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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Des Autoris Anmerckungen
[Spaltenumbruch] sehen bekommen, wie er es dann selbst
gestehet. Diese Wurtzel wird gelblicht,
wann sie vertrocknet, hat schier keine
Fäden und Fasen, dadurch sie die Nah-
rung an sich ziehen könte, und ist mit ei-
nem Hauffen kleiner schwartzen Adern
durchzogen, als ob man soviel zarte Li-
nien mit Dinte drein gemachet hätte.
Wann sie gekauet wird, schmeckt sie un-
angenehm, wegen ihrer Süßigkeit mit
etwas bittern vermischt. Sie vermeh-
ret die Lebensgeister gewaltig, wiewohl
auf einmahl über ein Paar Scrupel
nicht genommen werden darff. Wird
mehr davon gebraucht, so giebet sie de-
nen schwachen neue Kräfte, und erwe-
cket eine liebliche Wärme in dem Leibe.
Sie wird mehrentheils gebrauchet,
wann sie ist durchs Marienbad (Balne-
um maris
) gegangen, und da giebet sie ei-
nen recht angenehmen Geruch, als wie
sonst andere aromatische oder würtzhaf-
te Dinge. Diejenigen, die eine starcke
und hitzige Natur haben, lauffen Le-
bensgefahr, wann sie dieselbige zu starck
gebrauchen, dann sie erreget eine allzu
grosse Aufwallung der Lebensgeister.
Allein für schwache Personen und abge-
mattete ist sie gantz unvergleichlich, wie
auch für solche, die lange kranck gelegen,
oder auf andere Weise von Kräften
kommen sind. Die Lebensgeister er-
setzet sie dergestalt bey schon sterbenden,
daß sie noch Zeit erhalten sich anderer
Mittel zu bedienen und die Gesundheit
wieder zu erhalten. Sie wird um drey-
mahl so viel Geld verkaufft, als sie
schwer ist.

Jm Cabinet der Societät zu Londen.

Die Wurtzel Nisi ist gleichsam eine
Panacea bey den Chinesern, in Franck-
reich aber, wie auch in Holland nicht so
gar bekannt, und wegen ihrer Seltsam-
keit wird sie über alle massen theuer ver-
kauffet. Die ich zuletzt aus Holland
kommen lassen, davon hat mich die Un-
tze 25. Pfund in Amsterdam gekostet,
und ist daselbst auch nur in einem eini-
gen Laden anzutreffen. Wann diese
Wurtzel annoch in der Erde stickt, trei-
bet sie einen Stengel etwan eines Fus-
ses hoch, der ist so dicke, als ein Stroh-
halm, und aus demselben kommen die
Blätter, die schier als wie das Veilgen-
kraut aussehen: hernach folgen die Blu-
[Spaltenumbruch] menknöpfe, die sehen roth, wann sie sich
aber aufgethan, kommen weisse Blu-
men heraus, die bestehen aus sechs
Blättlein, drey und drey beysammen.

Das Siamische Tagebuch, wann es
von der Wurtzel Nisi redet, berichtet,
daß Ginseng eine kleine Wurtzel sey, wel-
che in der Chinesischen Landschaft Houn-
lamsoutchouan
und Couli: sonst ist sie nir-
gends in der Welt mehr anzutreffen.
Jhre vornehmste Tugend ist das Ge-
blüt zu reinigen, und die verlohrnen
Kräfte wieder zu ersetzen. Man giesset
Wasser in eine Schale, und lässets ei-
nen Wall thun; darein werden als-
dann die Ginseng Wurtzeln gethan, in
kleine Stücken zerschnitten; darauf
wird die Schale zugedeckt, und derge-
stalt das Wasser auf den Wurtzeln ei-
nige Zeitlang stehen gelassen: ist es nun
laulicht worden, so wird es davon abge-
truncken, frühe morgens, ehe man et-
was genossen hat. Die Wurtzeln hebt
man auf, und lässet Abends noch ein-
mahl Wasser sieden, doch thut man nicht
mehr als die Helffte davon in die Scha-
le, legt die Ginseng drein, decket die Scha-
le zu, und wann es gnugsam verkühlet,
trincket man es. Hernach läst man die
Ginseng wieder an der Sonne trucken
werden, und wann es beliebig, kan man
noch einmahl Wein darauf giessen, und
gebrauchen. Die Proportion, und
wie viel Wurtzel man auf einmahl neh-
men muß, wird nach dem Alter der
Person eingerichtet, die sie gebrauchen
soll. Dann zu zehen bis zwantzig Jah-
ren nehmen sie die Helffte so schwer, als
ein und ein halber Soang thut: von
dreyßig bis siebentzig und drüber, ein
Mayon schwer: drüber nehmen sie nie-
mahlen nicht.

