Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

sen; *) so sind sie genöthigt, alle ihre Bücher
abzuschreiben. Und aus dieser Ursache wird
die Schreibekunst unter die edelsten und besten
freyen Künste gerechnet, worauf sie sich fast
alle legen, und am meisten sehen. Sie schrei-
ben mit einer erstaunenden Delicatesse, legen
ihr Papier nicht auf einen Tisch, sondern sie
halten es etwas hoch, und legen ein Stück Le-
der drunter, um es damit zu halten. Wenn
der Bogen voll geschrieben ist; so rollen sie ihn
zusammen, und wickeln ihn wieder auf, wenn
sie ihn noch beschreiben wollen. -- Die Mor-
genländer schreiben nicht, wie wir, von der
Linken zur Rechten, sondern von der Rechten
zur Linken; sie geben ihren Zeilen eine kleine
Krümmung, und machen sie unten rund.

Man könnte denken, daß die Bücher, aus
Mangel der Buchdruckerkunst, in Persien über-
aus theuer seyn müßten. Allein der Ueberfluß
an Copisten ersetzt diesen Mangel so, daß die
Bücher kaum dreymal theuerer sind, wie
bey uns. Wenn ein Copist ein Buch ab-
schreibt, und fast immer arbeitet; so erarbei-
tet er sich doch kaum so viel, daß er anständig
davon leben kann. Die Geschwindigkeit und
Flüchtigkeit des Abschreibers, verursacht nun

aber
*) Abbas II. gieng zwar mit dem Projecte um,
die Buchdruckerkunst in Persien einzuführen;
allein dieser Prinz starb gerade zu der Zeit, wo
der Anfang sollte gemacht werden.
F 4

ſen; *) ſo ſind ſie genoͤthigt, alle ihre Buͤcher
abzuſchreiben. Und aus dieſer Urſache wird
die Schreibekunſt unter die edelſten und beſten
freyen Kuͤnſte gerechnet, worauf ſie ſich faſt
alle legen, und am meiſten ſehen. Sie ſchrei-
ben mit einer erſtaunenden Delicateſſe, legen
ihr Papier nicht auf einen Tiſch, ſondern ſie
halten es etwas hoch, und legen ein Stuͤck Le-
der drunter, um es damit zu halten. Wenn
der Bogen voll geſchrieben iſt; ſo rollen ſie ihn
zuſammen, und wickeln ihn wieder auf, wenn
ſie ihn noch beſchreiben wollen. — Die Mor-
genlaͤnder ſchreiben nicht, wie wir, von der
Linken zur Rechten, ſondern von der Rechten
zur Linken; ſie geben ihren Zeilen eine kleine
Kruͤmmung, und machen ſie unten rund.

Man koͤnnte denken, daß die Buͤcher, aus
Mangel der Buchdruckerkunſt, in Perſien uͤber-
aus theuer ſeyn muͤßten. Allein der Ueberfluß
an Copiſten erſetzt dieſen Mangel ſo, daß die
Buͤcher kaum dreymal theuerer ſind, wie
bey uns. Wenn ein Copiſt ein Buch ab-
ſchreibt, und faſt immer arbeitet; ſo erarbei-
tet er ſich doch kaum ſo viel, daß er anſtaͤndig
davon leben kann. Die Geſchwindigkeit und
Fluͤchtigkeit des Abſchreibers, verurſacht nun

