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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] macht, und vermeinten also, bey diesem
Liebesdienste Trost für die Hinterbliebe-
nen, und Friede und Ruhe für die Ver-
storbenen zu finden.

Die Verwunderungs würdigen
Egyptischen Pyramiden und Flamm-
seulen, deren ich unten gedencken will;
die mit so grossem Fleiß ausgegrabenen
und ausgehauenen Obelisci und Spitz-
seulen, Mausolea und herrliche Begräb-
nüsse, mit einem Worte, alle die präch-
tigen und kostbaren Monumenta und
Epitaphia, Denck- und Ehrenmahle, die
in der gantzen Welt zerstreuet sind, be-
zeugen gnugsam und zu gewiß von die-
ser so löblichen Zuneigung der Alten ge-
gen ihre Todten.

Dieweil es aber stets allerley Nati-
onen und Religionen gegeben, so haben
auch diese ihre besonderen Gewohnhei-
ten bey Ausübung dieser letzten Schul-
digkeit gehabt.

Und zwar haben sich alle Elemente
in den Raub der Verstorbenen gethei-
let, und die Erde ist nicht fähig gehal-
ten worden, daß sie mit diesem beygesetz-
ten alleine beladen würde.

So weisen uns die Geschichte, daß das
Feuer die Todencörper der Griechen/
der Römer/ der Gallier/ der Teut-
schen/
und noch viel anderer Völcker
mehr verbrennet und verzehret; daß die
zu Colchis ihre Toden an die Luft und
an die Aeste der Bäume gehänget; auch
daß die alten abgelebten Nordländer
ihre Begräbnüß in dem Abgrunde der
See, gleichwie die Mohren in den Flüs-
sen gefunden: und daß die Völcker des
kalten Scythenlandes in den Schnee
begraben worden. Allein die alleräl-
teste Art zu begraben ist diese gewesen,
daß man die Cörper in die Erde ver-
scharret und vergraben, welches denn
auch zu glauben verursachet, es sey un-
ser erster Vatter gleichfalls auf diese
Weise begraben worden.

Die Christen haben von den Juden
gelernet die Toden zu begraben, und
machten die Gräber an unterirdischen
und abgelegenen Orten, welche sie Cata-
combas
nenneten, insgemein Coemeteria,
als wolten sie sagen, Schlafkammern,
welcher Name auch noch heut bey Tage
ihnen verbleibet. Ehe und bevor sie aber
die Leichname begruben, balsamirten
sie dieselbigen, auf eine so besondere als
[Spaltenumbruch] wundersame Weise, welche wir alsofort
betrachten wollen.

Die erste Art zu balsamiren war die
kostbarste, und kostete ein Talent Silber,
welches zu selbiger Zeit ohngefehr 850.
Pfund oder zweyhundert und etliche
achtzig Thaler unsers Geldes machte:
anietzo aber würde es 1000. Pfund oder
über dreyhundert und funffzig Thaler
betragen.

Es gehörete aber diese Art zu balsa-
miren nur für vornehme Personen.
Und dazu wurden dreyerley Leute ge-
brauchet, einer, der Zeichner genannt,
bezeichnete diejenigen Orte am gantzen
Leibe, welche musten geöffnet und die
Eingeweide heraus gezogen werden:
der Zerschneider/ welcher ein Messer,
aus einem Mohrenländischen Steine
gemacht, hatte, schnitte soviel Fleisch
hinweg, als nöthig war, und die Gese-
tze vergönneten, und lieff darauf, so
starck er lauffen konte, davon, weil die
Gewohnheit des Landes mit sich brach-
te, daß die Befreundte und Hausgenos-
sen ihn mit Steinen verfolgeten, ihm al-
les übels an den Hals wünscheten, und
als den leichtfertigsten liederlichsten Bu-
ben tractireten. Nachdem dieses ver-
richtet, traten die Balsamirer, welche
für geheiligte Leute gehalten wurden,
ein, ihr Amt zu verrichten; da dann et-
liche die obern Eingeweide, bis auf das
Hertz und Lunge heraus zunehmen be-
gunten, die andern aber den Leib zu rei-
nigen, den sie alsdann mit Palmen-
weine, oder andern gewürtzhaften Säf-
ten auswuschen: hernach wuschen sie
den Leib gantzer vier Wochen hindurch
mit Balsam, Cederngummi, oder Hartz,
und fülleten ihn mit Pulver, von Myr-
rhen, Aloe, Jndianischen Narden, Ju-
denpech und andern dergleichen Sachen
bereitet, aus; doch nahmen sie keinen
Weyrauch, den wir heut zu Tage Oli-
banum
zu nennen pflegen, nicht dazu,
es sey nun, daß sie gar zu grosse Ehrer-
bietung gegen diese Spezerey hägeten,
oder aber, weil sie zu theuer ware.
Was den Kopff anbetraff, da bedien-
ten sie sich gewisser Eisen, welche sie in
die Nasenlöcher stiessen, und damit al-
le Substantz des Hirns herauszogen:
nach dem spritzten sie köstliche gewürtz-
hafte Säfte hinein.

