Gustav meinte darauf nur: Das kenne er schon! Wer weiß, wie vielen Mädeln Häschke bereits die Ehe versprochen habe. Er müsse doch verrückt sein, wenn er seine Schwester einem solchen Vagabunden zum Weibe gebe.
Man war inzwischen in die Nähe der Kaserne gekommen. Möglichst geräuschlos stiegen sie die Treppe hinauf. Häschke schlich sich in die Männerkammer. Gustav nahm die Schwester mit sich in die Aufseherwohnung. Dort wartete ihrer Pauline, mit besorgter Miene.
Der Aufseher war unwirsch, er gab seiner Frau keine Ant¬ wort auf ihre Fragen.
Die beiden Frauen wechselten einen Blick des Einverständ¬ nisses, den der Mann nicht bemerkte.
Die Verstimmung dauerte ein paar Tage; Gustav sprach nicht mit Häschke, die Schwester behandelte er wie die schlechteste seiner Arbeiterinnen. Des Nachts stand er zwei- dreimal auf, untersuchte den Männerschlafsaal, horchte an der Thür der Mädchen.
Am meisten hatte Pauline unter seiner Laune zu leiden. Sie sei mit den beiden im Bunde, behauptete er. Von irgend welchen Erklärungen und Entschuldigungen wollte er nichts wissen. Wenn man ihm sagte, Häschke meine es ehrlich und werde Ernestinen heiraten, bekam er einen roten Kopf und schrie die Leute an: er kenne Häschkekarln, er habe drei Jahre mit ihm gedient; auf weiteres ließ er sich nicht ein.
Mitten in diese Erregung fiel ein Brief aus der Heimat, von Frau Katschner an Pauline.
Die Witwe schrieb:
"Liebe Tochter!
Ich ergreife die Feder, um Dir zu schreiben. Hier ist es jetzt sehr einsam ohne Euch und gehen allerhand Dinge vor sich. Die gnädige Herrschaft aus Berlin
21*
Guſtav meinte darauf nur: Das kenne er ſchon! Wer weiß, wie vielen Mädeln Häſchke bereits die Ehe verſprochen habe. Er müſſe doch verrückt ſein, wenn er ſeine Schweſter einem ſolchen Vagabunden zum Weibe gebe.
Man war inzwiſchen in die Nähe der Kaſerne gekommen. Möglichſt geräuſchlos ſtiegen ſie die Treppe hinauf. Häſchke ſchlich ſich in die Männerkammer. Guſtav nahm die Schweſter mit ſich in die Aufſeherwohnung. Dort wartete ihrer Pauline, mit beſorgter Miene.
Der Aufſeher war unwirſch, er gab ſeiner Frau keine Ant¬ wort auf ihre Fragen.
Die beiden Frauen wechſelten einen Blick des Einverſtänd¬ niſſes, den der Mann nicht bemerkte.
Die Verſtimmung dauerte ein paar Tage; Guſtav ſprach nicht mit Häſchke, die Schweſter behandelte er wie die ſchlechteſte ſeiner Arbeiterinnen. Des Nachts ſtand er zwei- dreimal auf, unterſuchte den Männerſchlafſaal, horchte an der Thür der Mädchen.
Am meiſten hatte Pauline unter ſeiner Laune zu leiden. Sie ſei mit den beiden im Bunde, behauptete er. Von irgend welchen Erklärungen und Entſchuldigungen wollte er nichts wiſſen. Wenn man ihm ſagte, Häſchke meine es ehrlich und werde Erneſtinen heiraten, bekam er einen roten Kopf und ſchrie die Leute an: er kenne Häſchkekarln, er habe drei Jahre mit ihm gedient; auf weiteres ließ er ſich nicht ein.
Mitten in dieſe Erregung fiel ein Brief aus der Heimat, von Frau Katſchner an Pauline.
Die Witwe ſchrieb:
„Liebe Tochter!
Ich ergreife die Feder, um Dir zu ſchreiben. Hier iſt es jetzt ſehr einſam ohne Euch und gehen allerhand Dinge vor ſich. Die gnädige Herrſchaft aus Berlin
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Guſtav meinte darauf nur: Das kenne er ſchon! Wer
weiß, wie vielen Mädeln Häſchke bereits die Ehe verſprochen
habe. Er müſſe doch verrückt ſein, wenn er ſeine Schweſter
einem ſolchen Vagabunden zum Weibe gebe.
Man war inzwiſchen in die Nähe der Kaſerne gekommen.
Möglichſt geräuſchlos ſtiegen ſie die Treppe hinauf. Häſchke
ſchlich ſich in die Männerkammer. Guſtav nahm die Schweſter
mit ſich in die Aufſeherwohnung. Dort wartete ihrer Pauline,
mit beſorgter Miene.
Der Aufſeher war unwirſch, er gab ſeiner Frau keine Ant¬
wort auf ihre Fragen.
Die beiden Frauen wechſelten einen Blick des Einverſtänd¬
niſſes, den der Mann nicht bemerkte.
Die Verſtimmung dauerte ein paar Tage; Guſtav ſprach
nicht mit Häſchke, die Schweſter behandelte er wie die ſchlechteſte
ſeiner Arbeiterinnen. Des Nachts ſtand er zwei- dreimal auf,
unterſuchte den Männerſchlafſaal, horchte an der Thür der
Mädchen.
Am meiſten hatte Pauline unter ſeiner Laune zu leiden.
Sie ſei mit den beiden im Bunde, behauptete er. Von irgend
welchen Erklärungen und Entſchuldigungen wollte er nichts
wiſſen. Wenn man ihm ſagte, Häſchke meine es ehrlich und
werde Erneſtinen heiraten, bekam er einen roten Kopf und
ſchrie die Leute an: er kenne Häſchkekarln, er habe drei Jahre
mit ihm gedient; auf weiteres ließ er ſich nicht ein.
Mitten in dieſe Erregung fiel ein Brief aus der Heimat,
von Frau Katſchner an Pauline.
Die Witwe ſchrieb:
„Liebe Tochter!
Ich ergreife die Feder, um Dir zu ſchreiben. Hier
iſt es jetzt ſehr einſam ohne Euch und gehen allerhand
Dinge vor ſich. Die gnädige Herrſchaft aus Berlin
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/337>, abgerufen am 21.11.2024.
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