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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] Kerne anzutreffen sind. Diese Frucht
hat einen Näglein-Geruch und Ge-
schmack, welches den Alten Anlaß gege-
Nägleinnuß,
Nuß von
Madagascar.
ben, dieselben Nägleinnüsse oder Nüsse
von Madagascar
zu nennen, weil die-
ser Bäume die Menge auf der Jnsul
Laurentius/ allwo sie Ravendsora,
und die Frucht Rao-Ravendsora ge-
heissen wird, zu finden ist. Sie wird
auch in Brasilien gefunden, und von
den Portugiesen nach Lissabon, von
dannen wir sie insgemein bekommen,
Cravo de
Marenhan.
gebracht, und Cravo de Marenhan
genennet.

Das Nägleinholtz, oder vielmehr
die Nägleinrinde/ weil sie wie Näglein
schmeckt und riecht, ist ietziger Zeit so sehr
im Brauch, daß wenig Tabuletkrämer
sind, die sie nicht, klein zerstossen, für ge-
stossene Näglein verkauffen solten, und
dahero rechtschaffenen Handelsleuten
grossen Schaden thun, weil die gestosse-
nen Näglein wohl vier bis fünffmahl so
theuer sind, als diese Rinde. Sie ver-
kauffen dieselbe auch gantz an die Bür-
ger und Pastetenbecker, und bereden sie,
es sey die Rinde des Nägleinholtzes, wel-
ches doch die Unwahrheit, sintemahl die
Näglein nirgend anders woher, als aus
der Jnsul Ternate kommen, diese Rin-
de aber kommt aus Brasilien, und der
Jnsul S. Laurentius oder Mada-
gascar.

Weil nun diese Rinde so vielfältig ge-
brauchet wird, deswegen will ich sagen,
man solle diejenige erwehlen, welche von
der ersten Schale, die insgemein grau
und höckricht ist, gesaubert worden, tan-
netfarben siehet, sehr zarte ist, und einen
[Spaltenumbruch] beissenden, scharffen aromatischen Ge-
schmack hat: mit einem Worte, die dem
Geschmack der Näglein, so viel nur im-
mer möglich, beykomme. Auch mag
man Achtung geben, daß sie nicht mo-
dricht rieche, oder die Bündel mit dicken
Rinden, welche weder Geschmack noch
Geruch haben, verfälschet seyen, welches
sich gar ofte zuträgt.

Diese Rinde wird gar nicht zur Artz-
ney gebraucht, es müste denn von sol-
chen Leuten geschehen, die eine Tinctur
mit Brantwein oder Weinspiritus dar-
aus ziehen, und dieselbe ungescheut un-
ter dem Titel Nägleintinctur oder
Essentz verkauffen. Die Zuckerbecker
nehmen sie an statt der Näglein, und
machen davon ihre also genannten über-
zogenen Näglein.

Weil diese Wahre in kleinen Körben,
die aus Rohr gemacht, und mit Blät-
tern, welche gar angenehme anzusehen,
umwickelt sind, zu uns kommen, als ha-
be für gut angesehen, zu vermelden, daß
diese Blätter dasjenige seyn, welche der
P. Plumier Arum hederaceum foliis bi-
sectis, rigidis, scutatis,
d. i. Arum mit star-
cken, gefaltenen und gespaltenen Blät-
tern nennet. Wer mehr davon zu wis-
sen begehret, mag seine Zuflucht zu sei-
nem Buche nehmen, dann er es da-
selbst weitläufftig beschrieben. Mir aber
bedünckte nicht thunlich zu seyn, seinen
ziemlich langen Discurs hier anzufüh-
ren, da ohnediß diese Blätter nicht den
geringsten Nutzen haben, wir uns auch
deshalben nicht im geringsten drum be-
kümmern.

[Ende Spaltensatz]
Das sechste Capitel.
Von der Quinquina.
[Spaltenumbruch]

DJe Quinquina/ China China/
Peruvianische
oder Fieber-Kin-
de,
ist die äusserste Rinde des Stammes
und der Aeste von verschiedenen Bäu-
men, welche häuffig in Peru wachsen,
von dannen die Quinquina nach Cadix
und zu uns gebracht wird.

