nur ein Rittergut, war durch die Regulierung und die Ge¬ meinheitsteilung und später durch Ankauf von Bauerland zu ihrer jetzigen Größe angewachsen. Das Büttnersche Bauerngut lag bereits von drei Seiten umklammert von herrschaftlichem Besitz. Der Büttnerbauer sah mit wachsender Besorgnis dem immer weiteren Vordringen des mächtigen Nachbars zu. Seine Ohnmacht hatte allmählich eine grimmige Wut in ihm erzeugt gegen alles, was mit der Herrschaft Saland in Zusammen¬ hang stand. Verschärft war seine Gehässigkeit noch worden, seit er bei einem Konflikte, den er mit der Herrschaft wegen Übertritts des Dammwildes auf seine Felder gehabt, in der Wildschadenersatzklage abschlägig beschieden worden war.
Man schritt den Wiesenpfad hinab, am Bache entlang. Von rechts und links, von den höher gelegenen Feldstücken, drückte das Wasser nach der Bachmulde zu. Das dunkle, allzu üppige Grün verriet die Feuchtigkeit einzelner Flecken. Es gab Stellen, wo der Boden unter dem Tritt des Fußes erzitterte und nachzugeben schien. Der ganze Wiesengrund war versumpft.
Gustav meinte, daß hier Drainage angezeigt sei.
"Wu sullt ak daderzut 's Geld rauskumma, un de Zeit!" rief der Büttnerbauer. "Mir warn a su och schunsten ne fertg! Unserens kann'ch mit su was duch ne abgahn. Drainir¬ chen, das is ganz scheen und ganz gutt for an Ritterguts¬ besitzer, oder anen Ökonomen; aber a Pauer . . . ."
Er vollendete seine Rede nicht, verfiel in Nachdenken. Die ganze Zeit über hatte er etwas auf dem Herzen, dem Sohne gegenüber, aber er scheute das unumwundene Geständnis.
"Es mechten eben a poar Fausten mehr sein, für's Gutt!" sagte er schließlich. "Mir sein zu wing Mannsen, Karle und ich, mir zwee alleene. Die Weibsen thäten schun zulanga; aber dos federt ne su: Weiberarbeit. Mir zwee, Karle und ich, mir wern de Arbeit ne Herre. A dritter mechte hier sein!" --
Gustav wußte nun schon, worauf der Alte hinaus wollte. Es war die alte Geschichte. Daß er dem Vater fehle bei der Arbeit, wollte er schon glauben. Denn Karl war ja doch nicht
nur ein Rittergut, war durch die Regulierung und die Ge¬ meinheitsteilung und ſpäter durch Ankauf von Bauerland zu ihrer jetzigen Größe angewachſen. Das Büttnerſche Bauerngut lag bereits von drei Seiten umklammert von herrſchaftlichem Beſitz. Der Büttnerbauer ſah mit wachſender Beſorgnis dem immer weiteren Vordringen des mächtigen Nachbars zu. Seine Ohnmacht hatte allmählich eine grimmige Wut in ihm erzeugt gegen alles, was mit der Herrſchaft Saland in Zuſammen¬ hang ſtand. Verſchärft war ſeine Gehäſſigkeit noch worden, ſeit er bei einem Konflikte, den er mit der Herrſchaft wegen Übertritts des Dammwildes auf ſeine Felder gehabt, in der Wildſchadenerſatzklage abſchlägig beſchieden worden war.
Man ſchritt den Wieſenpfad hinab, am Bache entlang. Von rechts und links, von den höher gelegenen Feldſtücken, drückte das Waſſer nach der Bachmulde zu. Das dunkle, allzu üppige Grün verriet die Feuchtigkeit einzelner Flecken. Es gab Stellen, wo der Boden unter dem Tritt des Fußes erzitterte und nachzugeben ſchien. Der ganze Wieſengrund war verſumpft.
Guſtav meinte, daß hier Drainage angezeigt ſei.
