Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_465.001
über dem Kopfe zusammen, und bedauerte wegen dieses ppo_465.002
unersetzlichen Verlustes meiner entworfenen Schrift den ppo_465.003
Verleger, mein Vaterland, die Nachwelt; ja ich würde ppo_465.004
sagen, daß ich mich selbst bedauert hätte, wenn es unter ppo_465.005
uns Gelehrten eingeführt wäre, in diesem Puncte offenherzig ppo_465.006
zu seyn. Genug, ich sah, daß es mit meiner ppo_465.007
Gelehrsamkeit aus war, weil ich nicht mehr schreiben ppo_465.008
konnte. Das Einzige, was ich zu meiner Beruhigung ppo_465.009
that, war, daß ich zum Bücherschranke eilte, und mit ppo_465.010
einer recht väterlichen Zärtlichkeit alle diejenigen Bücher ppo_465.011
übersah, welche durch meine unermüdeten Hände ihr ppo_465.012
Daseyn erhalten hatten.

ppo_465.013

Vielleicht würde ich in dieser Stellung noch lange ppo_465.014
geblieben seyn, wenn ich nicht das freudige Schrecken ppo_465.015
wahrgenommen hätte, welches meine ungeduldigen Erben ppo_465.016
überfiel. Sie eilten so hungrig zu meinem Bette, als ppo_465.017
wenn ein Raub auszutheilen wäre. Jst er todt? ist er ppo_465.018
auch wirklich todt? schrieen sie. Ja, endlich einmal ist ppo_465.019
er im Ernste todt. Geschwind schickt nach dem Sarge, ppo_465.020
daß wir ihn unter die Erde bringen, -- antwortete ein ppo_465.021
Vetter von mir, und eine Muhme, welche durch mein ppo_465.022
Absterben alle diejenigen Tugenden zu erben hoffte, welche ppo_465.023
gewisse gründliche Liebhaber bei ihr zeither vergebens ppo_465.024
gesucht, und ihr um deswillen die Freiheit zu ihrem ppo_465.025
großen Verdrusse nicht geraubt hatten. Diese Muhme ppo_465.026
vergoß viele Thränen, und seufzte mit lauter Stimme: ppo_465.027
Der ehrliche Vetter! Tröste ihn Gott! Es ist ihm recht ppo_465.028
wohl! Wir wollen ihm seine Ruhe gönnen!

ppo_465.029

Dieses war die Losung zum Plündern. Den ersten ppo_465.030
Sturm hatte meine Geldcasse auszustehen. Meinen Kleidern ppo_465.031
und meinem Geräthe ging es eben so. Bis hieher ppo_465.032
hatte ich meinen Erben ganz gelassen zugesehen. Als ich ppo_465.033
aber merkte, daß es über meine Papiere hergehen sollte; ppo_465.034
so fing ich an zu zittern. Alles ward aufs sorgfältigste

ppo_465.001
über dem Kopfe zusammen, und bedauerte wegen dieses ppo_465.002
unersetzlichen Verlustes meiner entworfenen Schrift den ppo_465.003
Verleger, mein Vaterland, die Nachwelt; ja ich würde ppo_465.004
sagen, daß ich mich selbst bedauert hätte, wenn es unter ppo_465.005
uns Gelehrten eingeführt wäre, in diesem Puncte offenherzig ppo_465.006
zu seyn. Genug, ich sah, daß es mit meiner ppo_465.007
Gelehrsamkeit aus war, weil ich nicht mehr schreiben ppo_465.008
konnte. Das Einzige, was ich zu meiner Beruhigung ppo_465.009
that, war, daß ich zum Bücherschranke eilte, und mit ppo_465.010
einer recht väterlichen Zärtlichkeit alle diejenigen Bücher ppo_465.011
übersah, welche durch meine unermüdeten Hände ihr ppo_465.012
Daseyn erhalten hatten.

