Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

bei ihrer Armut das Brautfuder auch nur klein sein konnte,
ganz mit leeren Händen wollte sie nicht kommen. Man sah
sie in jener Zeit viel mit Schere, Zwirn und Elle beschäftigt,
und Leinwand und bunte Stoffe lagen in ihrer bescheidenen
Kammer ausgebreitet. --

Die Kunde war zu Gustav gedrungen, daß auf dem Ritter¬
gute die Stelle eines ersten Kutschers frei geworden sei. Er
ging sofort hinüber, um sich darum zu bewerben. Die Nach¬
richt erwies sich als ein falsches Gerücht. Der jetzige Kutscher
dachte nicht daran, seinen gut bezahlten Posten aufzugeben. Bei
dieser Gelegenheit lernte Gustav den gräflichen Güterdirektor,
Hauptmann Schroff, kennen.

Gustav hatte den Namen dieses Mannes mehr als einmal
nennen hören. Der alte Bauer pflegte seine grimmigste Miene
aufzusetzen, wenn er von ihm sprach. Der treibe seinem Herrn
die kleinen Leute vor's Gewehr, wie die Hafen, behauptete
er. Von anderer Seite wieder hatte Gustav günstigere Urteile
über den Hauptmann gehört. Er sei menschenfreundlich und
vertrete seine Arbeiter der Herrschaft gegenüber, hieß es. Eine
Anzahl neuer Arbeiterwohnungen, die erst kürzlich an Stelle
der bisherigen elenden Baracken errichtet worden waren, redeten
das Lob des Güterdirektors.

"Sind Sie etwa ein Sohn des alten Büttnerbauern?"
fragte der Hauptmann.

"Zu Befehl Herr Hauptmann!"

"Giebt es denn auf dem Gute Ihres Vaters nichts für
Sie zu thun?"

Das läge so in den Familienverhältnissen, gab Gustav
ausweichend zur Antwort. Er schämte sich nämlich, daß er, der
Sohn des Büttnerbauern, sich um einen Dienst bewerben mußte.

Hauptmann Schroff betrachtete sich den jungen Menschen
genauer. Seine geweckten Züge und die stramme Haltung be¬
stachen den ehemaligen Offizier.

"Von Ihnen könnte man am Ende mal was Genaueres
erfahren, wie es mit der Büttnerschen Sache eigentlich steht --
was?"

bei ihrer Armut das Brautfuder auch nur klein ſein konnte,
ganz mit leeren Händen wollte ſie nicht kommen. Man ſah
ſie in jener Zeit viel mit Schere, Zwirn und Elle beſchäftigt,
und Leinwand und bunte Stoffe lagen in ihrer beſcheidenen
Kammer ausgebreitet. —

Die Kunde war zu Guſtav gedrungen, daß auf dem Ritter¬
gute die Stelle eines erſten Kutſchers frei geworden ſei. Er
ging ſofort hinüber, um ſich darum zu bewerben. Die Nach¬
richt erwies ſich als ein falſches Gerücht. Der jetzige Kutſcher
dachte nicht daran, ſeinen gut bezahlten Poſten aufzugeben. Bei
dieſer Gelegenheit lernte Guſtav den gräflichen Güterdirektor,
Hauptmann Schroff, kennen.

Guſtav hatte den Namen dieſes Mannes mehr als einmal
nennen hören. Der alte Bauer pflegte ſeine grimmigſte Miene
aufzuſetzen, wenn er von ihm ſprach. Der treibe ſeinem Herrn
die kleinen Leute vor's Gewehr, wie die Hafen, behauptete
er. Von anderer Seite wieder hatte Guſtav günſtigere Urteile
über den Hauptmann gehört. Er ſei menſchenfreundlich und
vertrete ſeine Arbeiter der Herrſchaft gegenüber, hieß es. Eine
Anzahl neuer Arbeiterwohnungen, die erſt kürzlich an Stelle
der bisherigen elenden Baracken errichtet worden waren, redeten
das Lob des Güterdirektors.

„Sind Sie etwa ein Sohn des alten Büttnerbauern?“
fragte der Hauptmann.

„Zu Befehl Herr Hauptmann!“

„Giebt es denn auf dem Gute Ihres Vaters nichts für
Sie zu thun?“

Das läge ſo in den Familienverhältniſſen, gab Guſtav
ausweichend zur Antwort. Er ſchämte ſich nämlich, daß er, der
Sohn des Büttnerbauern, ſich um einen Dienſt bewerben mußte.

Hauptmann Schroff betrachtete ſich den jungen Menſchen
genauer. Seine geweckten Züge und die ſtramme Haltung be¬
ſtachen den ehemaligen Offizier.