„Wu ſullt ak daderzut 's Geld rauskumma, un de Zeit!“ rief der Büttnerbauer. „Mir warn a ſu och ſchunſten ne fertg! Unſerens kann'ch mit ſu was duch ne abgahn. Drainir¬ chen, das is ganz ſcheen und ganz gutt for an Ritterguts¬ beſitzer, oder anen Ökonomen; aber a Pauer . . . .“
Er vollendete ſeine Rede nicht, verfiel in Nachdenken. Die ganze Zeit über hatte er etwas auf dem Herzen, dem Sohne gegenüber, aber er ſcheute das unumwundene Geſtändnis.
„Es mechten eben a poar Fauſten mehr ſein, für's Gutt!“ ſagte er ſchließlich. „Mir ſein zu wing Mannſen, Karle und ich, mir zwee alleene. Die Weibſen thäten ſchun zulanga; aber dos federt ne ſu: Weiberarbeit. Mir zwee, Karle und ich, mir wern de Arbeit ne Herre. A dritter mechte hier ſein!“ —
Guſtav wußte nun ſchon, worauf der Alte hinaus wollte. Es war die alte Geſchichte. Daß er dem Vater fehle bei der Arbeit, wollte er ſchon glauben. Denn Karl war ja doch nicht
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[25/0039]
nur ein Rittergut, war durch die Regulierung und die Ge¬
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ihrer jetzigen Größe angewachſen. Das Büttnerſche Bauerngut
lag bereits von drei Seiten umklammert von herrſchaftlichem
Beſitz. Der Büttnerbauer ſah mit wachſender Beſorgnis dem
immer weiteren Vordringen des mächtigen Nachbars zu. Seine
Ohnmacht hatte allmählich eine grimmige Wut in ihm erzeugt
gegen alles, was mit der Herrſchaft Saland in Zuſammen¬
hang ſtand. Verſchärft war ſeine Gehäſſigkeit noch worden,
ſeit er bei einem Konflikte, den er mit der Herrſchaft wegen
Übertritts des Dammwildes auf ſeine Felder gehabt, in der
Wildſchadenerſatzklage abſchlägig beſchieden worden war.
Man ſchritt den Wieſenpfad hinab, am Bache entlang.
Von rechts und links, von den höher gelegenen Feldſtücken,
drückte das Waſſer nach der Bachmulde zu. Das dunkle,
allzu üppige Grün verriet die Feuchtigkeit einzelner Flecken.
Es gab Stellen, wo der Boden unter dem Tritt des Fußes
erzitterte und nachzugeben ſchien. Der ganze Wieſengrund
war verſumpft.
Guſtav meinte, daß hier Drainage angezeigt ſei.
„Wu ſullt ak daderzut 's Geld rauskumma, un de Zeit!“
rief der Büttnerbauer. „Mir warn a ſu och ſchunſten ne
fertg! Unſerens kann'ch mit ſu was duch ne abgahn. Drainir¬
chen, das is ganz ſcheen und ganz gutt for an Ritterguts¬
beſitzer, oder anen Ökonomen; aber a Pauer . . . .“
Er vollendete ſeine Rede nicht, verfiel in Nachdenken.
Die ganze Zeit über hatte er etwas auf dem Herzen, dem
Sohne gegenüber, aber er ſcheute das unumwundene Geſtändnis.
„Es mechten eben a poar Fauſten mehr ſein, für's Gutt!“
ſagte er ſchließlich. „Mir ſein zu wing Mannſen, Karle und
ich, mir zwee alleene. Die Weibſen thäten ſchun zulanga; aber
dos federt ne ſu: Weiberarbeit. Mir zwee, Karle und ich,
mir wern de Arbeit ne Herre. A dritter mechte hier ſein!“ —
Guſtav wußte nun ſchon, worauf der Alte hinaus wollte.
Es war die alte Geſchichte. Daß er dem Vater fehle bei der
Arbeit, wollte er ſchon glauben. Denn Karl war ja doch nicht
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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