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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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schen Hofe, ging in's Haus und guckte in alle Zimmer. Da
sie niemanden antraf, that sie sich ein Gütchen im Durchschnüffeln
der verwaisten Räumlichkeiten. Dann begab sie sich hinaus auf's
Feld, wo sie den Bauern alsbald beim Kleehauen traf.

Er schien völlig vertieft in seine Arbeit. Ehe sie an ihn
herantrat, betrachtete sie ihn sich eine Weile voll Mitgefühl,
das nicht frei war von selbstischem Behagen. -- Der Ärmste!
man sah ihm den Witwer recht an. In seinen Beinkleidern
war ein Loch, das man auf zwanzig Schritt leuchten sah. Er
war gewiß recht unglücklich! Keine sorgende Pflege! Nun erfuhr
er, was es hieß: ledig sein. --

Die Witwe räusperte sich und suchte in ihr: "Guntagoch,
Büttnerbauer!" soviel Freundlichkeit und Teilnahmegefühl zu
legen, wie nur möglich. Kein Gegengruß kam, er sah nicht
einmal auf von seiner Arbeit. Aber die Witwe Katschner war
nicht so leicht abzuschrecken -- sie war sich ja ihres guten
Zweckes bewußt. -- daher that sie, als bemerke sie seine ab¬
weisende Haltung gar nicht.

Sie begann damit, zu berichten, daß sie kürzlich einen
Brief von Paulinen bekommen habe. Der Alte handhabte die
Sense in gleichmäßig abgerundetem Schwunge, als gäbe es
auf der Welt nichts, als den Klee und ihn. Die Witwe, die
sich zu diesem Gange eine gute Schürze vorgebunden und ein
neues Kopftuch angelegt hatte, sah ihm zu. Das mußte man
sagen, er war immer noch ein kräftiger Mann, trotz seiner
Sechzig, aber fürchterlich anzusehen, mit seinem langen Haar
und den zolllangen Stoppeln um den Mund. Ganz abge¬
magert war er und hohläugig. Er härmte sich gewiß, sehnte
sich nach einer mitleidigen Seele. Wahrscheinlich hatte er
nichts Ordentliches zu essen, und keine Abwartung. Wahrlich,
hier war es die höchste Zeit, daß eine Frau eingriff! --

Sie entfaltete den Brief und fragte, ob er nichts von seinen
Kindern in der Fremde wissen wolle. Darauf hielt der Bauer
im Hauen inne. Frau Katschner entnahm daraus die Erlaub¬
nis, vorzulesen.

Der Brief enthielt Nachrichten über das Ergehen der

ſchen Hofe, ging in's Haus und guckte in alle Zimmer. Da
ſie niemanden antraf, that ſie ſich ein Gütchen im Durchſchnüffeln
der verwaiſten Räumlichkeiten. Dann begab ſie ſich hinaus auf's
Feld, wo ſie den Bauern alsbald beim Kleehauen traf.

Er ſchien völlig vertieft in ſeine Arbeit. Ehe ſie an ihn
herantrat, betrachtete ſie ihn ſich eine Weile voll Mitgefühl,
das nicht frei war von ſelbſtiſchem Behagen. — Der Ärmſte!
man ſah ihm den Witwer recht an. In ſeinen Beinkleidern
war ein Loch, das man auf zwanzig Schritt leuchten ſah. Er
war gewiß recht unglücklich! Keine ſorgende Pflege! Nun erfuhr
er, was es hieß: ledig ſein. —

Die Witwe räuſperte ſich und ſuchte in ihr: „Guntagoch,
Büttnerbauer!“ ſoviel Freundlichkeit und Teilnahmegefühl zu
legen, wie nur möglich. Kein Gegengruß kam, er ſah nicht
einmal auf von ſeiner Arbeit. Aber die Witwe Katſchner war
nicht ſo leicht abzuſchrecken — ſie war ſich ja ihres guten
Zweckes bewußt. — daher that ſie, als bemerke ſie ſeine ab¬
weiſende Haltung gar nicht.

