Lohn für seine Bemühung, und richtet die Fo- derung nach der Person, die er vor sich hat, und der Wichtigkeit des Processes, ein. Hier- nächst werden die Parteyen vor den Richter ge- lassen, und jeder Theil bringt zugleich auch sei- ne Zeugen mit. Sind diese Zeugen Personen vom Stande; so läßt sie der Richter neben sich setzen; sind es aber gemeine Leute; so müs- sen sie vor ihm stehen, und jeder trägt das Seinige kurz vor. Manchmal setzen sie den Richter in Verwirrung, so daß er nicht weiß, wie er sich aus der Sache herausziehen soll. Wenn nun beyde Partheyen ihre Gründe vor- getragen haben, so spricht der Richter das Recht. -- Die Weiber pflegen sich auch oft einander vor das Gerichte zu fodern, aber das mit einer Hitze, die fast unglaublich ist. Sie halten sich alle in einem Winkel des Zimmers auf, sind mit einem Schleyer behangen, und mischen sich nicht unter die Mannspersonen. -- Die gewöhnlichsten Sachen, die sie vor das Gericht bringen, sind Ehesachen, indem sie ger- ne den Heyrathscontract wollen aufgehoben ha- ben. Und die gemeinste Ursache, die sie vorbrin- gen, ist das Unvermögen der Männer. Sie machen einen so entsetzlichen Lärm durch ihr Schreyen, daß der arme Richter -- welcher die Weiber nicht, wie die Männer, darf schla- gen lassen -- weder aus noch ein weis, und mit vollem Halse schreyt: sie tödten mich! In der zweyten Sitzung wird endlich die Sache beygelegt.
Man
Lohn fuͤr ſeine Bemuͤhung, und richtet die Fo- derung nach der Perſon, die er vor ſich hat, und der Wichtigkeit des Proceſſes, ein. Hier- naͤchſt werden die Parteyen vor den Richter ge- laſſen, und jeder Theil bringt zugleich auch ſei- ne Zeugen mit. Sind dieſe Zeugen Perſonen vom Stande; ſo laͤßt ſie der Richter neben ſich ſetzen; ſind es aber gemeine Leute; ſo muͤſ- ſen ſie vor ihm ſtehen, und jeder traͤgt das Seinige kurz vor. Manchmal ſetzen ſie den Richter in Verwirrung, ſo daß er nicht weiß, wie er ſich aus der Sache herausziehen ſoll. Wenn nun beyde Partheyen ihre Gruͤnde vor- getragen haben, ſo ſpricht der Richter das Recht. — Die Weiber pflegen ſich auch oft einander vor das Gerichte zu fodern, aber das mit einer Hitze, die faſt unglaublich iſt. Sie halten ſich alle in einem Winkel des Zimmers auf, ſind mit einem Schleyer behangen, und miſchen ſich nicht unter die Mannsperſonen. — Die gewoͤhnlichſten Sachen, die ſie vor das Gericht bringen, ſind Eheſachen, indem ſie ger- ne den Heyrathscontract wollen aufgehoben ha- ben. Und die gemeinſte Urſache, die ſie vorbrin- gen, iſt das Unvermoͤgen der Maͤnner. Sie machen einen ſo entſetzlichen Laͤrm durch ihr Schreyen, daß der arme Richter — welcher die Weiber nicht, wie die Maͤnner, darf ſchla- gen laſſen — weder aus noch ein weis, und mit vollem Halſe ſchreyt: ſie toͤdten mich! In der zweyten Sitzung wird endlich die Sache beygelegt.
