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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch]

Nachdem ich hernach von der Reise
nach Domingo zurück kommen, durch-
suchte ich diejenigen Scribenten, welche
America beschrieben haben, und fand
folgendes in Johann Laets Be-
schreibung Westindiens:

Das Conzenillenkorn wächst in
Neuspanien an vielen Orten auf den
Tunabäumen, deren Blätter sehr dicke
sind; müssen aber an der Sonne, und
vor dem Nordwinde wohl beschirmet
stehen. Es ist ein kleines lebendiges
Thierlein, oder besser zu reden, ein Un-
geziefer, fast wie eine Wantze gestalt.
Wenn es sich zu erst an die Bäume hän-
get, ist es nicht grösser, denn ein Floh, und
sein Samen wie Käsemülben; füllet ei-
nen gantzen Baum, ja wohl einen gan-
tzen Garten an, und wird des Jahrs ein
oder zweymahl gesammlet. Die Bäu-
me pflantzen sie ordentlich in Reihen,
wie die Weinstöcke, nehmen sie fleißig in
acht, und jäten das Unkraut herum aus.
Je jünger die Bäume, ie mehr und bes-
sere Conzenille tragen sie; doch müssen
sie mit grosser Sorgfalt vor dem Unge-
ziefer, und sonderlich vor den Hünern,
welche die Conzenillen gerne fressen,
verwahret werden. Die Pflantzen
säubern sie mit Fuchsschwäntzen, damit
der frische Same nicht verderbe. Wann
dann die Würmlein groß genug, wer-
den sie mit sonderlichem Fleisse abgele-
sen, und mit kaltem Wasser, welches
drüber her gespritzet wird, ertödtet, her-
nach im Schatten getrocknet, und in ir-
denen Geschirren aufgehoben: zuwei-
len tödtet man sie mit Asche, welche her-
nachmahls wieder abgewaschen wird.

Hier ist zu mercken: Der Baum
Tuna sey nichts anders, denn obgedach-
tes Opuntium, oder Raquette, dessen es
vielerley Geschlechte giebt, jedoch muß
diejenige Art zu Pflegung der Conze-
nille erwehlet werden, deren Frucht den
schönen rothen Saft in sich enthält.

Allein, dieser des Herren Furetiere,
P. Plumiers
und Laets Meinung
kan ich durchaus nicht beypflichten, son-
dern muß vielmehr glauben, die Coche-
nille
sey der Samen eines Gewächses;
weil mir der Herr Rousseau zu Ende
seines Briefes geschrieben, daß er zu
mehrer Bestärckung seines Vorgebens
mit ehesten eine solche Pflantze übersen-
den wolle, hoffe auch, er werde es mit
[Spaltenumbruch] Göttlicher Hülffe gewiß thun, denn er
überdiß in seinem andern Schreiben
vom 25. Maji erwehnten Jahres folgen-
der massen schreibet.

Mein Herr,

Die Cochenille betreffend, davon
ich ihm gedacht, davon muß ich ihm eine
artige Begebenheit vermelden, die sich
mit einem Pater, Minoriten-Ordens,
der, wie es scheinet, aus Provence bür-
tig, zugetragen. Dieser, welcher sich
auf die Kenntnüß der Kräuter gar wohl
verstehen wolte, mochte zwischen 45.
und 50. Jahren seyn, und war schwartz
von Gesichte. Man hätte ihn auch für
einen verständigen Mann gehalten,
wenn er nur schweigen können; so aber
ersahe er zu seinem Unglücke, etliche
Acacien/ welches sehr stachlichte Bäu-
me sind, denn er wolte auch in der Zei-
chenkunst erfahren seyn, und Cardas-
sen,
ein Gewächs, dessen Blätter zwey
Finger dicke, und bey nahe, als wie die
Raquete, die man in Franckreich zum
Ballspiel brauchet, sehen. Diese tra-
gen Früchte, wie Feigen, welche einen
etwas scharffen Geschmack haben, und
den Harn roth färben. Auf diesen
Bäumen fand er einige Thierlein, und
gab für, das wären die Conzenille, wo-
rüber die Einwohner zu S. Domingo/
denen dieses Gewächse, und was es ist,
nur gar zu wohl bekannt, zu heftigem
Gelächter bewogen wurden. Es wur-
de auch dieses guten Paters Credit und
Ansehen hierdurch bey iederman, und
insonderheit bey dem Herrn de Cussi, wel-
cher, gleichwie auch andere, ein sonder-
lich Vertrauen in dieses Mannes Wor-
te gesetzt, über die Masse verringert.
Bald darauf ist er nach Franckreich ge-
reiset, und hat auch, so viel ich weiß, sei-
nen Jrrthum, den er von der Conze-
nille zu S. Domingo gefasset, mit dahin
überbracht.

