einstimmender, als der Trost, den sie sich ge- genseitig zuzusprechen pflegen. Sie verglei- chen das Leben mit einer Carvanserey, und raisonniren darüber auf eine so vernünftige Art, als man es nur immer von den gesitte- sten und vernünftigsten Einwohnern der Erde hören kann. Ein solcher Trost hat auch ge- meiniglich bey ihnen die besten Wirkungen, und sie wissen sich endlich in ihrem Schicksale so zu finden, daß es ihrer Denkungsart viele Eh- re macht. -- Wer sich unter ihnen eines guten Lebenswandels bewußt ist, scheut sich auch für dem Tode gar nicht; vielmehr äußern sie manchmal die größeste Sehnsucht nach demsel- ben, und sehen es für eine besondere Wohlthat von Gott an, wenn sie bald sterben können. In Europa pflegt man gewöhnlich ein solches Verlangen nach dem Tode nicht zu tragen! Aber man hat es auch nicht Ursache, weil es uns an manchen Eigenschaften fehlt, die die Perser so sehr über uns erheben!
Drit-
einſtimmender, als der Troſt, den ſie ſich ge- genſeitig zuzuſprechen pflegen. Sie verglei- chen das Leben mit einer Carvanſerey, und raiſonniren daruͤber auf eine ſo vernuͤnftige Art, als man es nur immer von den geſitte- ſten und vernuͤnftigſten Einwohnern der Erde hoͤren kann. Ein ſolcher Troſt hat auch ge- meiniglich bey ihnen die beſten Wirkungen, und ſie wiſſen ſich endlich in ihrem Schickſale ſo zu finden, daß es ihrer Denkungsart viele Eh- re macht. — Wer ſich unter ihnen eines guten Lebenswandels bewußt iſt, ſcheut ſich auch fuͤr dem Tode gar nicht; vielmehr aͤußern ſie manchmal die groͤßeſte Sehnſucht nach demſel- ben, und ſehen es fuͤr eine beſondere Wohlthat von Gott an, wenn ſie bald ſterben koͤnnen. In Europa pflegt man gewoͤhnlich ein ſolches Verlangen nach dem Tode nicht zu tragen! Aber man hat es auch nicht Urſache, weil es uns an manchen Eigenſchaften fehlt, die die Perſer ſo ſehr uͤber uns erheben!
Drit-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0092"n="72"/>
einſtimmender, als der Troſt, den ſie ſich ge-<lb/>
genſeitig zuzuſprechen pflegen. Sie verglei-<lb/>
chen das Leben mit einer <hirendition="#fr">Carvanſerey,</hi> und<lb/>
raiſonniren daruͤber auf eine ſo vernuͤnftige<lb/>
Art, als man es nur immer von den geſitte-<lb/>ſten und vernuͤnftigſten Einwohnern der Erde<lb/>
hoͤren kann. Ein ſolcher Troſt hat auch ge-<lb/>
meiniglich bey ihnen die beſten Wirkungen,<lb/>
und ſie wiſſen ſich endlich in ihrem Schickſale ſo<lb/>
zu finden, daß es ihrer Denkungsart viele Eh-<lb/>
re macht. — Wer ſich unter ihnen eines guten<lb/>
Lebenswandels bewußt iſt, ſcheut ſich auch fuͤr<lb/>
dem Tode gar nicht; vielmehr aͤußern ſie<lb/>
manchmal die groͤßeſte Sehnſucht nach demſel-<lb/>
ben, und ſehen es fuͤr eine beſondere Wohlthat<lb/>
von Gott an, wenn ſie bald ſterben koͤnnen.<lb/>
In Europa pflegt man gewoͤhnlich ein ſolches<lb/>
Verlangen nach dem Tode nicht zu tragen!<lb/>
Aber man hat es auch nicht Urſache, weil es<lb/>
uns an manchen Eigenſchaften fehlt, die die<lb/>
Perſer ſo ſehr uͤber uns erheben!</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Drit-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[72/0092]
einſtimmender, als der Troſt, den ſie ſich ge-
genſeitig zuzuſprechen pflegen. Sie verglei-
chen das Leben mit einer Carvanſerey, und
raiſonniren daruͤber auf eine ſo vernuͤnftige
Art, als man es nur immer von den geſitte-
ſten und vernuͤnftigſten Einwohnern der Erde
hoͤren kann. Ein ſolcher Troſt hat auch ge-
meiniglich bey ihnen die beſten Wirkungen,
und ſie wiſſen ſich endlich in ihrem Schickſale ſo
zu finden, daß es ihrer Denkungsart viele Eh-
re macht. — Wer ſich unter ihnen eines guten
Lebenswandels bewußt iſt, ſcheut ſich auch fuͤr
dem Tode gar nicht; vielmehr aͤußern ſie
manchmal die groͤßeſte Sehnſucht nach demſel-
ben, und ſehen es fuͤr eine beſondere Wohlthat
von Gott an, wenn ſie bald ſterben koͤnnen.
In Europa pflegt man gewoͤhnlich ein ſolches
Verlangen nach dem Tode nicht zu tragen!
Aber man hat es auch nicht Urſache, weil es
uns an manchen Eigenſchaften fehlt, die die
Perſer ſo ſehr uͤber uns erheben!
Drit-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/92>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.