ppo_465.013

Vielleicht würde ich in dieser Stellung noch lange ppo_465.014
geblieben seyn, wenn ich nicht das freudige Schrecken ppo_465.015
wahrgenommen hätte, welches meine ungeduldigen Erben ppo_465.016
überfiel. Sie eilten so hungrig zu meinem Bette, als ppo_465.017
wenn ein Raub auszutheilen wäre. Jst er todt? ist er ppo_465.018
auch wirklich todt? schrieen sie. Ja, endlich einmal ist ppo_465.019
er im Ernste todt. Geschwind schickt nach dem Sarge, ppo_465.020
daß wir ihn unter die Erde bringen, — antwortete ein ppo_465.021
Vetter von mir, und eine Muhme, welche durch mein ppo_465.022
Absterben alle diejenigen Tugenden zu erben hoffte, welche ppo_465.023
gewisse gründliche Liebhaber bei ihr zeither vergebens ppo_465.024
gesucht, und ihr um deswillen die Freiheit zu ihrem ppo_465.025
großen Verdrusse nicht geraubt hatten. Diese Muhme ppo_465.026
vergoß viele Thränen, und seufzte mit lauter Stimme: ppo_465.027
Der ehrliche Vetter! Tröste ihn Gott! Es ist ihm recht ppo_465.028
wohl! Wir wollen ihm seine Ruhe gönnen!

ppo_465.029

Dieses war die Losung zum Plündern. Den ersten ppo_465.030
Sturm hatte meine Geldcasse auszustehen. Meinen Kleidern ppo_465.031
und meinem Geräthe ging es eben so. Bis hieher ppo_465.032
hatte ich meinen Erben ganz gelassen zugesehen. Als ich ppo_465.033
aber merkte, daß es über meine Papiere hergehen sollte; ppo_465.034
so fing ich an zu zittern. Alles ward aufs sorgfältigste