Es gedencket auch der Herr Rous-
seau,
daß auf den Acacien eine Gat-
tung kleiner Würmlein, wie eine Wan-
tze groß, zu finden sey, welche Vermeil-
lon
genennet würden, wären aber zu
nichts nicht nütze, weil sie sich nicht treu-
gen liessen: und diese werden wohl, mei-
nes Erachtens, des P. Plumiers Con-
zenille
seyn.

So verdienen auch des Herrn Rous-
seau
Briefe darum mehr Glauben,

weil
Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch]

Nachdem ich hernach von der Reiſe
nach Domingo zuruͤck kommen, durch-
ſuchte ich diejenigen Scribenten, welche
America beſchrieben haben, und fand
folgendes in Johann Laets Be-
ſchreibung Weſtindiens:

Das Conzenillenkorn waͤchſt in
Neuſpanien an vielen Orten auf den
Tunabaͤumen, deren Blaͤtter ſehr dicke
ſind; muͤſſen aber an der Sonne, und
vor dem Nordwinde wohl beſchirmet
ſtehen. Es iſt ein kleines lebendiges
Thierlein, oder beſſer zu reden, ein Un-
geziefer, faſt wie eine Wantze geſtalt.
Wenn es ſich zu erſt an die Baͤume haͤn-
get, iſt es nicht groͤſſer, denn ein Floh, und
ſein Samen wie Kaͤſemuͤlben; fuͤllet ei-
nen gantzen Baum, ja wohl einen gan-
tzen Garten an, und wird des Jahrs ein
oder zweymahl geſammlet. Die Baͤu-
me pflantzen ſie ordentlich in Reihen,
wie die Weinſtoͤcke, nehmen ſie fleißig in
acht, und jaͤten das Unkraut herum aus.
Je juͤnger die Baͤume, ie mehr und beſ-
ſere Conzenille tragen ſie; doch muͤſſen
ſie mit groſſer Sorgfalt vor dem Unge-
ziefer, und ſonderlich vor den Huͤnern,
welche die Conzenillen gerne freſſen,
verwahret werden. Die Pflantzen
ſaͤubern ſie mit Fuchsſchwaͤntzen, damit
der friſche Same nicht verderbe. Wann
dann die Wuͤrmlein groß genug, wer-
den ſie mit ſonderlichem Fleiſſe abgele-
ſen, und mit kaltem Waſſer, welches
druͤber her geſpritzet wird, ertoͤdtet, her-
nach im Schatten getrocknet, und in ir-
denen Geſchirren aufgehoben: zuwei-
len toͤdtet man ſie mit Aſche, welche her-
nachmahls wieder abgewaſchen wird.

Hier iſt zu mercken: Der Baum
Tuna ſey nichts anders, denn obgedach-
tes Opuntium, oder Raquette, deſſen es
vielerley Geſchlechte giebt, jedoch muß
diejenige Art zu Pflegung der Conze-
nille erwehlet werden, deren Frucht den
ſchoͤnen rothen Saft in ſich enthaͤlt.

Allein, dieſer des Herren Furetiere,
P. Plumiers
und Laets Meinung
kan ich durchaus nicht beypflichten, ſon-
dern muß vielmehr glauben, die Coche-
nille
ſey der Samen eines Gewaͤchſes;
weil mir der Herr Rouſſeau zu Ende
ſeines Briefes geſchrieben, daß er zu
mehrer Beſtaͤrckung ſeines Vorgebens
mit eheſten eine ſolche Pflantze uͤberſen-
den wolle, hoffe auch, er werde es mit
[Spaltenumbruch] Goͤttlicher Huͤlffe gewiß thun, denn er
uͤberdiß in ſeinem andern Schreiben
vom 25. Maji erwehnten Jahres folgen-
der maſſen ſchreibet.

