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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Längst war es ihr ein Dorn im Auge gewesen, zu sehen, wie
die Kühe bis an die Euter im Miste standen; da mußte mal
ordentlich ausgeräumt werden! -- Eines schönen Vormittags
machte sie sich daran, mistete den Stall, karrte den Mist auf
die Düngerstätte, und streute dem Vieh neu ein.

Des Sonntags ging sie in den Kretscham zum Tanze. Dort
war sie mit ihrem Seidenkleide und durch den Ruf des außer¬
gewöhnlichen Glückes, das sie gemacht, die gefeiertste und be¬
gehrteste Tänzerin. Und Toni war harmlos genug geblieben,
sich über diesen Erfolg von Herzen zu freuen.

Ernestine rümpfte die Nase über die Aufführung ihrer
Schwester. Auch für Gustav war das Wiedersehen mit
Toni peinlich. Er hatte genug vom Leben kennen gelernt, um
zu wissen, daß sich ein Mädchen auf anständige Weise nicht
soviel Geld verdient, wie Toni verthat.

Toni selbst begriff nicht, warum die Geschwister ihr so
kühl begegneten. Sie hatte erwartet, daß die Ihrigen sie mit
Jubel aufnehmen und sich an ihrem Glücke freuen würden,
und war nun erstaunt, als sie auf Zurückhaltung stieß. Aber
sie war nicht dazu veranlagt, sich Skrupel zu machen.

Aus Berlin kam ein Geldbrief an Toni an. Sie lief
damit bei den Verwandten umher, zeigte ihnen, in naiver
Freude, wie ihr Freund sie bedacht habe. Sie beschenkte
Theresen für ihre Mühe um das verstorbene Kind, und
sprach davon, dem Vater etwas zuwenden zu wollen. Kurz,
sie gefiel sich der Familie gegenüber in der Rolle einer
Gönnerin.

Am Morgen vor Tonis Abreise, rief der alte Bauer
seinen Sohn Gustav beiseite; er hatte offenbar etwas auf
dem Herzen. Nach einigem Drucksen, wie es seine Art war,
fing er an, den Sohn auszuforschen: woher Toni die schönen
Kleider habe und wie sie zu soviel Geld käme.

Gustav merkte bald, worauf der Vater hinauswollte. Er
hielt mit seiner Ansicht über Tonis Erwerbsquellen nicht hinter
dem Berge.

Der alte Mann griff in die Tasche, holte etwas in Pa¬

Längſt war es ihr ein Dorn im Auge geweſen, zu ſehen, wie
die Kühe bis an die Euter im Miſte ſtanden; da mußte mal
ordentlich ausgeräumt werden! — Eines ſchönen Vormittags
machte ſie ſich daran, miſtete den Stall, karrte den Miſt auf
die Düngerſtätte, und ſtreute dem Vieh neu ein.

Des Sonntags ging ſie in den Kretſcham zum Tanze. Dort
war ſie mit ihrem Seidenkleide und durch den Ruf des außer¬
gewöhnlichen Glückes, das ſie gemacht, die gefeiertſte und be¬
gehrteſte Tänzerin. Und Toni war harmlos genug geblieben,
ſich über dieſen Erfolg von Herzen zu freuen.

Erneſtine rümpfte die Naſe über die Aufführung ihrer
Schweſter. Auch für Guſtav war das Wiederſehen mit
Toni peinlich. Er hatte genug vom Leben kennen gelernt, um
zu wiſſen, daß ſich ein Mädchen auf anſtändige Weiſe nicht
ſoviel Geld verdient, wie Toni verthat.

Toni ſelbſt begriff nicht, warum die Geſchwiſter ihr ſo
kühl begegneten. Sie hatte erwartet, daß die Ihrigen ſie mit
Jubel aufnehmen und ſich an ihrem Glücke freuen würden,
und war nun erſtaunt, als ſie auf Zurückhaltung ſtieß. Aber
ſie war nicht dazu veranlagt, ſich Skrupel zu machen.

Aus Berlin kam ein Geldbrief an Toni an. Sie lief
damit bei den Verwandten umher, zeigte ihnen, in naiver
Freude, wie ihr Freund ſie bedacht habe. Sie beſchenkte
Thereſen für ihre Mühe um das verſtorbene Kind, und
ſprach davon, dem Vater etwas zuwenden zu wollen. Kurz,
ſie gefiel ſich der Familie gegenüber in der Rolle einer
Gönnerin.

Am Morgen vor Tonis Abreiſe, rief der alte Bauer
ſeinen Sohn Guſtav beiſeite; er hatte offenbar etwas auf
dem Herzen. Nach einigem Druckſen, wie es ſeine Art war,
fing er an, den Sohn auszuforſchen: woher Toni die ſchönen
Kleider habe und wie ſie zu ſoviel Geld käme.

Guſtav merkte bald, worauf der Vater hinauswollte. Er
hielt mit ſeiner Anſicht über Tonis Erwerbsquellen nicht hinter
dem Berge.

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[386/0400] Längſt war es ihr ein Dorn im Auge geweſen, zu ſehen, wie die Kühe bis an die Euter im Miſte ſtanden; da mußte mal ordentlich ausgeräumt werden! — Eines ſchönen Vormittags machte ſie ſich daran, miſtete den Stall, karrte den Miſt auf die Düngerſtätte, und ſtreute dem Vieh neu ein. Des Sonntags ging ſie in den Kretſcham zum Tanze. Dort war ſie mit ihrem Seidenkleide und durch den Ruf des außer¬ gewöhnlichen Glückes, das ſie gemacht, die gefeiertſte und be¬ gehrteſte Tänzerin. Und Toni war harmlos genug geblieben, ſich über dieſen Erfolg von Herzen zu freuen. Erneſtine rümpfte die Naſe über die Aufführung ihrer Schweſter. Auch für Guſtav war das Wiederſehen mit Toni peinlich. Er hatte genug vom Leben kennen gelernt, um zu wiſſen, daß ſich ein Mädchen auf anſtändige Weiſe nicht ſoviel Geld verdient, wie Toni verthat. Toni ſelbſt begriff nicht, warum die Geſchwiſter ihr ſo kühl begegneten. Sie hatte erwartet, daß die Ihrigen ſie mit Jubel aufnehmen und ſich an ihrem Glücke freuen würden, und war nun erſtaunt, als ſie auf Zurückhaltung ſtieß. Aber ſie war nicht dazu veranlagt, ſich Skrupel zu machen. Aus Berlin kam ein Geldbrief an Toni an. Sie lief damit bei den Verwandten umher, zeigte ihnen, in naiver Freude, wie ihr Freund ſie bedacht habe. Sie beſchenkte Thereſen für ihre Mühe um das verſtorbene Kind, und ſprach davon, dem Vater etwas zuwenden zu wollen. Kurz, ſie gefiel ſich der Familie gegenüber in der Rolle einer Gönnerin. Am Morgen vor Tonis Abreiſe, rief der alte Bauer ſeinen Sohn Guſtav beiſeite; er hatte offenbar etwas auf dem Herzen. Nach einigem Druckſen, wie es ſeine Art war, fing er an, den Sohn auszuforſchen: woher Toni die ſchönen Kleider habe und wie ſie zu ſoviel Geld käme. Guſtav merkte bald, worauf der Vater hinauswollte. Er hielt mit ſeiner Anſicht über Tonis Erwerbsquellen nicht hinter dem Berge. Der alte Mann griff in die Taſche, holte etwas in Pa¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/400>, abgerufen am 01.06.2024.