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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Vater und Sohn gleichzeitig. Der Alte meinte schmunzelnd:
"Ar is frei gekummen. Ju ju! Richard is militärfrei!"
Gustav sprach seine Verwunderung darüber aus, Richard habe
doch seines Wissens kein Gebrechen. "Nu, mir wußten och
nischt dervon, sulange. Aber, der Herr Oberstabsarzt meente,
er hätte Krampfadern an linken Beene. Ju ju! Krampfadern
thaten se's heeßen. Newohr Richard? Und da wurd' 'r
zuricke gestellt. Nu ich ha' natirlich nischt ne dadergegen,
und der Junge erscht recht ne. Newohr Richard?" Der alte
Kaschel schüttelte sich vor Lachen. Er schien es für einen be¬
sonders genialen Streich seines Sohnes anzusehen, daß er in
Folge seiner Krampfadern militäruntüchtig war. Gustav hätte
gern offen heraus gesagt, was ihm auf der Zunge lag, daß
dem Bengel die militärische Zucht gewiß recht gut gethan
haben würde, aber er unterdrückte die Bemerkung. Er hütete
sich, in diesem Augenblicke, etwas zu äußern, was den Onkel
hätte verdrießen können. Er war ja als Bittsteller hierher¬
gekommen.

Er begann nunmehr mit seinem Anliegen herauszurücken.
Sobald der Onkel merkte, daß von Geschäften gesprochen werden
solle, schickte er Ottilien aus dem Zimmer. Zu Gustavs Ver¬
drusse blieb aber Richard anwesend. Gustav saß an der breiten
Seite des Tisches, die beiden Kaschels ihm gegenüber. In den
Angesichtern von Vater und Sohn, deren Ähnlichkeit hier, wo
sie so dicht bei einander waren, in unangenehmster Weise sich
aufdrängte, lauerte die nämliche, unter blöder Miene verborgene,
dreiste Schlauheit.

Sie ließen den Vetter reden. Lächelnd, hin und wieder
mit den Augen zwinkernd, hörten sie sich seinen Bericht
mit an. Gustav sprach mit Offenheit. Die mißliche Lage
seines Vaters war ja doch nicht mehr zu verbergen. Er er¬
klärte, daß, bestünde der Onkel auf seiner Forderung, der
Bankrott des Bauern sicher wäre. Dann bat er den Onkel,
sich noch zu gedulden. Die Zinsen seiner Forderung sollten
pünktlich gezahlt werden, dafür wolle er sich persönlich ver¬
bürgen. Mit der Zeit würde man auch an ein Abzahlen des

Vater und Sohn gleichzeitig. Der Alte meinte ſchmunzelnd:
„Ar is frei gekummen. Ju ju! Richard is militärfrei!“
Guſtav ſprach ſeine Verwunderung darüber aus, Richard habe
doch ſeines Wiſſens kein Gebrechen. „Nu, mir wußten och
niſcht dervon, ſulange. Aber, der Herr Oberſtabsarzt meente,
er hätte Krampfadern an linken Beene. Ju ju! Krampfadern
thaten ſe's heeßen. Newohr Richard? Und da wurd' 'r
zuricke geſtellt. Nu ich ha' natirlich niſcht ne dadergegen,
und der Junge erſcht recht ne. Newohr Richard?“ Der alte
Kaſchel ſchüttelte ſich vor Lachen. Er ſchien es für einen be¬
ſonders genialen Streich ſeines Sohnes anzuſehen, daß er in
Folge ſeiner Krampfadern militäruntüchtig war. Guſtav hätte
gern offen heraus geſagt, was ihm auf der Zunge lag, daß
dem Bengel die militäriſche Zucht gewiß recht gut gethan
haben würde, aber er unterdrückte die Bemerkung. Er hütete
ſich, in dieſem Augenblicke, etwas zu äußern, was den Onkel
hätte verdrießen können. Er war ja als Bittſteller hierher¬
gekommen.