Die Vogelnester werden insonder-
heit in Cochinchina gefunden: die die-
nen trefflich zu Brühen, und sind gar
gesund, wann Ginseng drunter gethan
wird. Sie nehmen ein Hun, dessen
Fleisch und Beine fein schwartz sind,
und machen es wohl rein. Hernach
nehmen sie Vogelnester, die lassen sie in
Wasser weichen und reissen sie zu kleinen
Bißlein: Auch schneiden sie Ginseng
in kleine Stücklein, stecken alles mit ein-
ander in das Hun, und nähen das Loch
zu. Nach diesem legen sie das Hun in

ein

Des Autoris Anmerckungen
[Spaltenumbruch] ſehen bekommen, wie er es dann ſelbſt
geſtehet. Dieſe Wurtzel wird gelblicht,
wann ſie vertrocknet, hat ſchier keine
Faͤden und Faſen, dadurch ſie die Nah-
rung an ſich ziehen koͤnte, und iſt mit ei-
nem Hauffen kleiner ſchwartzen Adern
durchzogen, als ob man ſoviel zarte Li-
nien mit Dinte drein gemachet haͤtte.
Wann ſie gekauet wird, ſchmeckt ſie un-
angenehm, wegen ihrer Suͤßigkeit mit
etwas bittern vermiſcht. Sie vermeh-
ret die Lebensgeiſter gewaltig, wiewohl
auf einmahl uͤber ein Paar Scrupel
nicht genommen werden darff. Wird
mehr davon gebraucht, ſo giebet ſie de-
nen ſchwachen neue Kraͤfte, und erwe-
cket eine liebliche Waͤrme in dem Leibe.
Sie wird mehrentheils gebrauchet,
wann ſie iſt durchs Marienbad (Balne-
um maris
) gegangen, und da giebet ſie ei-
nen recht angenehmen Geruch, als wie
ſonſt andere aromatiſche oder wuͤrtzhaf-
te Dinge. Diejenigen, die eine ſtarcke
und hitzige Natur haben, lauffen Le-
bensgefahr, wann ſie dieſelbige zu ſtarck
gebrauchen, dann ſie erreget eine allzu
groſſe Aufwallung der Lebensgeiſter.
Allein fuͤr ſchwache Perſonen und abge-
mattete iſt ſie gantz unvergleichlich, wie
auch fuͤr ſolche, die lange kranck gelegen,
oder auf andere Weiſe von Kraͤften
kommen ſind. Die Lebensgeiſter er-
ſetzet ſie dergeſtalt bey ſchon ſterbenden,
daß ſie noch Zeit erhalten ſich anderer
Mittel zu bedienen und die Geſundheit
wieder zu erhalten. Sie wird um drey-
mahl ſo viel Geld verkaufft, als ſie
ſchwer iſt.

Jm Cabinet der Societaͤt zu Londen.

Die Wurtzel Niſi iſt gleichſam eine
Panacea bey den Chineſern, in Franck-
reich aber, wie auch in Holland nicht ſo
gar bekannt, und wegen ihrer Seltſam-
keit wird ſie uͤber alle maſſen theuer ver-
kauffet. Die ich zuletzt aus Holland
kommen laſſen, davon hat mich die Un-
tze 25. Pfund in Amſterdam gekoſtet,
und iſt daſelbſt auch nur in einem eini-
gen Laden anzutreffen. Wann dieſe
Wurtzel annoch in der Erde ſtickt, trei-
bet ſie einen Stengel etwan eines Fuſ-
ſes hoch, der iſt ſo dicke, als ein Stroh-
halm, und aus demſelben kommen die
Blaͤtter, die ſchier als wie das Veilgen-
kraut auſſehen: hernach folgen die Blu-
[Spaltenumbruch] menknoͤpfe, die ſehen roth, wann ſie ſich
aber aufgethan, kommen weiſſe Blu-
men heraus, die beſtehen aus ſechs
Blaͤttlein, drey und drey beyſammen.