Mein Herr,

Die Cochenille betreffend, davon
ich ihm gedacht, davon muß ich ihm eine
artige Begebenheit vermelden, die ſich
mit einem Pater, Minoriten-Ordens,
der, wie es ſcheinet, aus Provence buͤr-
tig, zugetragen. Dieſer, welcher ſich
auf die Kenntnuͤß der Kraͤuter gar wohl
verſtehen wolte, mochte zwiſchen 45.
und 50. Jahren ſeyn, und war ſchwartz
von Geſichte. Man haͤtte ihn auch fuͤr
einen verſtaͤndigen Mann gehalten,
wenn er nur ſchweigen koͤnnen; ſo aber
erſahe er zu ſeinem Ungluͤcke, etliche
Acacien/ welches ſehr ſtachlichte Baͤu-
me ſind, denn er wolte auch in der Zei-
chenkunſt erfahren ſeyn, und Cardaſ-
ſen,
ein Gewaͤchs, deſſen Blaͤtter zwey
Finger dicke, und bey nahe, als wie die
Raquete, die man in Franckreich zum
Ballſpiel brauchet, ſehen. Dieſe tra-
gen Fruͤchte, wie Feigen, welche einen
etwas ſcharffen Geſchmack haben, und
den Harn roth faͤrben. Auf dieſen
Baͤumen fand er einige Thierlein, und
gab fuͤr, das waͤren die Conzenille, wo-
ruͤber die Einwohner zu S. Domingo/
denen dieſes Gewaͤchſe, und was es iſt,
nur gar zu wohl bekannt, zu heftigem
Gelaͤchter bewogen wurden. Es wur-
de auch dieſes guten Paters Credit und
Anſehen hierdurch bey iederman, und
inſonderheit bey dem Herrn de Cuſſi, wel-
cher, gleichwie auch andere, ein ſonder-
lich Vertrauen in dieſes Mannes Wor-
te geſetzt, uͤber die Maſſe verringert.
Bald darauf iſt er nach Franckreich ge-
reiſet, und hat auch, ſo viel ich weiß, ſei-
nen Jrrthum, den er von der Conze-
nille zu S. Domingo gefaſſet, mit dahin
uͤberbracht.

Es gedencket auch der Herr Rouſ-
ſeau,
daß auf den Acacien eine Gat-
tung kleiner Wuͤrmlein, wie eine Wan-
tze groß, zu finden ſey, welche Vermeil-
lon
genennet wuͤrden, waͤren aber zu
nichts nicht nuͤtze, weil ſie ſich nicht treu-
gen lieſſen: und dieſe werden wohl, mei-
nes Erachtens, des P. Plumiers Con-
zenille
ſeyn.

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ſeau
Briefe darum mehr Glauben,