aber
*) Abbas II. gieng zwar mit dem Projecte um,
die Buchdruckerkunſt in Perſien einzufuͤhren;
allein dieſer Prinz ſtarb gerade zu der Zeit, wo
der Anfang ſollte gemacht werden.
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="87"/>
&#x017F;en; <note place="foot" n="*)">Abbas <hi rendition="#aq">II.</hi> gieng zwar mit dem Projecte um,<lb/>
die Buchdruckerkun&#x017F;t in Per&#x017F;ien einzufu&#x0364;hren;<lb/>
allein die&#x017F;er Prinz &#x017F;tarb gerade zu der Zeit, wo<lb/>
der Anfang &#x017F;ollte gemacht werden.</note> &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie geno&#x0364;thigt, alle ihre Bu&#x0364;cher<lb/>
abzu&#x017F;chreiben. Und aus die&#x017F;er Ur&#x017F;ache wird<lb/>
die Schreibekun&#x017F;t unter die edel&#x017F;ten und be&#x017F;ten<lb/>
freyen Ku&#x0364;n&#x017F;te gerechnet, worauf &#x017F;ie &#x017F;ich fa&#x017F;t<lb/>
alle legen, und am mei&#x017F;ten &#x017F;ehen. Sie &#x017F;chrei-<lb/>
ben mit einer er&#x017F;taunenden Delicate&#x017F;&#x017F;e, legen<lb/>
ihr Papier nicht auf einen Ti&#x017F;ch, &#x017F;ondern &#x017F;ie<lb/>
halten es etwas hoch, und legen ein Stu&#x0364;ck Le-<lb/>
der drunter, um es damit zu halten. Wenn<lb/>
der Bogen voll ge&#x017F;chrieben i&#x017F;t; &#x017F;o rollen &#x017F;ie ihn<lb/>
zu&#x017F;ammen, und wickeln ihn wieder auf, wenn<lb/>
&#x017F;ie ihn noch be&#x017F;chreiben wollen. &#x2014; Die Mor-<lb/>
genla&#x0364;nder &#x017F;chreiben nicht, wie wir, von der<lb/>
Linken zur Rechten, &#x017F;ondern von der Rechten<lb/>
zur Linken; &#x017F;ie geben ihren Zeilen eine kleine<lb/>
Kru&#x0364;mmung, und machen &#x017F;ie unten rund.</p><lb/>
          <p>Man ko&#x0364;nnte denken, daß die Bu&#x0364;cher, aus<lb/>
Mangel der Buchdruckerkun&#x017F;t, in Per&#x017F;ien u&#x0364;ber-<lb/>
aus theuer &#x017F;eyn mu&#x0364;ßten. Allein der Ueberfluß<lb/>
an Copi&#x017F;ten er&#x017F;etzt die&#x017F;en Mangel &#x017F;o, daß die<lb/>
Bu&#x0364;cher kaum dreymal theuerer &#x017F;ind, wie<lb/>
bey uns. Wenn ein Copi&#x017F;t ein Buch ab-<lb/>
&#x017F;chreibt, und fa&#x017F;t immer arbeitet; &#x017F;o erarbei-<lb/>
tet er &#x017F;ich doch kaum &#x017F;o viel, daß er an&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
davon leben kann. Die Ge&#x017F;chwindigkeit und<lb/>
Flu&#x0364;chtigkeit des Ab&#x017F;chreibers, verur&#x017F;acht nun<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0107] ſen; *) ſo ſind ſie genoͤthigt, alle ihre Buͤcher abzuſchreiben. Und aus dieſer Urſache wird die Schreibekunſt unter die edelſten und beſten freyen Kuͤnſte gerechnet, worauf ſie ſich faſt alle legen, und am meiſten ſehen. Sie ſchrei- ben mit einer erſtaunenden Delicateſſe, legen ihr Papier nicht auf einen Tiſch, ſondern ſie halten es etwas hoch, und legen ein Stuͤck Le- der drunter, um es damit zu halten. Wenn der Bogen voll geſchrieben iſt; ſo rollen ſie ihn zuſammen, und wickeln ihn wieder auf, wenn ſie ihn noch beſchreiben wollen. — Die Mor- genlaͤnder ſchreiben nicht, wie wir, von der Linken zur Rechten, ſondern von der Rechten zur Linken; ſie geben ihren Zeilen eine kleine Kruͤmmung, und machen ſie unten rund. Man koͤnnte denken, daß die Buͤcher, aus Mangel der Buchdruckerkunſt, in Perſien uͤber- aus theuer ſeyn muͤßten. Allein der Ueberfluß an Copiſten erſetzt dieſen Mangel ſo, daß die Buͤcher kaum dreymal theuerer ſind, wie bey uns. Wenn ein Copiſt ein Buch ab- ſchreibt, und faſt immer arbeitet; ſo erarbei- tet er ſich doch kaum ſo viel, daß er anſtaͤndig davon leben kann. Die Geſchwindigkeit und Fluͤchtigkeit des Abſchreibers, verurſacht nun aber *) Abbas II. gieng zwar mit dem Projecte um, die Buchdruckerkunſt in Perſien einzufuͤhren; allein dieſer Prinz ſtarb gerade zu der Zeit, wo der Anfang ſollte gemacht werden. F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/107
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/107>, abgerufen am 21.11.2024.