Poersch, Bruno: Woran krankt die deutsche Gewerkschaftsbewegung? Berlin, 1897.in dieser Beziehung schließe ich mich im Allgemeinen den Dann zu den anderen Einwänden, die gegen die Gewerk¬ in dieſer Beziehung ſchließe ich mich im Allgemeinen den Dann zu den anderen Einwänden, die gegen die Gewerk¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="11"/> in dieſer Beziehung ſchließe ich mich im Allgemeinen den<lb/> Kautsky'ſchen Ausführungen an. Dieſer ſagt: „Nach wie vor<lb/> bewegt ſich das Geſchäftsleben im Zyklus von Belebung, flotte¬<lb/> rem Geſchäftsgang, Zuſammenbruch, Hinſiechen und Wieder¬<lb/> belebung; der Unterſchied gegen früher iſt nur der, daß die Zeit¬<lb/> räume des Siechthums immer länger werden, die Wiederbele¬<lb/> bung immer ſchwerer und langſamer, die Zeiten des flotten<lb/> Geſchäftsganges immer kürzer, der Gewinn daraus immer un¬<lb/> ſicherer, der Zuſammenbruch immer verheerender. Aber gerade<lb/> je mehr das der Fall iſt, deſto ſorgſamer muß der Unternehmer<lb/> darauf achten, daß die Zeit der günſtigen Konjunktur, die immer<lb/><choice><sic>prekrärer</sic><corr>prekärer</corr></choice>, der Ausnützung aber immer nothwendiger wird, nicht<lb/> durch Streiks verloren geht. Je mehr die chroniſche Ueber¬<lb/> produktion ſich ausdehnt, um ſo härter trifft dem Unternehmer<lb/> jeder Streit in der Zeit des kümmerlichen Aufſchwunges, der<lb/> ſich hier und da noch bemerkbar macht, deſto eher iſt er in einer<lb/> ſolchen Zeit zu Konzeſſionen geneigt. — Die chroniſche Ueber¬<lb/> produktion macht alſo das Streiken nicht ausſichtslos, ſie be¬<lb/> wirkt blos, daß die Anforderungen an die beruflichen Organi¬<lb/> ſationen der Arbeiter und an ihre Führer wachſen. Es wird<lb/> jetzt immer nothwendiger, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten,<lb/> dieſen dann aber raſcheſt auszunützen; die Ausdauer, Geduld<lb/> und Disziplin der Maſſen, ihre Einſicht in die wirthſchaftlichen<lb/> Verhältniſſe und die Straffheit ihrer Organiſation müſſen in<lb/> demſelben Maße wachſen, in dem die chroniſche Ueberproduktion<lb/> ſich entwickelt, ſoll ihre Widerſtandsfähigkeit durch dieſe nicht ge¬<lb/> ſchädigt werden.“ — Ob die <hi rendition="#g">Kautsky</hi>'ſche Annahme, daß die<lb/> Zeiten des flotten Geſchäftsganges immer kürzer werden, auf<lb/> Thatſache beruht, iſt eine Frage. Nimmt doch <hi rendition="#g">Parvus</hi> von<lb/> dem gegenwärtigen wirthſchaftlichen Aufſchwung an, daß<lb/> er, bedingt durch die Eröffnung gewaltiger Abſatzgebiete, der<lb/> größte der kapitaliſtiſchen Geſellſchaft ſein wird. — Wie dem<lb/> nun auch ſei: die Ueberproduktion herrſcht nicht immer und die<lb/> Chancen des gewerkſchaftlichen Kampfes werden durch ſie nicht<lb/> naturgemäß verſchlechtert. — Wie falſch die Annahme iſt, daß<lb/> mit der Weiterentwickelung des heutigen Produktionsſyſtems<lb/> auch die Poſition der Arbeiterklaſſe für den gewerkſchaftlichen<lb/> Kampf ſich verſchlechtern müſſe, wird ferner durch die engliſche<lb/> Gewerkſchaftsbewegung bewieſen, England iſt auf dem Gebiete<lb/> der Induſtrie am höchſten entwickelt und es beſitzt die ſtärkſten<lb/> Gewerkſchaftsorganiſationen, die namentlich in den letzten Jahr¬<lb/> zehnten gewaltig gewachſen und immer mehr und mehr ſich aus¬<lb/> breiten. Die größten Organiſationen ſind aber hier gerade in<lb/> jenen Induſtrieen aufzuweiſen, wo das Kapital am konzentrirteſten<lb/> iſt, während in jenen Gewerben, wo dieſes nicht zutrifft, die<lb/> Berufsvereinigungen ſchwächer ſind. Darum hat wohl auch<lb/><hi rendition="#g">Karl Marx</hi> recht gehabt, wenn er bereits 1847 ſchrieb, daß<lb/> der Entwickelungsgrad der Koalitionen genau den Rang be¬<lb/> zeichnet, den das betreffende Land in der Hierarchie des Welt¬<lb/> marktes einnimmt.</p><lb/> <p>Dann zu den anderen Einwänden, die gegen die Gewerk¬<lb/> ſchaftsbewegung erhoben werden. — Einer derſelben lautet:<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0019]
