Am ehesten ließ er noch etwas von seinen Gefühlen seinem Sohne Gustav blicken, der von der ganzen Familie seinem Herzen am nächsten stand. Das hatte seinen besonderen Grund. Der alte Mann glaubte in diesem Sohne etwas von dem Wesen des eigenen Vaters wieder lebendig werden zu sehen. Die Ähnlichkeit bestand in der That zwischen Enkel und Großvater. Aber auch sonst gab es verwandte Züge zwischen den beiden. Wenn der Bauer diesen Sohn auf Feld und Hof schalten und walten sah, mit energischen Befehlen die Geschwister anstellend überall selbst mit Hand anlegend, voll Eifer und Lust an der Arbeit, dann wurde der alte Mann an den Vater erinnert, der für ihn noch jetzt das Muster eines tüchtigen Wirtes bedeutete. Und so verband sich mit dem Gefühle des Vaterstolzes für den Büttnerbauer die ge¬ heime Hoffnung, daß durch diesen Sohn der Familie wieder eingebracht werden möchte, was sie durch schlechte Jahre und Unglücksfälle mancherlei Art in letzter Zeit eingebüßt hatte an Vermögen und Bedeutung.
Jetzt im Winter, wo die Arbeit nicht auf die Nägel brannte, war mehr Zeit als sonst, seinen Gedanken nachzu¬ hängen. Was für Erinnerungen wurden da in der Seele des Alten wach! was für Gestalten standen da vor seinem rück¬ schauenden Blicke auf und gewannen Leben! --
Da war sein Vater: mittelgroß, breitschulterig, bartlos, wie alle Büttners vordem, blondhaarig. Er gedachte des Vaters immer, wie er ihn aus der frühesten Kindheit in Er¬ innerung hatte, als eines im besten Lebensalter stehenden blühenden Mannes. Was war das für ein Arbeiter gewesen! Mit einem Finger hatte der den Pflug ausgehoben und um¬ gewendet. Und dabei war er ein Grundgescheiter gewesen. Dem hatte niemand ein X für ein U machen dürfen. Deshalb war es ihm auch gelungen, das Seine zusammenzuhalten und zu mehren.
Der Großvater des jetzigen Büttnerbauern hatte diesem Sohne das Gut noch bei Lebzeiten überlassen, und sich auf das Altenteil zurückgezogen. Der alte Mann fand sich in der
Am eheſten ließ er noch etwas von ſeinen Gefühlen ſeinem Sohne Guſtav blicken, der von der ganzen Familie ſeinem Herzen am nächſten ſtand. Das hatte ſeinen beſonderen Grund. Der alte Mann glaubte in dieſem Sohne etwas von dem Weſen des eigenen Vaters wieder lebendig werden zu ſehen. Die Ähnlichkeit beſtand in der That zwiſchen Enkel und Großvater. Aber auch ſonſt gab es verwandte Züge zwiſchen den beiden. Wenn der Bauer dieſen Sohn auf Feld und Hof ſchalten und walten ſah, mit energiſchen Befehlen die Geſchwiſter anſtellend überall ſelbſt mit Hand anlegend, voll Eifer und Luſt an der Arbeit, dann wurde der alte Mann an den Vater erinnert, der für ihn noch jetzt das Muſter eines tüchtigen Wirtes bedeutete. Und ſo verband ſich mit dem Gefühle des Vaterſtolzes für den Büttnerbauer die ge¬ heime Hoffnung, daß durch dieſen Sohn der Familie wieder eingebracht werden möchte, was ſie durch ſchlechte Jahre und Unglücksfälle mancherlei Art in letzter Zeit eingebüßt hatte an Vermögen und Bedeutung.
Jetzt im Winter, wo die Arbeit nicht auf die Nägel brannte, war mehr Zeit als ſonſt, ſeinen Gedanken nachzu¬ hängen. Was für Erinnerungen wurden da in der Seele des Alten wach! was für Geſtalten ſtanden da vor ſeinem rück¬ ſchauenden Blicke auf und gewannen Leben! —
Da war ſein Vater: mittelgroß, breitſchulterig, bartlos, wie alle Büttners vordem, blondhaarig. Er gedachte des Vaters immer, wie er ihn aus der früheſten Kindheit in Er¬ innerung hatte, als eines im beſten Lebensalter ſtehenden blühenden Mannes. Was war das für ein Arbeiter geweſen! Mit einem Finger hatte der den Pflug ausgehoben und um¬ gewendet. Und dabei war er ein Grundgeſcheiter geweſen. Dem hatte niemand ein X für ein U machen dürfen. Deshalb war es ihm auch gelungen, das Seine zuſammenzuhalten und zu mehren.
Der Großvater des jetzigen Büttnerbauern hatte dieſem Sohne das Gut noch bei Lebzeiten überlaſſen, und ſich auf das Altenteil zurückgezogen. Der alte Mann fand ſich in der
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Am eheſten ließ er noch etwas von ſeinen Gefühlen
ſeinem Sohne Guſtav blicken, der von der ganzen Familie
ſeinem Herzen am nächſten ſtand. Das hatte ſeinen beſonderen
Grund. Der alte Mann glaubte in dieſem Sohne etwas von
dem Weſen des eigenen Vaters wieder lebendig werden zu
ſehen. Die Ähnlichkeit beſtand in der That zwiſchen Enkel
und Großvater. Aber auch ſonſt gab es verwandte Züge
zwiſchen den beiden. Wenn der Bauer dieſen Sohn auf Feld
und Hof ſchalten und walten ſah, mit energiſchen Befehlen die
Geſchwiſter anſtellend überall ſelbſt mit Hand anlegend, voll
Eifer und Luſt an der Arbeit, dann wurde der alte Mann
an den Vater erinnert, der für ihn noch jetzt das Muſter
eines tüchtigen Wirtes bedeutete. Und ſo verband ſich mit
dem Gefühle des Vaterſtolzes für den Büttnerbauer die ge¬
heime Hoffnung, daß durch dieſen Sohn der Familie wieder
eingebracht werden möchte, was ſie durch ſchlechte Jahre und
Unglücksfälle mancherlei Art in letzter Zeit eingebüßt hatte an
Vermögen und Bedeutung.
Jetzt im Winter, wo die Arbeit nicht auf die Nägel
brannte, war mehr Zeit als ſonſt, ſeinen Gedanken nachzu¬
hängen. Was für Erinnerungen wurden da in der Seele des
Alten wach! was für Geſtalten ſtanden da vor ſeinem rück¬
ſchauenden Blicke auf und gewannen Leben! —
Da war ſein Vater: mittelgroß, breitſchulterig, bartlos,
wie alle Büttners vordem, blondhaarig. Er gedachte des
Vaters immer, wie er ihn aus der früheſten Kindheit in Er¬
innerung hatte, als eines im beſten Lebensalter ſtehenden
blühenden Mannes. Was war das für ein Arbeiter geweſen!
Mit einem Finger hatte der den Pflug ausgehoben und um¬
gewendet. Und dabei war er ein Grundgeſcheiter geweſen.
Dem hatte niemand ein X für ein U machen dürfen. Deshalb
war es ihm auch gelungen, das Seine zuſammenzuhalten und
zu mehren.
Der Großvater des jetzigen Büttnerbauern hatte dieſem
Sohne das Gut noch bei Lebzeiten überlaſſen, und ſich auf
das Altenteil zurückgezogen. Der alte Mann fand ſich in der
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/167>, abgerufen am 28.11.2024.
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