Gegensatz zum lebhaften Wesen seines Geschäftsfreundes, eine gleichgiltige apathische Ruhe zur Schau trug.
"Darauf kommts hier gar nicht an!" rief Harrassowitz. "Bei einem Gute von über zweihundert Morgen besten Bodens! Die Hypothek ist todsicher."
"Weshalb ist sie gekündigt?" fragte Schönberger.
"Der Bruder hatte sie," erklärte Harrassowitz. "Der hat gekündigt, weil er das Geld im Geschäft braucht. Muß auch verrückt sein, der Herr, daß er so 'ne Hypothek weggiebt! -- Seien Sie vernünftig, Schönberger, geben Sie das Geld!"
Der fette Mann nahm ein Notizbuch zur Hand, befeuchtete die Beistiftspitze, dann forderte er den Bauern auf, ihm die einzelnen Posten der Reihe nach zu nennen.
Es bedurfte einiger Zeit, ehe der alte Mann die Zahlen in seinem Gedächtnis gefunden hatte. Aber schließlich brachte er doch alles richtig zusammen.
Da war zuerst die Landschaft mit viertausend Mark, dann kamen die Geschwister: Karl Leberecht und Gottlieb, die verstorbene Schwester Karoline, an deren Stelle jetzt ihre Erben: Ernst Kaschel und seine Kinder, ferner die Schwester Ernestine. Sämtliche zu gleichen Teilen und mit gleichem Vorrecht. Da¬ hinter kamen immer noch neue Schuldposten, unter diesen Ernst Kaschel mit siebzehnhundert Mark.
Der Mann im Lehnstuhle saß da mit der ihm eigenen verdrossenen Miene und notierte jede Ziffer, die sich von den zagenden Lippen des Alten losrang, mit kühler Ruhe. Weder Staunen noch Erregung schien sich in den Fleischmassen dieses gedunsenen Gesichtes ausdrücken zu können "Ist das alles?" fragte er, als der Bauer endlich schwieg. Der Büttnerbauer bejahte.
"Sie sollen das Geld haben!" war alles, was die belegte Stimme darauf sagte.
Harrassowitz sprang von seinem Sitze auf. "Was habe ich Ihnen gesagt, Büttner! Mein Freund Schönberger ist ein edler Mann! Sehen Sie, er giebt das Geld!"
"Wieviel hat Ihr Bruder Prozent gegeben?" fragte Schön¬ berger.
Gegenſatz zum lebhaften Weſen ſeines Geſchäftsfreundes, eine gleichgiltige apathiſche Ruhe zur Schau trug.
„Darauf kommts hier gar nicht an!“ rief Harraſſowitz. „Bei einem Gute von über zweihundert Morgen beſten Bodens! Die Hypothek iſt todſicher.“
„Weshalb iſt ſie gekündigt?“ fragte Schönberger.
„Der Bruder hatte ſie,“ erklärte Harraſſowitz. „Der hat gekündigt, weil er das Geld im Geſchäft braucht. Muß auch verrückt ſein, der Herr, daß er ſo 'ne Hypothek weggiebt! — Seien Sie vernünftig, Schönberger, geben Sie das Geld!“
Der fette Mann nahm ein Notizbuch zur Hand, befeuchtete die Beiſtiftſpitze, dann forderte er den Bauern auf, ihm die einzelnen Poſten der Reihe nach zu nennen.
Es bedurfte einiger Zeit, ehe der alte Mann die Zahlen in ſeinem Gedächtnis gefunden hatte. Aber ſchließlich brachte er doch alles richtig zuſammen.
Da war zuerſt die Landſchaft mit viertauſend Mark, dann kamen die Geſchwiſter: Karl Leberecht und Gottlieb, die verſtorbene Schweſter Karoline, an deren Stelle jetzt ihre Erben: Ernſt Kaſchel und ſeine Kinder, ferner die Schweſter Erneſtine. Sämtliche zu gleichen Teilen und mit gleichem Vorrecht. Da¬ hinter kamen immer noch neue Schuldpoſten, unter dieſen Ernſt Kaſchel mit ſiebzehnhundert Mark.
Der Mann im Lehnſtuhle ſaß da mit der ihm eigenen verdroſſenen Miene und notierte jede Ziffer, die ſich von den zagenden Lippen des Alten losrang, mit kühler Ruhe. Weder Staunen noch Erregung ſchien ſich in den Fleiſchmaſſen dieſes gedunſenen Geſichtes ausdrücken zu können „Iſt das alles?“ fragte er, als der Bauer endlich ſchwieg. Der Büttnerbauer bejahte.
„Sie ſollen das Geld haben!“ war alles, was die belegte Stimme darauf ſagte.