Man
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="142"/>
Lohn fuͤr ſeine Bemuͤhung, und richtet die Fo-<lb/>
derung nach der Perſon, die er vor ſich hat,<lb/>
und der Wichtigkeit des Proceſſes, ein. Hier-<lb/>
naͤchſt werden die Parteyen vor den Richter ge-<lb/>
laſſen, und jeder Theil bringt zugleich auch ſei-<lb/>
ne Zeugen mit. Sind dieſe Zeugen Perſonen<lb/>
vom Stande; ſo laͤßt ſie der Richter neben<lb/>ſich ſetzen; ſind es aber gemeine Leute; ſo muͤſ-<lb/>ſen ſie vor ihm ſtehen, und jeder traͤgt das<lb/>
Seinige kurz vor. Manchmal ſetzen ſie den<lb/>
Richter in Verwirrung, ſo daß er nicht weiß,<lb/>
wie er ſich aus der Sache herausziehen ſoll.<lb/>
Wenn nun beyde Partheyen ihre Gruͤnde vor-<lb/>
getragen haben, ſo ſpricht der Richter das<lb/>
Recht. — Die Weiber pflegen ſich auch oft<lb/>
einander vor das Gerichte zu fodern, aber das<lb/>
mit einer Hitze, die faſt unglaublich iſt. Sie<lb/>
halten ſich alle in einem Winkel des Zimmers<lb/>
auf, ſind mit einem Schleyer behangen, und<lb/>
miſchen ſich nicht unter die Mannsperſonen. —<lb/>
Die gewoͤhnlichſten Sachen, die ſie vor das<lb/>
Gericht bringen, ſind Eheſachen, indem ſie ger-<lb/>
ne den Heyrathscontract wollen aufgehoben ha-<lb/>
ben. Und die gemeinſte Urſache, die ſie vorbrin-<lb/>
gen, iſt das Unvermoͤgen der Maͤnner. Sie<lb/>
machen einen ſo entſetzlichen Laͤrm durch ihr<lb/>
Schreyen, daß der arme Richter — welcher<lb/>
die Weiber nicht, wie die Maͤnner, darf ſchla-<lb/>
gen laſſen — weder aus noch ein weis, und<lb/>
mit vollem Halſe ſchreyt: <hirendition="#fr">ſie toͤdten mich!</hi><lb/>
In der zweyten Sitzung wird endlich die Sache<lb/>
beygelegt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Man</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[142/0162]
Lohn fuͤr ſeine Bemuͤhung, und richtet die Fo-
derung nach der Perſon, die er vor ſich hat,
und der Wichtigkeit des Proceſſes, ein. Hier-
naͤchſt werden die Parteyen vor den Richter ge-
laſſen, und jeder Theil bringt zugleich auch ſei-
ne Zeugen mit. Sind dieſe Zeugen Perſonen
vom Stande; ſo laͤßt ſie der Richter neben
ſich ſetzen; ſind es aber gemeine Leute; ſo muͤſ-
ſen ſie vor ihm ſtehen, und jeder traͤgt das
Seinige kurz vor. Manchmal ſetzen ſie den
Richter in Verwirrung, ſo daß er nicht weiß,
wie er ſich aus der Sache herausziehen ſoll.
Wenn nun beyde Partheyen ihre Gruͤnde vor-
getragen haben, ſo ſpricht der Richter das
Recht. — Die Weiber pflegen ſich auch oft
einander vor das Gerichte zu fodern, aber das
mit einer Hitze, die faſt unglaublich iſt. Sie
halten ſich alle in einem Winkel des Zimmers
auf, ſind mit einem Schleyer behangen, und
miſchen ſich nicht unter die Mannsperſonen. —
Die gewoͤhnlichſten Sachen, die ſie vor das
Gericht bringen, ſind Eheſachen, indem ſie ger-
ne den Heyrathscontract wollen aufgehoben ha-
ben. Und die gemeinſte Urſache, die ſie vorbrin-
gen, iſt das Unvermoͤgen der Maͤnner. Sie
machen einen ſo entſetzlichen Laͤrm durch ihr
Schreyen, daß der arme Richter — welcher
die Weiber nicht, wie die Maͤnner, darf ſchla-
gen laſſen — weder aus noch ein weis, und
mit vollem Halſe ſchreyt: ſie toͤdten mich!
In der zweyten Sitzung wird endlich die Sache
beygelegt.
Man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/162>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.