Die andere Art zu balsamiren galt

ein

Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] macht, und vermeinten alſo, bey dieſem
Liebesdienſte Troſt fuͤr die Hinterbliebe-
nen, und Friede und Ruhe fuͤr die Ver-
ſtorbenen zu finden.

Die Verwunderungs wuͤrdigen
Egyptiſchen Pyramiden und Flamm-
ſeulen, deren ich unten gedencken will;
die mit ſo groſſem Fleiß ausgegrabenen
und ausgehauenen Obeliſci und Spitz-
ſeulen, Mauſolea und herrliche Begraͤb-
nuͤſſe, mit einem Worte, alle die praͤch-
tigen und koſtbaren Monumenta und
Epitaphia, Denck- und Ehrenmahle, die
in der gantzen Welt zerſtreuet ſind, be-
zeugen gnugſam und zu gewiß von die-
ſer ſo loͤblichen Zuneigung der Alten ge-
gen ihre Todten.

Dieweil es aber ſtets allerley Nati-
onen und Religionen gegeben, ſo haben
auch dieſe ihre beſonderen Gewohnhei-
ten bey Ausuͤbung dieſer letzten Schul-
digkeit gehabt.

Und zwar haben ſich alle Elemente
in den Raub der Verſtorbenen gethei-
let, und die Erde iſt nicht faͤhig gehal-
ten worden, daß ſie mit dieſem beygeſetz-
ten alleine beladen wuͤrde.

So weiſen uns die Geſchichte, daß das
Feuer die Todencoͤrper der Griechen/
der Roͤmer/ der Gallier/ der Teut-
ſchen/
und noch viel anderer Voͤlcker
mehr verbrennet und verzehret; daß die
zu Colchis ihre Toden an die Luft und
an die Aeſte der Baͤume gehaͤnget; auch
daß die alten abgelebten Nordlaͤnder
ihre Begraͤbnuͤß in dem Abgrunde der
See, gleichwie die Mohren in den Fluͤſ-
ſen gefunden: und daß die Voͤlcker des
kalten Scythenlandes in den Schnee
begraben worden. Allein die alleraͤl-
teſte Art zu begraben iſt dieſe geweſen,
daß man die Coͤrper in die Erde ver-
ſcharret und vergraben, welches denn
auch zu glauben verurſachet, es ſey un-
ſer erſter Vatter gleichfalls auf dieſe
Weiſe begraben worden.

Die Chriſten haben von den Juden
gelernet die Toden zu begraben, und
machten die Graͤber an unterirdiſchen
und abgelegenen Orten, welche ſie Cata-
combas
nenneten, insgemein Cœmeteria,
als wolten ſie ſagen, Schlafkammern,
welcher Name auch noch heut bey Tage
ihnen verbleibet. Ehe und bevor ſie aber
die Leichname begruben, balſamirten
ſie dieſelbigen, auf eine ſo beſondere als
[Spaltenumbruch] wunderſame Weiſe, welche wir alſofort
betrachten wollen.

