Pauline ließ volle vierzehn Tage ins Land gehen, ehe sie der Aufforderung von Komtesse Ida, sie im Schlosse auf¬ zusuchen, nachkam. Sie wäre möglicherweise überhaupt nicht dorthin gegangen, wenn nicht ihre Mutter sie unausgesetzt da¬ zu angetrieben hätte.
Eines Nachmittags also zog sie ihr Kirchenkleid an, und setzte den neuen Hut auf, den sie sich von Gustavs Gelde an¬ geschafft hatte. So ging sie, in ihrem Feiertagsstaat, nach dem Schlosse.
Die Herrschaft Saland lag ungefähr eine halbe Stunde Wegs von Halbenau entfernt. Ein eigentliches Dorf war nicht vorhanden; aber das Schloß mit seinen Nebengebäuden bildete an sich einen stattlichen Häuserkomplex. Ein ausgedehnter Park mit Rasenplätzen, Teichen, Gebüschen und Baumgruppen um¬ gab das Herrenhaus. Die eigentlichen Grenzen dieses Parkes waren kaum festzustellen, da er sich in die ausgedehnten Wälder der Herrschaft verlief.
Pauline ging auf der großen Heerstraße, die unfern vom Schlosse vorüberfühlte, hin. Sie bog nicht in den breiten Fahrweg ein, der sich in Schlangenlinien durch den Park zog, und schließlich über einen jetzt trocken gelegten Wallgraben vor das Portal des Schlosses führte. Sie wählte vielmehr einen schmalen Seitenpfad. Das Mädchen war mit den Gebräuchen und Sitten des gräflichen Haushaltes bekannt. Sie wußte,
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 7
VIII.
Pauline ließ volle vierzehn Tage ins Land gehen, ehe ſie der Aufforderung von Komteſſe Ida, ſie im Schloſſe auf¬ zuſuchen, nachkam. Sie wäre möglicherweiſe überhaupt nicht dorthin gegangen, wenn nicht ihre Mutter ſie unausgeſetzt da¬ zu angetrieben hätte.
Eines Nachmittags alſo zog ſie ihr Kirchenkleid an, und ſetzte den neuen Hut auf, den ſie ſich von Guſtavs Gelde an¬ geſchafft hatte. So ging ſie, in ihrem Feiertagsſtaat, nach dem Schloſſe.
Die Herrſchaft Saland lag ungefähr eine halbe Stunde Wegs von Halbenau entfernt. Ein eigentliches Dorf war nicht vorhanden; aber das Schloß mit ſeinen Nebengebäuden bildete an ſich einen ſtattlichen Häuſerkomplex. Ein ausgedehnter Park mit Raſenplätzen, Teichen, Gebüſchen und Baumgruppen um¬ gab das Herrenhaus. Die eigentlichen Grenzen dieſes Parkes waren kaum feſtzuſtellen, da er ſich in die ausgedehnten Wälder der Herrſchaft verlief.
Pauline ging auf der großen Heerſtraße, die unfern vom Schloſſe vorüberfühlte, hin. Sie bog nicht in den breiten Fahrweg ein, der ſich in Schlangenlinien durch den Park zog, und ſchließlich über einen jetzt trocken gelegten Wallgraben vor das Portal des Schloſſes führte. Sie wählte vielmehr einen ſchmalen Seitenpfad. Das Mädchen war mit den Gebräuchen und Sitten des gräflichen Haushaltes bekannt. Sie wußte,
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 7
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[[97]/0111]
VIII.
Pauline ließ volle vierzehn Tage ins Land gehen, ehe
ſie der Aufforderung von Komteſſe Ida, ſie im Schloſſe auf¬
zuſuchen, nachkam. Sie wäre möglicherweiſe überhaupt nicht
dorthin gegangen, wenn nicht ihre Mutter ſie unausgeſetzt da¬
zu angetrieben hätte.
Eines Nachmittags alſo zog ſie ihr Kirchenkleid an, und
ſetzte den neuen Hut auf, den ſie ſich von Guſtavs Gelde an¬
geſchafft hatte. So ging ſie, in ihrem Feiertagsſtaat, nach dem
Schloſſe.
Die Herrſchaft Saland lag ungefähr eine halbe Stunde
Wegs von Halbenau entfernt. Ein eigentliches Dorf war nicht
vorhanden; aber das Schloß mit ſeinen Nebengebäuden bildete
an ſich einen ſtattlichen Häuſerkomplex. Ein ausgedehnter Park
mit Raſenplätzen, Teichen, Gebüſchen und Baumgruppen um¬
gab das Herrenhaus. Die eigentlichen Grenzen dieſes Parkes
waren kaum feſtzuſtellen, da er ſich in die ausgedehnten Wälder
der Herrſchaft verlief.
Pauline ging auf der großen Heerſtraße, die unfern
vom Schloſſe vorüberfühlte, hin. Sie bog nicht in den breiten
Fahrweg ein, der ſich in Schlangenlinien durch den Park zog,
und ſchließlich über einen jetzt trocken gelegten Wallgraben vor
das Portal des Schloſſes führte. Sie wählte vielmehr einen
ſchmalen Seitenpfad. Das Mädchen war mit den Gebräuchen
und Sitten des gräflichen Haushaltes bekannt. Sie wußte,
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 7
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/111>, abgerufen am 27.11.2024.
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