Weil ich niemahls in Peru gewesen,
und diesemnach von denen Bäumen,
welche die Quinquina tragen, nichts ge-
wisses melden kan, darum nahm ich mei-
ne Zuflucht zu dem Herrn Bernard,
einem königlichen Medico, welcher ein
[Spaltenumbruch] rechtschaffener Mann, auch was die
Kenntnüß der Simplicium betrifft, sehr
curieus ist, der dann so gefällig war, und
mir eine Beschreibung der Quinquina
mittheilete, die ihm der Herr Kinssot,
ein Medicus zu Rheims, gegeben, wel-
cher sie von einem seiner guten Freun-
de, Namens Gratian, so vier und
zwantzig Jahr in Portugall gewesen,
und zu vielen mahlen nach Jndien und
Peru gereiset, bekommen. Diese lau-
tet also:

Die

Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] Kerne anzutreffen ſind. Dieſe Frucht
hat einen Naͤglein-Geruch und Ge-
ſchmack, welches den Alten Anlaß gege-
Naͤgleinnuß,
Nuß von
Madagaſcar.
ben, dieſelbẽ Naͤgleinnuͤſſe oder Nuͤſſe
von Madagaſcar
zu nennen, weil die-
ſer Baͤume die Menge auf der Jnſul
Laurentius/ allwo ſie Ravendſora,
und die Frucht Rao-Ravendſora ge-
heiſſen wird, zu finden iſt. Sie wird
auch in Braſilien gefunden, und von
den Portugieſen nach Liſſabon, von
dannen wir ſie insgemein bekommen,
Cravo de
Marenhan.
gebracht, und Cravo de Marenhan
genennet.

Das Naͤgleinholtz, oder vielmehr
die Naͤgleinrinde/ weil ſie wie Naͤglein
ſchmeckt und riecht, iſt ietziger Zeit ſo ſehr
im Brauch, daß wenig Tabuletkraͤmer
ſind, die ſie nicht, klein zerſtoſſen, fuͤr ge-
ſtoſſene Naͤglein verkauffen ſolten, und
dahero rechtſchaffenen Handelsleuten
groſſen Schaden thun, weil die geſtoſſe-
nen Naͤglein wohl vier bis fuͤnffmahl ſo
theuer ſind, als dieſe Rinde. Sie ver-
kauffen dieſelbe auch gantz an die Buͤr-
ger und Paſtetenbecker, und bereden ſie,
es ſey die Rinde des Naͤgleinholtzes, wel-
ches doch die Unwahrheit, ſintemahl die
Naͤglein nirgend anders woher, als aus
der Jnſul Ternate kommen, dieſe Rin-
de aber kommt aus Braſilien, und der
Jnſul S. Laurentius oder Mada-
gaſcar.

Weil nun dieſe Rinde ſo vielfaͤltig ge-
brauchet wird, deswegen will ich ſagen,
man ſolle diejenige erwehlen, welche von
der erſten Schale, die insgemein grau
und hoͤckricht iſt, geſaubert worden, tan-
netfarben ſiehet, ſehr zarte iſt, und einen
[Spaltenumbruch] beiſſenden, ſcharffen aromatiſchen Ge-
ſchmack hat: mit einem Worte, die dem
Geſchmack der Naͤglein, ſo viel nur im-
mer moͤglich, beykomme. Auch mag
man Achtung geben, daß ſie nicht mo-
dricht rieche, oder die Buͤndel mit dicken
Rinden, welche weder Geſchmack noch
Geruch haben, verfaͤlſchet ſeyen, welches
ſich gar ofte zutraͤgt.

Dieſe Rinde wird gar nicht zur Artz-
ney gebraucht, es muͤſte denn von ſol-
chen Leuten geſchehen, die eine Tinctur
mit Brantwein oder Weinſpiritus dar-
aus ziehen, und dieſelbe ungeſcheut un-
ter dem Titel Naͤgleintinctur oder
Eſſentz verkauffen. Die Zuckerbecker
nehmen ſie an ſtatt der Naͤglein, und
machen davon ihre alſo genañten uͤber-
zogenen Naͤglein.