Die erſte Art zu balſamiren war die
koſtbarſte, und koſtete ein Talent Silber,
welches zu ſelbiger Zeit ohngefehr 850.
Pfund oder zweyhundert und etliche
achtzig Thaler unſers Geldes machte:
anietzo aber wuͤrde es 1000. Pfund oder
uͤber dreyhundert und funffzig Thaler
betragen.

Es gehoͤrete aber dieſe Art zu balſa-
miren nur fuͤr vornehme Perſonen.
Und dazu wurden dreyerley Leute ge-
brauchet, einer, der Zeichner genannt,
bezeichnete diejenigen Orte am gantzen
Leibe, welche muſten geoͤffnet und die
Eingeweide heraus gezogen werden:
der Zerſchneider/ welcher ein Meſſer,
aus einem Mohrenlaͤndiſchen Steine
gemacht, hatte, ſchnitte ſoviel Fleiſch
hinweg, als noͤthig war, und die Geſe-
tze vergoͤnneten, und lieff darauf, ſo
ſtarck er lauffen konte, davon, weil die
Gewohnheit des Landes mit ſich brach-
te, daß die Befreundte und Hausgenoſ-
ſen ihn mit Steinen verfolgeten, ihm al-
les uͤbels an den Hals wuͤnſcheten, und
als den leichtfertigſten liederlichſten Bu-
ben tractireten. Nachdem dieſes ver-
richtet, traten die Balſamirer, welche
fuͤr geheiligte Leute gehalten wurden,
ein, ihr Amt zu verrichten; da dann et-
liche die obern Eingeweide, bis auf das
Hertz und Lunge heraus zunehmen be-
gunten, die andern aber den Leib zu rei-
nigen, den ſie alsdann mit Palmen-
weine, oder andern gewuͤrtzhaften Saͤf-
ten auswuſchen: hernach wuſchen ſie
den Leib gantzer vier Wochen hindurch
mit Balſam, Cederngummi, oder Hartz,
und fuͤlleten ihn mit Pulver, von Myr-
rhen, Aloe, Jndianiſchen Narden, Ju-
denpech und andern dergleichen Sachen
bereitet, aus; doch nahmen ſie keinen
Weyrauch, den wir heut zu Tage Oli-
banum
zu nennen pflegen, nicht dazu,
es ſey nun, daß ſie gar zu groſſe Ehrer-
bietung gegen dieſe Spezerey haͤgeten,
oder aber, weil ſie zu theuer ware.
Was den Kopff anbetraff, da bedien-
ten ſie ſich gewiſſer Eiſen, welche ſie in
die Naſenloͤcher ſtieſſen, und damit al-
le Subſtantz des Hirns herauszogen:
nach dem ſpritzten ſie koͤſtliche gewuͤrtz-
hafte Saͤfte hinein.