Das Siamiſche Tagebuch, wann es
von der Wurtzel Niſi redet, berichtet,
daß Ginſeng eine kleine Wurtzel ſey, wel-
che in der Chineſiſchen Landſchaft Houn-
lamſoutchouan
und Couli: ſonſt iſt ſie nir-
gends in der Welt mehr anzutreffen.
Jhre vornehmſte Tugend iſt das Ge-
bluͤt zu reinigen, und die verlohrnen
Kraͤfte wieder zu erſetzen. Man gieſſet
Waſſer in eine Schale, und laͤſſets ei-
nen Wall thun; darein werden als-
dann die Ginſeng Wurtzeln gethan, in
kleine Stuͤcken zerſchnitten; darauf
wird die Schale zugedeckt, und derge-
ſtalt das Waſſer auf den Wurtzeln ei-
nige Zeitlang ſtehen gelaſſen: iſt es nun
laulicht worden, ſo wird es davon abge-
truncken, fruͤhe morgens, ehe man et-
was genoſſen hat. Die Wurtzeln hebt
man auf, und laͤſſet Abends noch ein-
mahl Waſſer ſieden, doch thut man nicht
mehr als die Helffte davon in die Scha-
le, legt die Ginſeng drein, decket die Scha-
le zu, und wann es gnugſam verkuͤhlet,
trincket man es. Hernach laͤſt man die
Ginſeng wieder an der Sonne trucken
werden, und wann es beliebig, kan man
noch einmahl Wein darauf gieſſen, und
gebrauchen. Die Proportion, und
wie viel Wurtzel man auf einmahl neh-
men muß, wird nach dem Alter der
Perſon eingerichtet, die ſie gebrauchen
ſoll. Dann zu zehen bis zwantzig Jah-
ren nehmen ſie die Helffte ſo ſchwer, als
ein und ein halber Soang thut: von
dreyßig bis ſiebentzig und druͤber, ein
Mayon ſchwer: druͤber nehmen ſie nie-
mahlen nicht.