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[0050] Der Spezereyen und Materialien Nachdem ich hernach von der Reiſe nach Domingo zuruͤck kommen, durch- ſuchte ich diejenigen Scribenten, welche America beſchrieben haben, und fand folgendes in Johann Laets Be- ſchreibung Weſtindiens: Das Conzenillenkorn waͤchſt in Neuſpanien an vielen Orten auf den Tunabaͤumen, deren Blaͤtter ſehr dicke ſind; muͤſſen aber an der Sonne, und vor dem Nordwinde wohl beſchirmet ſtehen. Es iſt ein kleines lebendiges Thierlein, oder beſſer zu reden, ein Un- geziefer, faſt wie eine Wantze geſtalt. Wenn es ſich zu erſt an die Baͤume haͤn- get, iſt es nicht groͤſſer, denn ein Floh, und ſein Samen wie Kaͤſemuͤlben; fuͤllet ei- nen gantzen Baum, ja wohl einen gan- tzen Garten an, und wird des Jahrs ein oder zweymahl geſammlet. Die Baͤu- me pflantzen ſie ordentlich in Reihen, wie die Weinſtoͤcke, nehmen ſie fleißig in acht, und jaͤten das Unkraut herum aus. Je juͤnger die Baͤume, ie mehr und beſ- ſere Conzenille tragen ſie; doch muͤſſen ſie mit groſſer Sorgfalt vor dem Unge- ziefer, und ſonderlich vor den Huͤnern, welche die Conzenillen gerne freſſen, verwahret werden. Die Pflantzen ſaͤubern ſie mit Fuchsſchwaͤntzen, damit der friſche Same nicht verderbe. Wann dann die Wuͤrmlein groß genug, wer- den ſie mit ſonderlichem Fleiſſe abgele- ſen, und mit kaltem Waſſer, welches druͤber her geſpritzet wird, ertoͤdtet, her- nach im Schatten getrocknet, und in ir- denen Geſchirren aufgehoben: zuwei- len toͤdtet man ſie mit Aſche, welche her- nachmahls wieder abgewaſchen wird. Hier iſt zu mercken: Der Baum Tuna ſey nichts anders, denn obgedach- tes Opuntium, oder Raquette, deſſen es vielerley Geſchlechte giebt, jedoch muß diejenige Art zu Pflegung der Conze- nille erwehlet werden, deren Frucht den ſchoͤnen rothen Saft in ſich enthaͤlt. Allein, dieſer des Herren Furetiere, P. Plumiers und Laets Meinung kan ich durchaus nicht beypflichten, ſon- dern muß vielmehr glauben, die Coche- nille ſey der Samen eines Gewaͤchſes; weil mir der Herr Rouſſeau zu Ende ſeines Briefes geſchrieben, daß er zu mehrer Beſtaͤrckung ſeines Vorgebens mit eheſten eine ſolche Pflantze uͤberſen- den wolle, hoffe auch, er werde es mit Goͤttlicher Huͤlffe gewiß thun, denn er uͤberdiß in ſeinem andern Schreiben vom 25. Maji erwehnten Jahres folgen- der maſſen ſchreibet. Mein Herr, Die Cochenille betreffend, davon ich ihm gedacht, davon muß ich ihm eine artige Begebenheit vermelden, die ſich mit einem Pater, Minoriten-Ordens, der, wie es ſcheinet, aus Provence buͤr- tig, zugetragen. Dieſer, welcher ſich auf die Kenntnuͤß der Kraͤuter gar wohl verſtehen wolte, mochte zwiſchen 45. und 50. Jahren ſeyn, und war ſchwartz von Geſichte. Man haͤtte ihn auch fuͤr einen verſtaͤndigen Mann gehalten, wenn er nur ſchweigen koͤnnen; ſo aber erſahe er zu ſeinem Ungluͤcke, etliche Acacien/ welches ſehr ſtachlichte Baͤu- me ſind, denn er wolte auch in der Zei- chenkunſt erfahren ſeyn, und Cardaſ- ſen, ein Gewaͤchs, deſſen Blaͤtter zwey Finger dicke, und bey nahe, als wie die Raquete, die man in Franckreich zum Ballſpiel brauchet, ſehen. Dieſe tra- gen Fruͤchte, wie Feigen, welche einen etwas ſcharffen Geſchmack haben, und den Harn roth faͤrben. Auf dieſen Baͤumen fand er einige Thierlein, und gab fuͤr, das waͤren die Conzenille, wo- ruͤber die Einwohner zu S. Domingo/ denen dieſes Gewaͤchſe, und was es iſt, nur gar zu wohl bekannt, zu heftigem Gelaͤchter bewogen wurden. Es wur- de auch dieſes guten Paters Credit und Anſehen hierdurch bey iederman, und inſonderheit bey dem Herrn de Cuſſi, wel- cher, gleichwie auch andere, ein ſonder- lich Vertrauen in dieſes Mannes Wor- te geſetzt, uͤber die Maſſe verringert. Bald darauf iſt er nach Franckreich ge- reiſet, und hat auch, ſo viel ich weiß, ſei- nen Jrrthum, den er von der Conze- nille zu S. Domingo gefaſſet, mit dahin uͤberbracht. Es gedencket auch der Herr Rouſ- ſeau, daß auf den Acacien eine Gat- tung kleiner Wuͤrmlein, wie eine Wan- tze groß, zu finden ſey, welche Vermeil- lon genennet wuͤrden, waͤren aber zu nichts nicht nuͤtze, weil ſie ſich nicht treu- gen lieſſen: und dieſe werden wohl, mei- nes Erachtens, des P. Plumiers Con- zenille ſeyn. So verdienen auch des Herrn Rouſ- ſeau Briefe darum mehr Glauben, weil

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/50>, abgerufen am 21.11.2024.