Die andere Art zu balſamiren galt

ein
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[0354] Der Spezereyen und Materialien macht, und vermeinten alſo, bey dieſem Liebesdienſte Troſt fuͤr die Hinterbliebe- nen, und Friede und Ruhe fuͤr die Ver- ſtorbenen zu finden. Die Verwunderungs wuͤrdigen Egyptiſchen Pyramiden und Flamm- ſeulen, deren ich unten gedencken will; die mit ſo groſſem Fleiß ausgegrabenen und ausgehauenen Obeliſci und Spitz- ſeulen, Mauſolea und herrliche Begraͤb- nuͤſſe, mit einem Worte, alle die praͤch- tigen und koſtbaren Monumenta und Epitaphia, Denck- und Ehrenmahle, die in der gantzen Welt zerſtreuet ſind, be- zeugen gnugſam und zu gewiß von die- ſer ſo loͤblichen Zuneigung der Alten ge- gen ihre Todten. Dieweil es aber ſtets allerley Nati- onen und Religionen gegeben, ſo haben auch dieſe ihre beſonderen Gewohnhei- ten bey Ausuͤbung dieſer letzten Schul- digkeit gehabt. Und zwar haben ſich alle Elemente in den Raub der Verſtorbenen gethei- let, und die Erde iſt nicht faͤhig gehal- ten worden, daß ſie mit dieſem beygeſetz- ten alleine beladen wuͤrde. So weiſen uns die Geſchichte, daß das Feuer die Todencoͤrper der Griechen/ der Roͤmer/ der Gallier/ der Teut- ſchen/ und noch viel anderer Voͤlcker mehr verbrennet und verzehret; daß die zu Colchis ihre Toden an die Luft und an die Aeſte der Baͤume gehaͤnget; auch daß die alten abgelebten Nordlaͤnder ihre Begraͤbnuͤß in dem Abgrunde der See, gleichwie die Mohren in den Fluͤſ- ſen gefunden: und daß die Voͤlcker des kalten Scythenlandes in den Schnee begraben worden. Allein die alleraͤl- teſte Art zu begraben iſt dieſe geweſen, daß man die Coͤrper in die Erde ver- ſcharret und vergraben, welches denn auch zu glauben verurſachet, es ſey un- ſer erſter Vatter gleichfalls auf dieſe Weiſe begraben worden. Die Chriſten haben von den Juden gelernet die Toden zu begraben, und machten die Graͤber an unterirdiſchen und abgelegenen Orten, welche ſie Cata- combas nenneten, insgemein Cœmeteria, als wolten ſie ſagen, Schlafkammern, welcher Name auch noch heut bey Tage ihnen verbleibet. Ehe und bevor ſie aber die Leichname begruben, balſamirten ſie dieſelbigen, auf eine ſo beſondere als wunderſame Weiſe, welche wir alſofort betrachten wollen. Die erſte Art zu balſamiren war die koſtbarſte, und koſtete ein Talent Silber, welches zu ſelbiger Zeit ohngefehr 850. Pfund oder zweyhundert und etliche achtzig Thaler unſers Geldes machte: anietzo aber wuͤrde es 1000. Pfund oder uͤber dreyhundert und funffzig Thaler betragen. Es gehoͤrete aber dieſe Art zu balſa- miren nur fuͤr vornehme Perſonen. Und dazu wurden dreyerley Leute ge- brauchet, einer, der Zeichner genannt, bezeichnete diejenigen Orte am gantzen Leibe, welche muſten geoͤffnet und die Eingeweide heraus gezogen werden: der Zerſchneider/ welcher ein Meſſer, aus einem Mohrenlaͤndiſchen Steine gemacht, hatte, ſchnitte ſoviel Fleiſch hinweg, als noͤthig war, und die Geſe- tze vergoͤnneten, und lieff darauf, ſo ſtarck er lauffen konte, davon, weil die Gewohnheit des Landes mit ſich brach- te, daß die Befreundte und Hausgenoſ- ſen ihn mit Steinen verfolgeten, ihm al- les uͤbels an den Hals wuͤnſcheten, und als den leichtfertigſten liederlichſten Bu- ben tractireten. Nachdem dieſes ver- richtet, traten die Balſamirer, welche fuͤr geheiligte Leute gehalten wurden, ein, ihr Amt zu verrichten; da dann et- liche die obern Eingeweide, bis auf das Hertz und Lunge heraus zunehmen be- gunten, die andern aber den Leib zu rei- nigen, den ſie alsdann mit Palmen- weine, oder andern gewuͤrtzhaften Saͤf- ten auswuſchen: hernach wuſchen ſie den Leib gantzer vier Wochen hindurch mit Balſam, Cederngummi, oder Hartz, und fuͤlleten ihn mit Pulver, von Myr- rhen, Aloe, Jndianiſchen Narden, Ju- denpech und andern dergleichen Sachen bereitet, aus; doch nahmen ſie keinen Weyrauch, den wir heut zu Tage Oli- banum zu nennen pflegen, nicht dazu, es ſey nun, daß ſie gar zu groſſe Ehrer- bietung gegen dieſe Spezerey haͤgeten, oder aber, weil ſie zu theuer ware. Was den Kopff anbetraff, da bedien- ten ſie ſich gewiſſer Eiſen, welche ſie in die Naſenloͤcher ſtieſſen, und damit al- le Subſtantz des Hirns herauszogen: nach dem ſpritzten ſie koͤſtliche gewuͤrtz- hafte Saͤfte hinein. Die andere Art zu balſamiren galt ein

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/354>, abgerufen am 22.11.2024.