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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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brot, womöglich sein Lieblingsgericht ihm zu Ehren. Hier
kannte er nun jedes Steinchen, jedes Ästchen, jeden Riß
und Fleck im Mauerwerk. Eine geringfügige Reparatur, die
der Vater am Dachfirsten hatte vornehmen lassen, fiel ihm
sofort als eine Veränderung auf. Je näher er kam, desto mehr
beschleunigte er seine Schritte, bis er schließlich fast im Trabe in
das Gehöft einlief.

Er fand die Frauen im Hause. Vater und Bruder
wurden aus dem Schuppen herbeigeholt. Übertriebene Zärt¬
lichkeit herrschte nicht beim Wiedersehen. Nur die Mutter ließ
sich etwas von der Freude anmerken, welche sie empfand, ihren
Liebling wieder ganz im Hause zu haben.

Gustav frühstückte, zog seine guten Kleider aus und machte
sich dann, trotz der überstandenen Reise, gemeinsam mit Vater
und Bruder an die Arbeit.

Gesprochen wurde dabei nichts zwischen den Männern.
Gustav hatte zwar manche Frage auf dem Herzen über den
Stand der Guts- und Geldangelegenheiten, über die er seit
seinem letzten Urlaub zu Ostern nichts wieder vernommen
hatte -- denn Briefeschreiben war nicht gebräuchlich unter den
Büttners -- aber er bezähmte seine Neugier einstweilen. Er
kannte den Vater zu genau, der das Gefragtwerden nicht liebte.
Wenn sich etwas Wichtiges inzwischen ereignet hatte, würde er
es schon noch erfahren.

Beim Mittagessen fiel dem eben Zurückgekehrten die ge¬
drückte Stimmung der Seinen auf. Kaum, daß gesprochen
wurde über Tisch. Halblaut flüsternd, mit scheuen Blicken
nach dem Vater hinüber, der finster und wortkarg in seiner
Ecke saß, langten die Kinder von den Speisen zu. Die Mutter
sah bekümmert drein. Karl machte sein dümmstes Gesicht, ließ
es sich aber wie gewöhnlich ausgezeichnet schmecken. Therese
sah noch gelber und verärgerter aus, als früher. Bei ihr
konnte Gustav es darauf schieben, daß er zurückgekommen
war. Er kannte die Gesinnung der Schwägerin nur zu
gut. -- Toni gefiel dem Bruder gar nicht. Es fiel ihm
auf, daß sie ihm nicht gerade in die Augen blicken konnte.

brot, womöglich ſein Lieblingsgericht ihm zu Ehren. Hier
kannte er nun jedes Steinchen, jedes Äſtchen, jeden Riß
und Fleck im Mauerwerk. Eine geringfügige Reparatur, die
der Vater am Dachfirſten hatte vornehmen laſſen, fiel ihm
ſofort als eine Veränderung auf. Je näher er kam, deſto mehr
beſchleunigte er ſeine Schritte, bis er ſchließlich faſt im Trabe in
das Gehöft einlief.

Er fand die Frauen im Hauſe. Vater und Bruder
wurden aus dem Schuppen herbeigeholt. Übertriebene Zärt¬
lichkeit herrſchte nicht beim Wiederſehen. Nur die Mutter ließ
ſich etwas von der Freude anmerken, welche ſie empfand, ihren
Liebling wieder ganz im Hauſe zu haben.

Guſtav frühſtückte, zog ſeine guten Kleider aus und machte
ſich dann, trotz der überſtandenen Reiſe, gemeinſam mit Vater
und Bruder an die Arbeit.

Geſprochen wurde dabei nichts zwiſchen den Männern.
Guſtav hatte zwar manche Frage auf dem Herzen über den
Stand der Guts- und Geldangelegenheiten, über die er ſeit
ſeinem letzten Urlaub zu Oſtern nichts wieder vernommen
hatte — denn Briefeſchreiben war nicht gebräuchlich unter den
Büttners — aber er bezähmte ſeine Neugier einſtweilen. Er
kannte den Vater zu genau, der das Gefragtwerden nicht liebte.
Wenn ſich etwas Wichtiges inzwiſchen ereignet hatte, würde er
es ſchon noch erfahren.

Beim Mittageſſen fiel dem eben Zurückgekehrten die ge¬
drückte Stimmung der Seinen auf. Kaum, daß geſprochen
wurde über Tiſch. Halblaut flüſternd, mit ſcheuen Blicken
nach dem Vater hinüber, der finſter und wortkarg in ſeiner
Ecke ſaß, langten die Kinder von den Speiſen zu. Die Mutter
ſah bekümmert drein. Karl machte ſein dümmſtes Geſicht, ließ
es ſich aber wie gewöhnlich ausgezeichnet ſchmecken. Thereſe
ſah noch gelber und verärgerter aus, als früher. Bei ihr
konnte Guſtav es darauf ſchieben, daß er zurückgekommen
war. Er kannte die Geſinnung der Schwägerin nur zu
gut. — Toni gefiel dem Bruder gar nicht. Es fiel ihm
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[136/0150] brot, womöglich ſein Lieblingsgericht ihm zu Ehren. Hier kannte er nun jedes Steinchen, jedes Äſtchen, jeden Riß und Fleck im Mauerwerk. Eine geringfügige Reparatur, die der Vater am Dachfirſten hatte vornehmen laſſen, fiel ihm ſofort als eine Veränderung auf. Je näher er kam, deſto mehr beſchleunigte er ſeine Schritte, bis er ſchließlich faſt im Trabe in das Gehöft einlief. Er fand die Frauen im Hauſe. Vater und Bruder wurden aus dem Schuppen herbeigeholt. Übertriebene Zärt¬ lichkeit herrſchte nicht beim Wiederſehen. Nur die Mutter ließ ſich etwas von der Freude anmerken, welche ſie empfand, ihren Liebling wieder ganz im Hauſe zu haben. Guſtav frühſtückte, zog ſeine guten Kleider aus und machte ſich dann, trotz der überſtandenen Reiſe, gemeinſam mit Vater und Bruder an die Arbeit. Geſprochen wurde dabei nichts zwiſchen den Männern. Guſtav hatte zwar manche Frage auf dem Herzen über den Stand der Guts- und Geldangelegenheiten, über die er ſeit ſeinem letzten Urlaub zu Oſtern nichts wieder vernommen hatte — denn Briefeſchreiben war nicht gebräuchlich unter den Büttners — aber er bezähmte ſeine Neugier einſtweilen. Er kannte den Vater zu genau, der das Gefragtwerden nicht liebte. Wenn ſich etwas Wichtiges inzwiſchen ereignet hatte, würde er es ſchon noch erfahren. Beim Mittageſſen fiel dem eben Zurückgekehrten die ge¬ drückte Stimmung der Seinen auf. Kaum, daß geſprochen wurde über Tiſch. Halblaut flüſternd, mit ſcheuen Blicken nach dem Vater hinüber, der finſter und wortkarg in ſeiner Ecke ſaß, langten die Kinder von den Speiſen zu. Die Mutter ſah bekümmert drein. Karl machte ſein dümmſtes Geſicht, ließ es ſich aber wie gewöhnlich ausgezeichnet ſchmecken. Thereſe ſah noch gelber und verärgerter aus, als früher. Bei ihr konnte Guſtav es darauf ſchieben, daß er zurückgekommen war. Er kannte die Geſinnung der Schwägerin nur zu gut. — Toni gefiel dem Bruder gar nicht. Es fiel ihm auf, daß ſie ihm nicht gerade in die Augen blicken konnte.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/150>, abgerufen am 27.11.2024.