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0477" n="465"/><lb n="ppo_465.001"/>über dem Kopfe zusammen, und bedauerte wegen dieses <lb n="ppo_465.002"/>unersetzlichen Verlustes meiner entworfenen Schrift den <lb n="ppo_465.003"/>Verleger, mein Vaterland, die Nachwelt; ja ich würde <lb n="ppo_465.004"/>sagen, daß ich mich selbst bedauert hätte, wenn es unter <lb n="ppo_465.005"/>uns Gelehrten eingeführt wäre, in diesem Puncte offenherzig <lb n="ppo_465.006"/>zu seyn. Genug, ich sah, daß es mit meiner <lb n="ppo_465.007"/>Gelehrsamkeit aus war, weil ich nicht mehr schreiben <lb n="ppo_465.008"/>konnte. Das Einzige, was ich zu meiner Beruhigung <lb n="ppo_465.009"/>that, war, daß ich zum Bücherschranke eilte, und mit <lb n="ppo_465.010"/>einer recht väterlichen Zärtlichkeit alle diejenigen Bücher <lb n="ppo_465.011"/>übersah, welche durch meine unermüdeten Hände ihr <lb n="ppo_465.012"/>Daseyn erhalten hatten.</hi> </p>
          <lb n="ppo_465.013"/>
          <p> <hi rendition="#et">  Vielleicht würde ich in dieser Stellung noch lange <lb n="ppo_465.014"/>geblieben seyn, wenn ich nicht das freudige Schrecken <lb n="ppo_465.015"/>wahrgenommen hätte, welches meine ungeduldigen Erben <lb n="ppo_465.016"/>überfiel. Sie eilten so hungrig zu meinem Bette, als <lb n="ppo_465.017"/>wenn ein Raub auszutheilen wäre. Jst er todt? ist er <lb n="ppo_465.018"/>auch wirklich todt? schrieen sie. Ja, endlich einmal ist <lb n="ppo_465.019"/>er im Ernste todt. Geschwind schickt nach dem Sarge, <lb n="ppo_465.020"/>daß wir ihn unter die Erde bringen, &#x2014; antwortete ein <lb n="ppo_465.021"/>Vetter von mir, und eine Muhme, welche durch mein <lb n="ppo_465.022"/>Absterben alle diejenigen Tugenden zu erben hoffte, welche <lb n="ppo_465.023"/>gewisse gründliche Liebhaber bei ihr zeither vergebens <lb n="ppo_465.024"/>gesucht, und ihr um deswillen die Freiheit zu ihrem <lb n="ppo_465.025"/>großen Verdrusse nicht geraubt hatten. Diese Muhme <lb n="ppo_465.026"/>vergoß viele Thränen, und seufzte mit lauter Stimme: <lb n="ppo_465.027"/>Der ehrliche Vetter! Tröste ihn Gott! Es ist ihm recht <lb n="ppo_465.028"/>wohl! Wir wollen ihm seine Ruhe gönnen!</hi> </p>
          <lb n="ppo_465.029"/>
          <p> <hi rendition="#et">  Dieses war die Losung zum Plündern. Den ersten <lb n="ppo_465.030"/>Sturm hatte meine Geldcasse auszustehen. Meinen Kleidern <lb n="ppo_465.031"/>und meinem Geräthe ging es eben so. Bis hieher <lb n="ppo_465.032"/>hatte ich meinen Erben ganz gelassen zugesehen. Als ich <lb n="ppo_465.033"/>aber merkte, daß es über meine Papiere hergehen sollte; <lb n="ppo_465.034"/>so fing ich an zu zittern. Alles ward aufs sorgfältigste
</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0477] ppo_465.001 über dem Kopfe zusammen, und bedauerte wegen dieses ppo_465.002 unersetzlichen Verlustes meiner entworfenen Schrift den ppo_465.003 Verleger, mein Vaterland, die Nachwelt; ja ich würde ppo_465.004 sagen, daß ich mich selbst bedauert hätte, wenn es unter ppo_465.005 uns Gelehrten eingeführt wäre, in diesem Puncte offenherzig ppo_465.006 zu seyn. Genug, ich sah, daß es mit meiner ppo_465.007 Gelehrsamkeit aus war, weil ich nicht mehr schreiben ppo_465.008 konnte. Das Einzige, was ich zu meiner Beruhigung ppo_465.009 that, war, daß ich zum Bücherschranke eilte, und mit ppo_465.010 einer recht väterlichen Zärtlichkeit alle diejenigen Bücher ppo_465.011 übersah, welche durch meine unermüdeten Hände ihr ppo_465.012 Daseyn erhalten hatten. ppo_465.013 Vielleicht würde ich in dieser Stellung noch lange ppo_465.014 geblieben seyn, wenn ich nicht das freudige Schrecken ppo_465.015 wahrgenommen hätte, welches meine ungeduldigen Erben ppo_465.016 überfiel. Sie eilten so hungrig zu meinem Bette, als ppo_465.017 wenn ein Raub auszutheilen wäre. Jst er todt? ist er ppo_465.018 auch wirklich todt? schrieen sie. Ja, endlich einmal ist ppo_465.019 er im Ernste todt. Geschwind schickt nach dem Sarge, ppo_465.020 daß wir ihn unter die Erde bringen, — antwortete ein ppo_465.021 Vetter von mir, und eine Muhme, welche durch mein ppo_465.022 Absterben alle diejenigen Tugenden zu erben hoffte, welche ppo_465.023 gewisse gründliche Liebhaber bei ihr zeither vergebens ppo_465.024 gesucht, und ihr um deswillen die Freiheit zu ihrem ppo_465.025 großen Verdrusse nicht geraubt hatten. Diese Muhme ppo_465.026 vergoß viele Thränen, und seufzte mit lauter Stimme: ppo_465.027 Der ehrliche Vetter! Tröste ihn Gott! Es ist ihm recht ppo_465.028 wohl! Wir wollen ihm seine Ruhe gönnen! ppo_465.029 Dieses war die Losung zum Plündern. Den ersten ppo_465.030 Sturm hatte meine Geldcasse auszustehen. Meinen Kleidern ppo_465.031 und meinem Geräthe ging es eben so. Bis hieher ppo_465.032 hatte ich meinen Erben ganz gelassen zugesehen. Als ich ppo_465.033 aber merkte, daß es über meine Papiere hergehen sollte; ppo_465.034 so fing ich an zu zittern. Alles ward aufs sorgfältigste

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/477
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/477>, abgerufen am 22.11.2024.