Die Vogelneſter werden inſonder-
heit in Cochinchina gefunden: die die-
nen trefflich zu Bruͤhen, und ſind gar
geſund, wann Ginſeng drunter gethan
wird. Sie nehmen ein Hun, deſſen
Fleiſch und Beine fein ſchwartz ſind,
und machen es wohl rein. Hernach
nehmen ſie Vogelneſter, die laſſen ſie in
Waſſer weichen und reiſſen ſie zu kleinen
Bißlein: Auch ſchneiden ſie Ginſeng
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[0584] Des Autoris Anmerckungen ſehen bekommen, wie er es dann ſelbſt geſtehet. Dieſe Wurtzel wird gelblicht, wann ſie vertrocknet, hat ſchier keine Faͤden und Faſen, dadurch ſie die Nah- rung an ſich ziehen koͤnte, und iſt mit ei- nem Hauffen kleiner ſchwartzen Adern durchzogen, als ob man ſoviel zarte Li- nien mit Dinte drein gemachet haͤtte. Wann ſie gekauet wird, ſchmeckt ſie un- angenehm, wegen ihrer Suͤßigkeit mit etwas bittern vermiſcht. Sie vermeh- ret die Lebensgeiſter gewaltig, wiewohl auf einmahl uͤber ein Paar Scrupel nicht genommen werden darff. Wird mehr davon gebraucht, ſo giebet ſie de- nen ſchwachen neue Kraͤfte, und erwe- cket eine liebliche Waͤrme in dem Leibe. Sie wird mehrentheils gebrauchet, wann ſie iſt durchs Marienbad (Balne- um maris) gegangen, und da giebet ſie ei- nen recht angenehmen Geruch, als wie ſonſt andere aromatiſche oder wuͤrtzhaf- te Dinge. Diejenigen, die eine ſtarcke und hitzige Natur haben, lauffen Le- bensgefahr, wann ſie dieſelbige zu ſtarck gebrauchen, dann ſie erreget eine allzu groſſe Aufwallung der Lebensgeiſter. Allein fuͤr ſchwache Perſonen und abge- mattete iſt ſie gantz unvergleichlich, wie auch fuͤr ſolche, die lange kranck gelegen, oder auf andere Weiſe von Kraͤften kommen ſind. Die Lebensgeiſter er- ſetzet ſie dergeſtalt bey ſchon ſterbenden, daß ſie noch Zeit erhalten ſich anderer Mittel zu bedienen und die Geſundheit wieder zu erhalten. Sie wird um drey- mahl ſo viel Geld verkaufft, als ſie ſchwer iſt. Jm Cabinet der Societaͤt zu Londen. Die Wurtzel Niſi iſt gleichſam eine Panacea bey den Chineſern, in Franck- reich aber, wie auch in Holland nicht ſo gar bekannt, und wegen ihrer Seltſam- keit wird ſie uͤber alle maſſen theuer ver- kauffet. Die ich zuletzt aus Holland kommen laſſen, davon hat mich die Un- tze 25. Pfund in Amſterdam gekoſtet, und iſt daſelbſt auch nur in einem eini- gen Laden anzutreffen. Wann dieſe Wurtzel annoch in der Erde ſtickt, trei- bet ſie einen Stengel etwan eines Fuſ- ſes hoch, der iſt ſo dicke, als ein Stroh- halm, und aus demſelben kommen die Blaͤtter, die ſchier als wie das Veilgen- kraut auſſehen: hernach folgen die Blu- menknoͤpfe, die ſehen roth, wann ſie ſich aber aufgethan, kommen weiſſe Blu- men heraus, die beſtehen aus ſechs Blaͤttlein, drey und drey beyſammen. Das Siamiſche Tagebuch, wann es von der Wurtzel Niſi redet, berichtet, daß Ginſeng eine kleine Wurtzel ſey, wel- che in der Chineſiſchen Landſchaft Houn- lamſoutchouan und Couli: ſonſt iſt ſie nir- gends in der Welt mehr anzutreffen. Jhre vornehmſte Tugend iſt das Ge- bluͤt zu reinigen, und die verlohrnen Kraͤfte wieder zu erſetzen. Man gieſſet Waſſer in eine Schale, und laͤſſets ei- nen Wall thun; darein werden als- dann die Ginſeng Wurtzeln gethan, in kleine Stuͤcken zerſchnitten; darauf wird die Schale zugedeckt, und derge- ſtalt das Waſſer auf den Wurtzeln ei- nige Zeitlang ſtehen gelaſſen: iſt es nun laulicht worden, ſo wird es davon abge- truncken, fruͤhe morgens, ehe man et- was genoſſen hat. Die Wurtzeln hebt man auf, und laͤſſet Abends noch ein- mahl Waſſer ſieden, doch thut man nicht mehr als die Helffte davon in die Scha- le, legt die Ginſeng drein, decket die Scha- le zu, und wann es gnugſam verkuͤhlet, trincket man es. Hernach laͤſt man die Ginſeng wieder an der Sonne trucken werden, und wann es beliebig, kan man noch einmahl Wein darauf gieſſen, und gebrauchen. Die Proportion, und wie viel Wurtzel man auf einmahl neh- men muß, wird nach dem Alter der Perſon eingerichtet, die ſie gebrauchen ſoll. Dann zu zehen bis zwantzig Jah- ren nehmen ſie die Helffte ſo ſchwer, als ein und ein halber Soang thut: von dreyßig bis ſiebentzig und druͤber, ein Mayon ſchwer: druͤber nehmen ſie nie- mahlen nicht. Die Vogelneſter werden inſonder- heit in Cochinchina gefunden: die die- nen trefflich zu Bruͤhen, und ſind gar geſund, wann Ginſeng drunter gethan wird. Sie nehmen ein Hun, deſſen Fleiſch und Beine fein ſchwartz ſind, und machen es wohl rein. Hernach nehmen ſie Vogelneſter, die laſſen ſie in Waſſer weichen und reiſſen ſie zu kleinen Bißlein: Auch ſchneiden ſie Ginſeng in kleine Stuͤcklein, ſtecken alles mit ein- ander in das Hun, und naͤhen das Loch zu. Nach dieſem legen ſie das Hun in ein

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/584>, abgerufen am 22.11.2024.