in dieſer Beziehung ſchließe ich mich im Allgemeinen den
Kautsky'ſchen Ausführungen an. Dieſer ſagt: „Nach wie vor
bewegt ſich das Geſchäftsleben im Zyklus von Belebung, flotte¬
rem Geſchäftsgang, Zuſammenbruch, Hinſiechen und Wieder¬
belebung; der Unterſchied gegen früher iſt nur der, daß die Zeit¬
räume des Siechthums immer länger werden, die Wiederbele¬
bung immer ſchwerer und langſamer, die Zeiten des flotten
Geſchäftsganges immer kürzer, der Gewinn daraus immer un¬
ſicherer, der Zuſammenbruch immer verheerender. Aber gerade
je mehr das der Fall iſt, deſto ſorgſamer muß der Unternehmer
darauf achten, daß die Zeit der günſtigen Konjunktur, die immer
prekärer, der Ausnützung aber immer nothwendiger wird, nicht
durch Streiks verloren geht. Je mehr die chroniſche Ueber¬
produktion ſich ausdehnt, um ſo härter trifft dem Unternehmer
jeder Streit in der Zeit des kümmerlichen Aufſchwunges, der
ſich hier und da noch bemerkbar macht, deſto eher iſt er in einer
ſolchen Zeit zu Konzeſſionen geneigt. — Die chroniſche Ueber¬
produktion macht alſo das Streiken nicht ausſichtslos, ſie be¬
wirkt blos, daß die Anforderungen an die beruflichen Organi¬
ſationen der Arbeiter und an ihre Führer wachſen. Es wird
jetzt immer nothwendiger, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten,
dieſen dann aber raſcheſt auszunützen; die Ausdauer, Geduld
und Disziplin der Maſſen, ihre Einſicht in die wirthſchaftlichen
Verhältniſſe und die Straffheit ihrer Organiſation müſſen in
demſelben Maße wachſen, in dem die chroniſche Ueberproduktion
ſich entwickelt, ſoll ihre Widerſtandsfähigkeit durch dieſe nicht ge¬
ſchädigt werden.“ — Ob die Kautsky'ſche Annahme, daß die
Zeiten des flotten Geſchäftsganges immer kürzer werden, auf
Thatſache beruht, iſt eine Frage. Nimmt doch Parvus von
dem gegenwärtigen wirthſchaftlichen Aufſchwung an, daß
er, bedingt durch die Eröffnung gewaltiger Abſatzgebiete, der
größte der kapitaliſtiſchen Geſellſchaft ſein wird. — Wie dem
nun auch ſei: die Ueberproduktion herrſcht nicht immer und die
Chancen des gewerkſchaftlichen Kampfes werden durch ſie nicht
naturgemäß verſchlechtert. — Wie falſch die Annahme iſt, daß
mit der Weiterentwickelung des heutigen Produktionsſyſtems
auch die Poſition der Arbeiterklaſſe für den gewerkſchaftlichen
Kampf ſich verſchlechtern müſſe, wird ferner durch die engliſche
Gewerkſchaftsbewegung bewieſen, England iſt auf dem Gebiete
der Induſtrie am höchſten entwickelt und es beſitzt die ſtärkſten
Gewerkſchaftsorganiſationen, die namentlich in den letzten Jahr¬
zehnten gewaltig gewachſen und immer mehr und mehr ſich aus¬
breiten. Die größten Organiſationen ſind aber hier gerade in
jenen Induſtrieen aufzuweiſen, wo das Kapital am konzentrirteſten
iſt, während in jenen Gewerben, wo dieſes nicht zutrifft, die
Berufsvereinigungen ſchwächer ſind. Darum hat wohl auch
Karl Marx recht gehabt, wenn er bereits 1847 ſchrieb, daß
der Entwickelungsgrad der Koalitionen genau den Rang be¬
zeichnet, den das betreffende Land in der Hierarchie des Welt¬
marktes einnimmt.
Dann zu den anderen Einwänden, die gegen die Gewerk¬
ſchaftsbewegung erhoben werden. — Einer derſelben lautet:
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