Er begann nunmehr mit ſeinem Anliegen herauszurücken.
Sobald der Onkel merkte, daß von Geſchäften geſprochen werden
ſolle, ſchickte er Ottilien aus dem Zimmer. Zu Guſtavs Ver¬
druſſe blieb aber Richard anweſend. Guſtav ſaß an der breiten
Seite des Tiſches, die beiden Kaſchels ihm gegenüber. In den
Angeſichtern von Vater und Sohn, deren Ähnlichkeit hier, wo
ſie ſo dicht bei einander waren, in unangenehmſter Weiſe ſich
aufdrängte, lauerte die nämliche, unter blöder Miene verborgene,
dreiſte Schlauheit.

Sie ließen den Vetter reden. Lächelnd, hin und wieder
mit den Augen zwinkernd, hörten ſie ſich ſeinen Bericht
mit an. Guſtav ſprach mit Offenheit. Die mißliche Lage
ſeines Vaters war ja doch nicht mehr zu verbergen. Er er¬
klärte, daß, beſtünde der Onkel auf ſeiner Forderung, der
Bankrott des Bauern ſicher wäre. Dann bat er den Onkel,
ſich noch zu gedulden. Die Zinſen ſeiner Forderung ſollten
pünktlich gezahlt werden, dafür wolle er ſich perſönlich ver¬
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[169/0183] Vater und Sohn gleichzeitig. Der Alte meinte ſchmunzelnd: „Ar is frei gekummen. Ju ju! Richard is militärfrei!“ Guſtav ſprach ſeine Verwunderung darüber aus, Richard habe doch ſeines Wiſſens kein Gebrechen. „Nu, mir wußten och niſcht dervon, ſulange. Aber, der Herr Oberſtabsarzt meente, er hätte Krampfadern an linken Beene. Ju ju! Krampfadern thaten ſe's heeßen. Newohr Richard? Und da wurd' 'r zuricke geſtellt. Nu ich ha' natirlich niſcht ne dadergegen, und der Junge erſcht recht ne. Newohr Richard?“ Der alte Kaſchel ſchüttelte ſich vor Lachen. Er ſchien es für einen be¬ ſonders genialen Streich ſeines Sohnes anzuſehen, daß er in Folge ſeiner Krampfadern militäruntüchtig war. Guſtav hätte gern offen heraus geſagt, was ihm auf der Zunge lag, daß dem Bengel die militäriſche Zucht gewiß recht gut gethan haben würde, aber er unterdrückte die Bemerkung. Er hütete ſich, in dieſem Augenblicke, etwas zu äußern, was den Onkel hätte verdrießen können. Er war ja als Bittſteller hierher¬ gekommen. Er begann nunmehr mit ſeinem Anliegen herauszurücken. Sobald der Onkel merkte, daß von Geſchäften geſprochen werden ſolle, ſchickte er Ottilien aus dem Zimmer. Zu Guſtavs Ver¬ druſſe blieb aber Richard anweſend. Guſtav ſaß an der breiten Seite des Tiſches, die beiden Kaſchels ihm gegenüber. In den Angeſichtern von Vater und Sohn, deren Ähnlichkeit hier, wo ſie ſo dicht bei einander waren, in unangenehmſter Weiſe ſich aufdrängte, lauerte die nämliche, unter blöder Miene verborgene, dreiſte Schlauheit. Sie ließen den Vetter reden. Lächelnd, hin und wieder mit den Augen zwinkernd, hörten ſie ſich ſeinen Bericht mit an. Guſtav ſprach mit Offenheit. Die mißliche Lage ſeines Vaters war ja doch nicht mehr zu verbergen. Er er¬ klärte, daß, beſtünde der Onkel auf ſeiner Forderung, der Bankrott des Bauern ſicher wäre. Dann bat er den Onkel, ſich noch zu gedulden. Die Zinſen ſeiner Forderung ſollten pünktlich gezahlt werden, dafür wolle er ſich perſönlich ver¬ bürgen. Mit der Zeit würde man auch an ein Abzahlen des

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/183>, abgerufen am 30.11.2024.