Harraſſowitz ſprang von ſeinem Sitze auf. „Was habe ich Ihnen geſagt, Büttner! Mein Freund Schönberger iſt ein edler Mann! Sehen Sie, er giebt das Geld!“
„Wieviel hat Ihr Bruder Prozent gegeben?“ fragte Schön¬ berger.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0067"n="53"/>
Gegenſatz zum lebhaften Weſen ſeines Geſchäftsfreundes, eine<lb/>
gleichgiltige apathiſche Ruhe zur Schau trug.</p><lb/><p>„Darauf kommts hier gar nicht an!“ rief Harraſſowitz.<lb/>„Bei einem Gute von über zweihundert Morgen beſten Bodens!<lb/>
Die Hypothek iſt todſicher.“</p><lb/><p>„Weshalb iſt ſie gekündigt?“ fragte Schönberger.</p><lb/><p>„Der Bruder hatte ſie,“ erklärte Harraſſowitz. „Der hat<lb/>
gekündigt, weil er das Geld im Geſchäft braucht. Muß<lb/>
auch verrückt ſein, der Herr, daß er ſo 'ne Hypothek weggiebt!<lb/>— Seien Sie vernünftig, Schönberger, geben Sie das Geld!“</p><lb/><p>Der fette Mann nahm ein Notizbuch zur Hand, befeuchtete<lb/>
die Beiſtiftſpitze, dann forderte er den Bauern auf, ihm die<lb/>
einzelnen Poſten der Reihe nach zu nennen.</p><lb/><p>Es bedurfte einiger Zeit, ehe der alte Mann die Zahlen<lb/>
in ſeinem Gedächtnis gefunden hatte. Aber ſchließlich brachte<lb/>
er doch alles richtig zuſammen.</p><lb/><p>Da war zuerſt die Landſchaft mit viertauſend Mark,<lb/>
dann kamen die Geſchwiſter: Karl Leberecht und Gottlieb, die<lb/>
verſtorbene Schweſter Karoline, an deren Stelle jetzt ihre Erben:<lb/>
Ernſt Kaſchel und ſeine Kinder, ferner die Schweſter Erneſtine.<lb/>
Sämtliche zu gleichen Teilen und mit gleichem Vorrecht. Da¬<lb/>
hinter kamen immer noch neue Schuldpoſten, unter dieſen Ernſt<lb/>
Kaſchel mit ſiebzehnhundert Mark.</p><lb/><p>Der Mann im Lehnſtuhle ſaß da mit der ihm eigenen<lb/>
verdroſſenen Miene und notierte jede Ziffer, die ſich von den<lb/>
zagenden Lippen des Alten losrang, mit kühler Ruhe. Weder<lb/>
Staunen noch Erregung ſchien ſich in den Fleiſchmaſſen dieſes<lb/>
gedunſenen Geſichtes ausdrücken zu können „Iſt das alles?“<lb/>
fragte er, als der Bauer endlich ſchwieg. Der Büttnerbauer bejahte.</p><lb/><p>„Sie ſollen das Geld haben!“ war alles, was die belegte<lb/>
Stimme darauf ſagte.</p><lb/><p>Harraſſowitz ſprang von ſeinem Sitze auf. „Was habe<lb/>
ich Ihnen geſagt, Büttner! Mein Freund Schönberger iſt ein<lb/>
edler Mann! Sehen Sie, er giebt das Geld!“</p><lb/><p>„Wieviel hat Ihr Bruder Prozent gegeben?“ fragte Schön¬<lb/>
berger.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[53/0067]
Gegenſatz zum lebhaften Weſen ſeines Geſchäftsfreundes, eine
gleichgiltige apathiſche Ruhe zur Schau trug.
„Darauf kommts hier gar nicht an!“ rief Harraſſowitz.
„Bei einem Gute von über zweihundert Morgen beſten Bodens!
Die Hypothek iſt todſicher.“
„Weshalb iſt ſie gekündigt?“ fragte Schönberger.
„Der Bruder hatte ſie,“ erklärte Harraſſowitz. „Der hat
gekündigt, weil er das Geld im Geſchäft braucht. Muß
auch verrückt ſein, der Herr, daß er ſo 'ne Hypothek weggiebt!
— Seien Sie vernünftig, Schönberger, geben Sie das Geld!“
Der fette Mann nahm ein Notizbuch zur Hand, befeuchtete
die Beiſtiftſpitze, dann forderte er den Bauern auf, ihm die
einzelnen Poſten der Reihe nach zu nennen.
Es bedurfte einiger Zeit, ehe der alte Mann die Zahlen
in ſeinem Gedächtnis gefunden hatte. Aber ſchließlich brachte
er doch alles richtig zuſammen.
Da war zuerſt die Landſchaft mit viertauſend Mark,
dann kamen die Geſchwiſter: Karl Leberecht und Gottlieb, die
verſtorbene Schweſter Karoline, an deren Stelle jetzt ihre Erben:
Ernſt Kaſchel und ſeine Kinder, ferner die Schweſter Erneſtine.
Sämtliche zu gleichen Teilen und mit gleichem Vorrecht. Da¬
hinter kamen immer noch neue Schuldpoſten, unter dieſen Ernſt
Kaſchel mit ſiebzehnhundert Mark.
Der Mann im Lehnſtuhle ſaß da mit der ihm eigenen
verdroſſenen Miene und notierte jede Ziffer, die ſich von den
zagenden Lippen des Alten losrang, mit kühler Ruhe. Weder
Staunen noch Erregung ſchien ſich in den Fleiſchmaſſen dieſes
gedunſenen Geſichtes ausdrücken zu können „Iſt das alles?“
fragte er, als der Bauer endlich ſchwieg. Der Büttnerbauer bejahte.
„Sie ſollen das Geld haben!“ war alles, was die belegte
Stimme darauf ſagte.
Harraſſowitz ſprang von ſeinem Sitze auf. „Was habe
ich Ihnen geſagt, Büttner! Mein Freund Schönberger iſt ein
edler Mann! Sehen Sie, er giebt das Geld!“
„Wieviel hat Ihr Bruder Prozent gegeben?“ fragte Schön¬
berger.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/67>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.