätze der Tonkunst verstehen und sich aneignen, ppo_177.016
so wie der Tonkünstler der dichterischen Begeisterung ppo_177.017
zu folgen im Stande seyn soll.

ppo_177.018

Dem Stoffe nach, den die Cantaten behandeln, ppo_177.019
sind sie entweder religiöse oder weltliche. Die ppo_177.020
religiösen Cantaten versinnlichen, unter der vollendeten ppo_177.021
Einheit einer ästhetischen Form, bald die Eigenschaften ppo_177.022
und die Größe Gottes, die Verhältnisse, ppo_177.023
in welchen er zu uns stehet, und in welchen wir zu ppo_177.024
ihm stehen; bald die Tugenden, zu denen wir berufen ppo_177.025
sind, so wie die Verirrungen, durch welche ppo_177.026
wir uns von dem Ziele unsers Daseyns entfernen; ppo_177.027
bald den dunkeln und wundervollen Gang der menschlichen ppo_177.028
Schicksale auf Erden; bald die Unsterblichkeit ppo_177.029
und Vergeltung, die uns jenseits des Grabes erwartet; ppo_177.030
bald aber auch die Thatsachen und Lehren der ppo_177.031
jüdischen und christlichen Religion nach ihrem ganzen ppo_177.032
Umfange. (Dahin gehören viele treffliche Oratoria in ppo_177.033
teutscher Sprache: z. B. Ramlers Tod Jesu; die ppo_177.034
Auferstehung und Himmelfahrt; die Hirten bei der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0189" n="177"/><lb n="ppo_177.001"/>det</hi> wird (nach demselben Verhältnisse, in welchem <lb n="ppo_177.002"/>die <hi rendition="#g">Oper,</hi> in der dramatischen Form der Dichtkunst, <lb n="ppo_177.003"/>zu den übrigen Gattungen und Arten des Drama <lb n="ppo_177.004"/>sich ankündigt); so muß auch der Dichter <hi rendition="#g">dem <lb n="ppo_177.005"/>Tonkünstler vorarbeiten.</hi> Er darf daher die <lb n="ppo_177.006"/>tonkünstlerische Behandlung weder bei der Wahl des <lb n="ppo_177.007"/>Stoffes und des Metrums, noch bei dem Wechsel <lb n="ppo_177.008"/>und der Aufeinanderfolge der einzelnen Recitative, <lb n="ppo_177.009"/>Arien und Chöre, ja selbst nicht bei der Anwendung <lb n="ppo_177.010"/>und Stellung der einzelnen Vocale aus dem <lb n="ppo_177.011"/>Auge verlieren. Daraus folgt für die technische <lb n="ppo_177.012"/>und ästhetische Gestaltung der Cantate, daß der Dichter <lb n="ppo_177.013"/>und Tonkünstler auf halbem Wege sich begegnen <lb n="ppo_177.014"/>müssen; daß aber auch der Dichter der Cantate die <lb n="ppo_177.015"/>Grundsätze der Tonkunst verstehen und sich aneignen, <lb n="ppo_177.016"/>so wie der Tonkünstler der dichterischen Begeisterung <lb n="ppo_177.017"/>zu folgen im Stande seyn soll.</p>
          <lb n="ppo_177.018"/>
          <p>  Dem Stoffe nach, den die Cantaten behandeln, <lb n="ppo_177.019"/>sind sie entweder <hi rendition="#g">religiöse</hi> oder <hi rendition="#g">weltliche.</hi> Die <lb n="ppo_177.020"/><hi rendition="#g">religiösen</hi> Cantaten versinnlichen, unter der vollendeten <lb n="ppo_177.021"/>Einheit einer ästhetischen Form, bald die Eigenschaften <lb n="ppo_177.022"/>und die Größe Gottes, die Verhältnisse, <lb n="ppo_177.023"/>in welchen er zu uns stehet, und in welchen wir zu <lb n="ppo_177.024"/>ihm stehen; bald die Tugenden, zu denen wir berufen <lb n="ppo_177.025"/>sind, so wie die Verirrungen, durch welche <lb n="ppo_177.026"/>wir uns von dem Ziele unsers Daseyns entfernen; <lb n="ppo_177.027"/>bald den dunkeln und wundervollen Gang der menschlichen <lb n="ppo_177.028"/>Schicksale auf Erden; bald die Unsterblichkeit <lb n="ppo_177.029"/>und Vergeltung, die uns jenseits des Grabes erwartet; <lb n="ppo_177.030"/>bald aber auch die Thatsachen und Lehren der <lb n="ppo_177.031"/>jüdischen und christlichen Religion nach ihrem ganzen <lb n="ppo_177.032"/>Umfange. (Dahin gehören viele treffliche Oratoria in <lb n="ppo_177.033"/>teutscher Sprache: z. B. <hi rendition="#g">Ramlers</hi> Tod Jesu; die <lb n="ppo_177.034"/>Auferstehung und Himmelfahrt; die Hirten bei der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0189] ppo_177.001 det wird (nach demselben Verhältnisse, in welchem ppo_177.002 die Oper, in der dramatischen Form der Dichtkunst, ppo_177.003 zu den übrigen Gattungen und Arten des Drama ppo_177.004 sich ankündigt); so muß auch der Dichter dem ppo_177.005 Tonkünstler vorarbeiten. Er darf daher die ppo_177.006 tonkünstlerische Behandlung weder bei der Wahl des ppo_177.007 Stoffes und des Metrums, noch bei dem Wechsel ppo_177.008 und der Aufeinanderfolge der einzelnen Recitative, ppo_177.009 Arien und Chöre, ja selbst nicht bei der Anwendung ppo_177.010 und Stellung der einzelnen Vocale aus dem ppo_177.011 Auge verlieren. Daraus folgt für die technische ppo_177.012 und ästhetische Gestaltung der Cantate, daß der Dichter ppo_177.013 und Tonkünstler auf halbem Wege sich begegnen ppo_177.014 müssen; daß aber auch der Dichter der Cantate die ppo_177.015 Grundsätze der Tonkunst verstehen und sich aneignen, ppo_177.016 so wie der Tonkünstler der dichterischen Begeisterung ppo_177.017 zu folgen im Stande seyn soll. ppo_177.018 Dem Stoffe nach, den die Cantaten behandeln, ppo_177.019 sind sie entweder religiöse oder weltliche. Die ppo_177.020 religiösen Cantaten versinnlichen, unter der vollendeten ppo_177.021 Einheit einer ästhetischen Form, bald die Eigenschaften ppo_177.022 und die Größe Gottes, die Verhältnisse, ppo_177.023 in welchen er zu uns stehet, und in welchen wir zu ppo_177.024 ihm stehen; bald die Tugenden, zu denen wir berufen ppo_177.025 sind, so wie die Verirrungen, durch welche ppo_177.026 wir uns von dem Ziele unsers Daseyns entfernen; ppo_177.027 bald den dunkeln und wundervollen Gang der menschlichen ppo_177.028 Schicksale auf Erden; bald die Unsterblichkeit ppo_177.029 und Vergeltung, die uns jenseits des Grabes erwartet; ppo_177.030 bald aber auch die Thatsachen und Lehren der ppo_177.031 jüdischen und christlichen Religion nach ihrem ganzen ppo_177.032 Umfange. (Dahin gehören viele treffliche Oratoria in ppo_177.033 teutscher Sprache: z. B. Ramlers Tod Jesu; die ppo_177.034 Auferstehung und Himmelfahrt; die Hirten bei der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/189
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/189>, abgerufen am 24.11.2024.