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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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schöpft zu haben. Der Aufseheragent erhob sich und fragte,
ob sich weiter niemand melde, sonst werde er für heute Abend
die Liste schließen. Dann verließ er das Podium und mischte
sich unter die Menge. Hier und da blieb er stehen an den
Tischen, redete einzelne Leute an: er habe gerade noch eine
Stelle frei auf einem ausgezeichneten Gute, sie sollten sich nur dazu
halten, jetzt noch vor Thoresschluß ihr Glück zu machen. So
schritt er von Tisch zu Tisch.

Als er Gustavs ansichtig wurde, stutzte er. Einen Augen¬
blick schien er zu überlegen, wo er dieses Gesicht wohl schon
gesehen hätte. Er warf dem jungen Manne einen mißtrauischen
Blick aus seinen dunklen Augen zu. Dann aber, als habe er
sich eines anderen besonnen, hellten sich seine Züge plötzlich
auf. Wohlwollend reichte er dem erstaunten Gustav die Hand,
und meinte in vertraulichem Tone, wie zu einem alten Be¬
kannten: "Recht so, daß Sie auch hier sind! Haben sich's
also doch überlegt! Kommen Sie nur mit mir nach vorn,
mein Bester! Von Ihrer Art kann ich gerade noch einen ge¬
brauchen."

Gustav erwiderte dem Agenten, daß er sich irre, wenn er
ihn für einen Arbeitsuchenden halte.

"Wer spricht denn von Arbeit! Leute Ihres Schlages,
stellt man doch nicht zum Rübenhacken an. Für Sie habe ich
ganz was anderes in petto. Sie sind Unteroffizier gewesen --
nicht wahr?"

Gustav bejahte verdutzt. Woher wußte der Mensch das
bereits?

"Ihnen würde ich einen meiner Kontrakte verkaufen,
verstehen Sie!" sagte der Agent, näher an den jungen
Mann herantretend, mit gesenkter Stimme, andeutend, daß
die anderen das nicht mit anzuhören brauchten. "Das
heißt soviel: ich übergebe Ihnen einen Auftrag, den ich
von einem kleineren Gute erhalten habe, in eigene Enter¬
prise, verstehen Sie wohl! Sie besorgen sich die Leute selbst,
und gehen dann als Vorarbeiter, oder Aufseher, mit ihnen
hinaus."

ſchöpft zu haben. Der Aufſeheragent erhob ſich und fragte,
ob ſich weiter niemand melde, ſonſt werde er für heute Abend
die Liſte ſchließen. Dann verließ er das Podium und miſchte
ſich unter die Menge. Hier und da blieb er ſtehen an den
Tiſchen, redete einzelne Leute an: er habe gerade noch eine
Stelle frei auf einem ausgezeichneten Gute, ſie ſollten ſich nur dazu
halten, jetzt noch vor Thoresſchluß ihr Glück zu machen. So
ſchritt er von Tiſch zu Tiſch.

Als er Guſtavs anſichtig wurde, ſtutzte er. Einen Augen¬
blick ſchien er zu überlegen, wo er dieſes Geſicht wohl ſchon
geſehen hätte. Er warf dem jungen Manne einen mißtrauiſchen
Blick aus ſeinen dunklen Augen zu. Dann aber, als habe er
ſich eines anderen beſonnen, hellten ſich ſeine Züge plötzlich
auf. Wohlwollend reichte er dem erſtaunten Guſtav die Hand,
und meinte in vertraulichem Tone, wie zu einem alten Be¬
kannten: „Recht ſo, daß Sie auch hier ſind! Haben ſich's
alſo doch überlegt! Kommen Sie nur mit mir nach vorn,
mein Beſter! Von Ihrer Art kann ich gerade noch einen ge¬
brauchen.“

Guſtav erwiderte dem Agenten, daß er ſich irre, wenn er
ihn für einen Arbeitſuchenden halte.

„Wer ſpricht denn von Arbeit! Leute Ihres Schlages,
ſtellt man doch nicht zum Rübenhacken an. Für Sie habe ich
ganz was anderes in petto. Sie ſind Unteroffizier geweſen —
nicht wahr?“

Guſtav bejahte verdutzt. Woher wußte der Menſch das
bereits?

„Ihnen würde ich einen meiner Kontrakte verkaufen,
verſtehen Sie!“ ſagte der Agent, näher an den jungen
Mann herantretend, mit geſenkter Stimme, andeutend, daß
die anderen das nicht mit anzuhören brauchten. „Das
heißt ſoviel: ich übergebe Ihnen einen Auftrag, den ich
von einem kleineren Gute erhalten habe, in eigene Enter¬
priſe, verſtehen Sie wohl! Sie beſorgen ſich die Leute ſelbſt,
und gehen dann als Vorarbeiter, oder Aufſeher, mit ihnen
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[239/0253] ſchöpft zu haben. Der Aufſeheragent erhob ſich und fragte, ob ſich weiter niemand melde, ſonſt werde er für heute Abend die Liſte ſchließen. Dann verließ er das Podium und miſchte ſich unter die Menge. Hier und da blieb er ſtehen an den Tiſchen, redete einzelne Leute an: er habe gerade noch eine Stelle frei auf einem ausgezeichneten Gute, ſie ſollten ſich nur dazu halten, jetzt noch vor Thoresſchluß ihr Glück zu machen. So ſchritt er von Tiſch zu Tiſch. Als er Guſtavs anſichtig wurde, ſtutzte er. Einen Augen¬ blick ſchien er zu überlegen, wo er dieſes Geſicht wohl ſchon geſehen hätte. Er warf dem jungen Manne einen mißtrauiſchen Blick aus ſeinen dunklen Augen zu. Dann aber, als habe er ſich eines anderen beſonnen, hellten ſich ſeine Züge plötzlich auf. Wohlwollend reichte er dem erſtaunten Guſtav die Hand, und meinte in vertraulichem Tone, wie zu einem alten Be¬ kannten: „Recht ſo, daß Sie auch hier ſind! Haben ſich's alſo doch überlegt! Kommen Sie nur mit mir nach vorn, mein Beſter! Von Ihrer Art kann ich gerade noch einen ge¬ brauchen.“ Guſtav erwiderte dem Agenten, daß er ſich irre, wenn er ihn für einen Arbeitſuchenden halte. „Wer ſpricht denn von Arbeit! Leute Ihres Schlages, ſtellt man doch nicht zum Rübenhacken an. Für Sie habe ich ganz was anderes in petto. Sie ſind Unteroffizier geweſen — nicht wahr?“ Guſtav bejahte verdutzt. Woher wußte der Menſch das bereits? „Ihnen würde ich einen meiner Kontrakte verkaufen, verſtehen Sie!“ ſagte der Agent, näher an den jungen Mann herantretend, mit geſenkter Stimme, andeutend, daß die anderen das nicht mit anzuhören brauchten. „Das heißt ſoviel: ich übergebe Ihnen einen Auftrag, den ich von einem kleineren Gute erhalten habe, in eigene Enter¬ priſe, verſtehen Sie wohl! Sie beſorgen ſich die Leute ſelbſt, und gehen dann als Vorarbeiter, oder Aufſeher, mit ihnen hinaus.“

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/253>, abgerufen am 24.11.2024.