Sie begann damit, zu berichten, daß ſie kürzlich einen
Brief von Paulinen bekommen habe. Der Alte handhabte die
Senſe in gleichmäßig abgerundetem Schwunge, als gäbe es
auf der Welt nichts, als den Klee und ihn. Die Witwe, die
ſich zu dieſem Gange eine gute Schürze vorgebunden und ein
neues Kopftuch angelegt hatte, ſah ihm zu. Das mußte man
ſagen, er war immer noch ein kräftiger Mann, trotz ſeiner
Sechzig, aber fürchterlich anzuſehen, mit ſeinem langen Haar
und den zolllangen Stoppeln um den Mund. Ganz abge¬
magert war er und hohläugig. Er härmte ſich gewiß, ſehnte
ſich nach einer mitleidigen Seele. Wahrſcheinlich hatte er
nichts Ordentliches zu eſſen, und keine Abwartung. Wahrlich,
hier war es die höchſte Zeit, daß eine Frau eingriff! —

Sie entfaltete den Brief und fragte, ob er nichts von ſeinen
Kindern in der Fremde wiſſen wolle. Darauf hielt der Bauer
im Hauen inne. Frau Katſchner entnahm daraus die Erlaub¬
nis, vorzuleſen.

Der Brief enthielt Nachrichten über das Ergehen der

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[332/0346] ſchen Hofe, ging in's Haus und guckte in alle Zimmer. Da ſie niemanden antraf, that ſie ſich ein Gütchen im Durchſchnüffeln der verwaiſten Räumlichkeiten. Dann begab ſie ſich hinaus auf's Feld, wo ſie den Bauern alsbald beim Kleehauen traf. Er ſchien völlig vertieft in ſeine Arbeit. Ehe ſie an ihn herantrat, betrachtete ſie ihn ſich eine Weile voll Mitgefühl, das nicht frei war von ſelbſtiſchem Behagen. — Der Ärmſte! man ſah ihm den Witwer recht an. In ſeinen Beinkleidern war ein Loch, das man auf zwanzig Schritt leuchten ſah. Er war gewiß recht unglücklich! Keine ſorgende Pflege! Nun erfuhr er, was es hieß: ledig ſein. — Die Witwe räuſperte ſich und ſuchte in ihr: „Guntagoch, Büttnerbauer!“ ſoviel Freundlichkeit und Teilnahmegefühl zu legen, wie nur möglich. Kein Gegengruß kam, er ſah nicht einmal auf von ſeiner Arbeit. Aber die Witwe Katſchner war nicht ſo leicht abzuſchrecken — ſie war ſich ja ihres guten Zweckes bewußt. — daher that ſie, als bemerke ſie ſeine ab¬ weiſende Haltung gar nicht. Sie begann damit, zu berichten, daß ſie kürzlich einen Brief von Paulinen bekommen habe. Der Alte handhabte die Senſe in gleichmäßig abgerundetem Schwunge, als gäbe es auf der Welt nichts, als den Klee und ihn. Die Witwe, die ſich zu dieſem Gange eine gute Schürze vorgebunden und ein neues Kopftuch angelegt hatte, ſah ihm zu. Das mußte man ſagen, er war immer noch ein kräftiger Mann, trotz ſeiner Sechzig, aber fürchterlich anzuſehen, mit ſeinem langen Haar und den zolllangen Stoppeln um den Mund. Ganz abge¬ magert war er und hohläugig. Er härmte ſich gewiß, ſehnte ſich nach einer mitleidigen Seele. Wahrſcheinlich hatte er nichts Ordentliches zu eſſen, und keine Abwartung. Wahrlich, hier war es die höchſte Zeit, daß eine Frau eingriff! — Sie entfaltete den Brief und fragte, ob er nichts von ſeinen Kindern in der Fremde wiſſen wolle. Darauf hielt der Bauer im Hauen inne. Frau Katſchner entnahm daraus die Erlaub¬ nis, vorzuleſen. Der Brief enthielt Nachrichten über das Ergehen der

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/346>, abgerufen am 21.11.2024.