„Von Ihnen könnte man am Ende mal was Genaueres
erfahren, wie es mit der Büttnerſchen Sache eigentlich ſteht —
was?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0198" n="184"/>
bei ihrer Armut das Brautfuder auch nur klein &#x017F;ein konnte,<lb/>
ganz mit leeren Händen wollte &#x017F;ie nicht kommen. Man &#x017F;ah<lb/>
&#x017F;ie in jener Zeit viel mit Schere, Zwirn und Elle be&#x017F;chäftigt,<lb/>
und Leinwand und bunte Stoffe lagen in ihrer be&#x017F;cheidenen<lb/>
Kammer ausgebreitet. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die Kunde war zu Gu&#x017F;tav gedrungen, daß auf dem Ritter¬<lb/>
gute die Stelle eines er&#x017F;ten Kut&#x017F;chers frei geworden &#x017F;ei. Er<lb/>
ging &#x017F;ofort hinüber, um &#x017F;ich darum zu bewerben. Die Nach¬<lb/>
richt erwies &#x017F;ich als ein fal&#x017F;ches Gerücht. Der jetzige Kut&#x017F;cher<lb/>
dachte nicht daran, &#x017F;einen gut bezahlten Po&#x017F;ten aufzugeben. Bei<lb/>
die&#x017F;er Gelegenheit lernte Gu&#x017F;tav den gräflichen Güterdirektor,<lb/>
Hauptmann Schroff, kennen.</p><lb/>
          <p>Gu&#x017F;tav hatte den Namen die&#x017F;es Mannes mehr als einmal<lb/>
nennen hören. Der alte Bauer pflegte &#x017F;eine grimmig&#x017F;te Miene<lb/>
aufzu&#x017F;etzen, wenn er von ihm &#x017F;prach. Der treibe &#x017F;einem Herrn<lb/>
die kleinen Leute vor's Gewehr, wie die Hafen, behauptete<lb/>
er. Von anderer Seite wieder hatte Gu&#x017F;tav gün&#x017F;tigere Urteile<lb/>
über den Hauptmann gehört. Er &#x017F;ei men&#x017F;chenfreundlich und<lb/>
vertrete &#x017F;eine Arbeiter der Herr&#x017F;chaft gegenüber, hieß es. Eine<lb/>
Anzahl neuer Arbeiterwohnungen, die er&#x017F;t kürzlich an Stelle<lb/>
der bisherigen elenden Baracken errichtet worden waren, redeten<lb/>
das Lob des Güterdirektors.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sind Sie etwa ein Sohn des alten Büttnerbauern?&#x201C;<lb/>
fragte der Hauptmann.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Zu Befehl Herr Hauptmann!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Giebt es denn auf dem Gute Ihres Vaters nichts für<lb/>
Sie zu thun?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das läge &#x017F;o in den Familienverhältni&#x017F;&#x017F;en, gab Gu&#x017F;tav<lb/>
ausweichend zur Antwort. Er &#x017F;chämte &#x017F;ich nämlich, daß er, der<lb/>
Sohn des Büttnerbauern, &#x017F;ich um einen Dien&#x017F;t bewerben mußte.</p><lb/>
          <p>Hauptmann Schroff betrachtete &#x017F;ich den jungen Men&#x017F;chen<lb/>
genauer. Seine geweckten Züge und die &#x017F;tramme Haltung be¬<lb/>
&#x017F;tachen den ehemaligen Offizier.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Von Ihnen könnte man am Ende mal was Genaueres<lb/>
erfahren, wie es mit der Büttner&#x017F;chen Sache eigentlich &#x017F;teht &#x2014;<lb/>
was?&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0198] bei ihrer Armut das Brautfuder auch nur klein ſein konnte, ganz mit leeren Händen wollte ſie nicht kommen. Man ſah ſie in jener Zeit viel mit Schere, Zwirn und Elle beſchäftigt, und Leinwand und bunte Stoffe lagen in ihrer beſcheidenen Kammer ausgebreitet. — Die Kunde war zu Guſtav gedrungen, daß auf dem Ritter¬ gute die Stelle eines erſten Kutſchers frei geworden ſei. Er ging ſofort hinüber, um ſich darum zu bewerben. Die Nach¬ richt erwies ſich als ein falſches Gerücht. Der jetzige Kutſcher dachte nicht daran, ſeinen gut bezahlten Poſten aufzugeben. Bei dieſer Gelegenheit lernte Guſtav den gräflichen Güterdirektor, Hauptmann Schroff, kennen. Guſtav hatte den Namen dieſes Mannes mehr als einmal nennen hören. Der alte Bauer pflegte ſeine grimmigſte Miene aufzuſetzen, wenn er von ihm ſprach. Der treibe ſeinem Herrn die kleinen Leute vor's Gewehr, wie die Hafen, behauptete er. Von anderer Seite wieder hatte Guſtav günſtigere Urteile über den Hauptmann gehört. Er ſei menſchenfreundlich und vertrete ſeine Arbeiter der Herrſchaft gegenüber, hieß es. Eine Anzahl neuer Arbeiterwohnungen, die erſt kürzlich an Stelle der bisherigen elenden Baracken errichtet worden waren, redeten das Lob des Güterdirektors. „Sind Sie etwa ein Sohn des alten Büttnerbauern?“ fragte der Hauptmann. „Zu Befehl Herr Hauptmann!“ „Giebt es denn auf dem Gute Ihres Vaters nichts für Sie zu thun?“ Das läge ſo in den Familienverhältniſſen, gab Guſtav ausweichend zur Antwort. Er ſchämte ſich nämlich, daß er, der Sohn des Büttnerbauern, ſich um einen Dienſt bewerben mußte. Hauptmann Schroff betrachtete ſich den jungen Menſchen genauer. Seine geweckten Züge und die ſtramme Haltung be¬ ſtachen den ehemaligen Offizier. „Von Ihnen könnte man am Ende mal was Genaueres erfahren, wie es mit der Büttnerſchen Sache eigentlich ſteht — was?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/198
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/198>, abgerufen am 04.12.2024.