läßt es nicht an Mühe fehlen, seinen Kindern einen guten Unterricht und eine vernünftige Erziehung zu verschaffen. Er schickt sie früh- zeitig in die Schule, und wenn sie wieder zu Hause kommen, so müssen sie gleich wieder an die Arbeit gehen, und etwa das Handwerk, das der Vater treibt, lernen. Das wilde Herum- laufen auf den Straßen wird dadurch fürtref- lich gehemmt. -- Herrliche Grundsätze, die in Europa allgemein sollten befolgt werden, oder vielmehr schon längst all- gemein seyn sollten.
Die jungen Leute kommen nicht eher in die große Welt, als im zwanzigsten Jahre, es sey dann, daß man bey ihnen einen Hang zur Lie- be verspürte und sie alsdann früher verheyra- thete. Denn man pflegt ihnen schon, wie be- reits erwähnt, im sechzehnten oder siebenzehnten Jahre Concubinen zu geben. Bey einer sol- chen Veränderung der Lebensart der jungen Leu- te, scheinen sie anfangs ziemlich höflich, ernst- haft, ehrlich und still zu seyn. In der Folge aber lassen sie sich leicht durch das böse Exem- pel andrer zur Leichtfertigkeit und dergleichen Dingen verleiten.
Es ist schon im vorhergehenden bemerkt worden, daß die Perser mit unter die civilisir- testen Völker des Orients müssen gerechnet wer- den. Ihre Mienen und Geberden sind einneh- mend, sanft, majestätisch, und im möglichsten Grade einschmeichelnd. Wenn zwey Personen
sich
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laͤßt es nicht an Muͤhe fehlen, ſeinen Kindern einen guten Unterricht und eine vernuͤnftige Erziehung zu verſchaffen. Er ſchickt ſie fruͤh- zeitig in die Schule, und wenn ſie wieder zu Hauſe kommen, ſo muͤſſen ſie gleich wieder an die Arbeit gehen, und etwa das Handwerk, das der Vater treibt, lernen. Das wilde Herum- laufen auf den Straßen wird dadurch fuͤrtref- lich gehemmt. — Herrliche Grundſaͤtze, die in Europa allgemein ſollten befolgt werden, oder vielmehr ſchon laͤngſt all- gemein ſeyn ſollten.
Die jungen Leute kommen nicht eher in die große Welt, als im zwanzigſten Jahre, es ſey dann, daß man bey ihnen einen Hang zur Lie- be verſpuͤrte und ſie alsdann fruͤher verheyra- thete. Denn man pflegt ihnen ſchon, wie be- reits erwaͤhnt, im ſechzehnten oder ſiebenzehnten Jahre Concubinen zu geben. Bey einer ſol- chen Veraͤnderung der Lebensart der jungen Leu- te, ſcheinen ſie anfangs ziemlich hoͤflich, ernſt- haft, ehrlich und ſtill zu ſeyn. In der Folge aber laſſen ſie ſich leicht durch das boͤſe Exem- pel andrer zur Leichtfertigkeit und dergleichen Dingen verleiten.
Es iſt ſchon im vorhergehenden bemerkt worden, daß die Perſer mit unter die civiliſir- teſten Voͤlker des Orients muͤſſen gerechnet wer- den. Ihre Mienen und Geberden ſind einneh- mend, ſanft, majeſtaͤtiſch, und im moͤglichſten Grade einſchmeichelnd. Wenn zwey Perſonen
ſich
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laͤßt es nicht an Muͤhe fehlen, ſeinen Kindern
einen guten Unterricht und eine vernuͤnftige
Erziehung zu verſchaffen. Er ſchickt ſie fruͤh-
zeitig in die Schule, und wenn ſie wieder zu
Hauſe kommen, ſo muͤſſen ſie gleich wieder an
die Arbeit gehen, und etwa das Handwerk, das
der Vater treibt, lernen. Das wilde Herum-
laufen auf den Straßen wird dadurch fuͤrtref-
lich gehemmt. — Herrliche Grundſaͤtze,
die in Europa allgemein ſollten befolgt
werden, oder vielmehr ſchon laͤngſt all-
gemein ſeyn ſollten.
Die jungen Leute kommen nicht eher in die
große Welt, als im zwanzigſten Jahre, es ſey
dann, daß man bey ihnen einen Hang zur Lie-
be verſpuͤrte und ſie alsdann fruͤher verheyra-
thete. Denn man pflegt ihnen ſchon, wie be-
reits erwaͤhnt, im ſechzehnten oder ſiebenzehnten
Jahre Concubinen zu geben. Bey einer ſol-
chen Veraͤnderung der Lebensart der jungen Leu-
te, ſcheinen ſie anfangs ziemlich hoͤflich, ernſt-
haft, ehrlich und ſtill zu ſeyn. In der Folge
aber laſſen ſie ſich leicht durch das boͤſe Exem-
pel andrer zur Leichtfertigkeit und dergleichen
Dingen verleiten.
Es iſt ſchon im vorhergehenden bemerkt
worden, daß die Perſer mit unter die civiliſir-
teſten Voͤlker des Orients muͤſſen gerechnet wer-
den. Ihre Mienen und Geberden ſind einneh-
mend, ſanft, majeſtaͤtiſch, und im moͤglichſten
Grade einſchmeichelnd. Wenn zwey Perſonen
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/39>, abgerufen am 04.05.2024.
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