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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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nehmen eingelassen, dessen Ausgang zweifelhaft war, und in
verwegenem Galgenhumor meinte man, daß es auf ein paar
Dummheiten mehr oder weniger nicht ankomme.

Einer war, dem sehr wenig nach Lachen und Scherzen
zu Mute war: Gustav. Das junge Volk hatte nichts zu ver¬
lieren; die waren ohne Verantwortung. Was bedeutete es
ihnen, wenn sie brotlos wurden? Aber er, der für Weib und
Kind zu denken und zu sorgen hatte! --

Gegen Abend ließ der Inspektor sagen, er wünsche mit
dem Aufseher zu sprechen. Gustav begab sich hinüber. Häschke
legte ihm noch ans Herz, er solle "die Ohren steif halten" und
"auf keinen Fall klein beigeben".

Der Inspektor empfing den Aufseher auf ganz andere
Weise, als zu Mittag. Von der hochfahrenden Miene war
nichts mehr zu sehen, sein Ton war wesentlich freundlicher, er
bot Gustav sogar einen Stuhl an, was noch nie bisher vor¬
gekommen war.

Kein Zweifel, der Ausstand der Wanderarbeiter kam ihm
äußerst ungelegen. Man hatte auf den ausgedehnten Besitz¬
ungen des Herrn Hallstädt noch mehrere Abteilungen von
Sachsengängern in Lohn; wenn nun der Ausstand zu den
anderen Gruppen übersprang! Jetzt, wo gerade die Ernte auf
dem Felde stand und geborgen sein wollte! Wo sollte er
denn jetzt andere Leute herbekommen? Ringsum herrschte Ar¬
beiternot.

Der Inspektor verlangte von Gustav, er möge noch einmal
auseinandersetzen, was die Leute eigentlich wollten; Mittags
habe er es nicht ganz verstanden.

Der Aufseher wiederholte seine Forderungen.

Der Inspektor kratzte sich hinter dem Ohr. Wenn's nach
ihm gehe, sagte er, würden die Arbeiter alles bewilligt be¬
kommen, was sie verlangten, aber Herr Hallstädt habe sehr
bestimmte Ansichten und auf eine Bezahlung der Überstunden
im Tagelohn werde er niemals eingehen.

Gustav meinte, dann könne er ja mal zu Herrn Hallstädt
nach Welzleben gehen.

nehmen eingelaſſen, deſſen Ausgang zweifelhaft war, und in
verwegenem Galgenhumor meinte man, daß es auf ein paar
Dummheiten mehr oder weniger nicht ankomme.

Einer war, dem ſehr wenig nach Lachen und Scherzen
zu Mute war: Guſtav. Das junge Volk hatte nichts zu ver¬
lieren; die waren ohne Verantwortung. Was bedeutete es
ihnen, wenn ſie brotlos wurden? Aber er, der für Weib und
Kind zu denken und zu ſorgen hatte! —

Gegen Abend ließ der Inſpektor ſagen, er wünſche mit
dem Aufſeher zu ſprechen. Guſtav begab ſich hinüber. Häſchke
legte ihm noch ans Herz, er ſolle „die Ohren ſteif halten“ und
„auf keinen Fall klein beigeben“.

Der Inſpektor empfing den Aufſeher auf ganz andere
Weiſe, als zu Mittag. Von der hochfahrenden Miene war
nichts mehr zu ſehen, ſein Ton war weſentlich freundlicher, er
bot Guſtav ſogar einen Stuhl an, was noch nie bisher vor¬
gekommen war.

Kein Zweifel, der Ausſtand der Wanderarbeiter kam ihm
äußerſt ungelegen. Man hatte auf den ausgedehnten Beſitz¬
ungen des Herrn Hallſtädt noch mehrere Abteilungen von
Sachſengängern in Lohn; wenn nun der Ausſtand zu den
anderen Gruppen überſprang! Jetzt, wo gerade die Ernte auf
dem Felde ſtand und geborgen ſein wollte! Wo ſollte er
denn jetzt andere Leute herbekommen? Ringsum herrſchte Ar¬
beiternot.

Der Inſpektor verlangte von Guſtav, er möge noch einmal
auseinanderſetzen, was die Leute eigentlich wollten; Mittags
habe er es nicht ganz verſtanden.

Der Aufſeher wiederholte ſeine Forderungen.

Der Inſpektor kratzte ſich hinter dem Ohr. Wenn's nach
ihm gehe, ſagte er, würden die Arbeiter alles bewilligt be¬
kommen, was ſie verlangten, aber Herr Hallſtädt habe ſehr
beſtimmte Anſichten und auf eine Bezahlung der Überſtunden
im Tagelohn werde er niemals eingehen.

Guſtav meinte, dann könne er ja mal zu Herrn Hallſtädt
nach Welzleben gehen.

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[308/0322] nehmen eingelaſſen, deſſen Ausgang zweifelhaft war, und in verwegenem Galgenhumor meinte man, daß es auf ein paar Dummheiten mehr oder weniger nicht ankomme. Einer war, dem ſehr wenig nach Lachen und Scherzen zu Mute war: Guſtav. Das junge Volk hatte nichts zu ver¬ lieren; die waren ohne Verantwortung. Was bedeutete es ihnen, wenn ſie brotlos wurden? Aber er, der für Weib und Kind zu denken und zu ſorgen hatte! — Gegen Abend ließ der Inſpektor ſagen, er wünſche mit dem Aufſeher zu ſprechen. Guſtav begab ſich hinüber. Häſchke legte ihm noch ans Herz, er ſolle „die Ohren ſteif halten“ und „auf keinen Fall klein beigeben“. Der Inſpektor empfing den Aufſeher auf ganz andere Weiſe, als zu Mittag. Von der hochfahrenden Miene war nichts mehr zu ſehen, ſein Ton war weſentlich freundlicher, er bot Guſtav ſogar einen Stuhl an, was noch nie bisher vor¬ gekommen war. Kein Zweifel, der Ausſtand der Wanderarbeiter kam ihm äußerſt ungelegen. Man hatte auf den ausgedehnten Beſitz¬ ungen des Herrn Hallſtädt noch mehrere Abteilungen von Sachſengängern in Lohn; wenn nun der Ausſtand zu den anderen Gruppen überſprang! Jetzt, wo gerade die Ernte auf dem Felde ſtand und geborgen ſein wollte! Wo ſollte er denn jetzt andere Leute herbekommen? Ringsum herrſchte Ar¬ beiternot. Der Inſpektor verlangte von Guſtav, er möge noch einmal auseinanderſetzen, was die Leute eigentlich wollten; Mittags habe er es nicht ganz verſtanden. Der Aufſeher wiederholte ſeine Forderungen. Der Inſpektor kratzte ſich hinter dem Ohr. Wenn's nach ihm gehe, ſagte er, würden die Arbeiter alles bewilligt be¬ kommen, was ſie verlangten, aber Herr Hallſtädt habe ſehr beſtimmte Anſichten und auf eine Bezahlung der Überſtunden im Tagelohn werde er niemals eingehen. Guſtav meinte, dann könne er ja mal zu Herrn Hallſtädt nach Welzleben gehen.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/322>, abgerufen am 21.11.2024.