Weil dieſe Wahre in kleinen Koͤrben,
die aus Rohr gemacht, und mit Blaͤt-
tern, welche gar angenehme anzuſehen,
umwickelt ſind, zu uns kommen, als ha-
be fuͤr gut angeſehen, zu vermelden, daß
dieſe Blaͤtter dasjenige ſeyn, welche der
P. Plumier Arum hederaceum foliis bi-
ſectis, rigidis, ſcutatis,
d. i. Arum mit ſtar-
cken, gefaltenen und geſpaltenen Blaͤt-
tern nennet. Wer mehr davon zu wiſ-
ſen begehret, mag ſeine Zuflucht zu ſei-
nem Buche nehmen, dann er es da-
ſelbſt weitlaͤufftig beſchrieben. Mir aber
beduͤnckte nicht thunlich zu ſeyn, ſeinen
ziemlich langen Diſcurs hier anzufuͤh-
ren, da ohnediß dieſe Blaͤtter nicht den
geringſten Nutzen haben, wir uns auch
deshalben nicht im geringſten drum be-
kuͤmmern.

[Ende Spaltensatz]
Das ſechſte Capitel.
Von der Quinquina.
[Spaltenumbruch]

DJe Quinquina/ China China/
Peruvianiſche
oder Fieber-Kin-
de,
iſt die aͤuſſerſte Rinde des Stammes
und der Aeſte von verſchiedenen Baͤu-
men, welche haͤuffig in Peru wachſen,
von dannen die Quinquina nach Cadix
und zu uns gebracht wird.

Weil ich niemahls in Peru geweſen,
und dieſemnach von denen Baͤumen,
welche die Quinquina tragen, nichts ge-
wiſſes melden kan, darum nahm ich mei-
ne Zuflucht zu dem Herrn Bernard,
einem koͤniglichen Medico, welcher ein
[Spaltenumbruch] rechtſchaffener Mann, auch was die
Kenntnuͤß der Simplicium betrifft, ſehr
curieus iſt, der dann ſo gefaͤllig war, und
mir eine Beſchreibung der Quinquina
mittheilete, die ihm der Herr Kinſſot,
ein Medicus zu Rheims, gegeben, wel-
cher ſie von einem ſeiner guten Freun-
de, Namens Gratian, ſo vier und
zwantzig Jahr in Portugall geweſen,
und zu vielen mahlen nach Jndien und
Peru gereiſet, bekommen. Dieſe lau-
tet alſo:

Die
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[0152] Der Spezereyen und Materialien Kerne anzutreffen ſind. Dieſe Frucht hat einen Naͤglein-Geruch und Ge- ſchmack, welches den Alten Anlaß gege- ben, dieſelbẽ Naͤgleinnuͤſſe oder Nuͤſſe von Madagaſcar zu nennen, weil die- ſer Baͤume die Menge auf der Jnſul Laurentius/ allwo ſie Ravendſora, und die Frucht Rao-Ravendſora ge- heiſſen wird, zu finden iſt. Sie wird auch in Braſilien gefunden, und von den Portugieſen nach Liſſabon, von dannen wir ſie insgemein bekommen, gebracht, und Cravo de Marenhan genennet. Naͤgleinnuß, Nuß von Madagaſcar. Cravo de Marenhan. Das Naͤgleinholtz, oder vielmehr die Naͤgleinrinde/ weil ſie wie Naͤglein ſchmeckt und riecht, iſt ietziger Zeit ſo ſehr im Brauch, daß wenig Tabuletkraͤmer ſind, die ſie nicht, klein zerſtoſſen, fuͤr ge- ſtoſſene Naͤglein verkauffen ſolten, und dahero rechtſchaffenen Handelsleuten groſſen Schaden thun, weil die geſtoſſe- nen Naͤglein wohl vier bis fuͤnffmahl ſo theuer ſind, als dieſe Rinde. Sie ver- kauffen dieſelbe auch gantz an die Buͤr- ger und Paſtetenbecker, und bereden ſie, es ſey die Rinde des Naͤgleinholtzes, wel- ches doch die Unwahrheit, ſintemahl die Naͤglein nirgend anders woher, als aus der Jnſul Ternate kommen, dieſe Rin- de aber kommt aus Braſilien, und der Jnſul S. Laurentius oder Mada- gaſcar. Weil nun dieſe Rinde ſo vielfaͤltig ge- brauchet wird, deswegen will ich ſagen, man ſolle diejenige erwehlen, welche von der erſten Schale, die insgemein grau und hoͤckricht iſt, geſaubert worden, tan- netfarben ſiehet, ſehr zarte iſt, und einen beiſſenden, ſcharffen aromatiſchen Ge- ſchmack hat: mit einem Worte, die dem Geſchmack der Naͤglein, ſo viel nur im- mer moͤglich, beykomme. Auch mag man Achtung geben, daß ſie nicht mo- dricht rieche, oder die Buͤndel mit dicken Rinden, welche weder Geſchmack noch Geruch haben, verfaͤlſchet ſeyen, welches ſich gar ofte zutraͤgt. Dieſe Rinde wird gar nicht zur Artz- ney gebraucht, es muͤſte denn von ſol- chen Leuten geſchehen, die eine Tinctur mit Brantwein oder Weinſpiritus dar- aus ziehen, und dieſelbe ungeſcheut un- ter dem Titel Naͤgleintinctur oder Eſſentz verkauffen. Die Zuckerbecker nehmen ſie an ſtatt der Naͤglein, und machen davon ihre alſo genañten uͤber- zogenen Naͤglein. Weil dieſe Wahre in kleinen Koͤrben, die aus Rohr gemacht, und mit Blaͤt- tern, welche gar angenehme anzuſehen, umwickelt ſind, zu uns kommen, als ha- be fuͤr gut angeſehen, zu vermelden, daß dieſe Blaͤtter dasjenige ſeyn, welche der P. Plumier Arum hederaceum foliis bi- ſectis, rigidis, ſcutatis, d. i. Arum mit ſtar- cken, gefaltenen und geſpaltenen Blaͤt- tern nennet. Wer mehr davon zu wiſ- ſen begehret, mag ſeine Zuflucht zu ſei- nem Buche nehmen, dann er es da- ſelbſt weitlaͤufftig beſchrieben. Mir aber beduͤnckte nicht thunlich zu ſeyn, ſeinen ziemlich langen Diſcurs hier anzufuͤh- ren, da ohnediß dieſe Blaͤtter nicht den geringſten Nutzen haben, wir uns auch deshalben nicht im geringſten drum be- kuͤmmern. Das ſechſte Capitel. Von der Quinquina. DJe Quinquina/ China China/ Peruvianiſche oder Fieber-Kin- de, iſt die aͤuſſerſte Rinde des Stammes und der Aeſte von verſchiedenen Baͤu- men, welche haͤuffig in Peru wachſen, von dannen die Quinquina nach Cadix und zu uns gebracht wird. Weil ich niemahls in Peru geweſen, und dieſemnach von denen Baͤumen, welche die Quinquina tragen, nichts ge- wiſſes melden kan, darum nahm ich mei- ne Zuflucht zu dem Herrn Bernard, einem koͤniglichen Medico, welcher ein rechtſchaffener Mann, auch was die Kenntnuͤß der Simplicium betrifft, ſehr curieus iſt, der dann ſo gefaͤllig war, und mir eine Beſchreibung der Quinquina mittheilete, die ihm der Herr Kinſſot, ein Medicus zu Rheims, gegeben, wel- cher ſie von einem ſeiner guten Freun- de, Namens Gratian, ſo vier und zwantzig Jahr in Portugall geweſen, und zu vielen mahlen nach Jndien und Peru gereiſet, bekommen. Dieſe lau- tet alſo: Die

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/152>, abgerufen am 23.11.2024.